Ernährung„Fettarmer Kakao reicht völlig“
Herr Köhler, viele Hobbysportler konsumieren teure Eiweiß-Präparate, um den Muskelaufbau zu fördern. Bringen die Nahrungsergänzungsmittel tatsächlich was?Karsten Köhler: Richtig ist: Durch die Kombination von Krafttraining und Eiweißzufuhr kann man tatsächlich mehr Muskelaufbau erreichen als durch Training allein. Allerdings müssen es keine speziellen Eiweiß-Präparate sein. Genauso gut sind normale Lebensmittel wie Milch, Milchprodukte, Fleisch oder Soja. Ein fettarmer Kakao reicht völlig.
Wie viel Protein sollte man nehmen, um einen Effekt zu erzielen?Köhler: Um das Training herum reichen 20 Gramm Eiweiß, das entspricht etwa einem halben Liter Milch oder Kakao. Die meisten rühren sich ihre Protein-Shakes sowieso in Milch an, in der schon Eiweiß enthalten ist. Da ist das Pulver dann fast überflüssig.
Das teure Protein-Pulver, das man in die Milch mixt, hat also keinen Zusatznutzen?Köhler: Mir ist keine Studie bekannt, die zeigt, dass ein Proteinpräparat besser ist also eine normale, biologisch hochwertige Eiweißquelle. Was nicht heißt, dass der Markt dafür nicht trotzdem riesig ist. Das liegt zum einen daran, dass das den Leuten nicht klar ist. Zum anderen ist unter Sportlern der Glaube verbreitet, dass viel auch viel hilft. Dabei ist die Studienlage klar: Alles über 20 Gramm Eiweiß pro Mahlzeit verpufft und hat keine muskelaufbauende Wirkung. Für den Muskelaufbau geht es eher darum, das Protein zu einem Zeitpunkt rund um das Training aufzunehmen.
Eher vor oder nach dem Training?Köhler: Die Daten sind nicht ganz eindeutig. Die meisten Studien sagen: direkt nach dem Training. Allerdings gibt es nur wenige Untersuchungen mit Probanden, die Eiweißprodukte vor dem Sport konsumiert haben. Deshalb lässt sich das schlecht vergleichen. Es kann sinnvoll sein, auch während des Trainings hin und wieder zu essen oder zu trinken - vor allem, wenn man lange trainiert und verschiedene Muskelgruppen nacheinander beansprucht.
„Durch zu viele Spezialprodukte nimmt man zu“
Warum kommt es eigentlich auf den Zeitpunkt an?Köhler: Zwei Faktoren müssen zusammenspielen, damit Eiweiß in den Muskel gelangen kann: Zum einen muss die Nahrung erst mal in die einzelnen Nährstoffe aufgespalten und über den Magen-Darm-Trakt und die Leber umverteilt werden. Nur so können die Nährstoffe in den Blutkreislauf gelangen. Gleichzeitig müssen im Muskel durch den Trainingsreiz Hormone und Wachstumsfaktoren ausgeschüttet werden. Erst durch dieses Signal kann der Muskel die Nährstoffe entziehen. Zwar würde man auch Stunden nach dem Training einen Effekt erzielen, aber der wäre wohl geringer.
Spielt denn die Darreichungsform eine Rolle?Köhler: Es gibt zwar Proteine, die schneller, und welche, die langsamer verdaut werden. Aber in Milchprodukten haben wir meist eine gute Mischung aus beidem.
Bekommt man die schneller verdaulichen Proteine eher in Spezialpräparaten?Köhler: Nein, auch in den als gut beworbenen Präparaten finden sich schnell und langsam verdauliche Proteinquellen. Es wird sogar mit der Kombination geworben: Mit den schnellen erreiche man direkt einen Anstieg der Blutkonzentration, mit den langsamen einen länger anhaltenden Effekt.
Hat übermäßiger Konsum von Eiweiß-Präparaten eigentlich Nebenwirkungen?Köhler: Zum einen belastet er den Geldbeutel, zumindest, wenn man auf teure Spezialprodukte zurückgreift. Zum anderen sollte man bedenken: Da ist auch viel Energie enthalten. Man darf sich nicht wundern, dass man zunimmt. Wenn man dem Körper langfristig mehr Energie zur Verfügung stellt, als er braucht, wird er sie in Fettreserven einlagern. Auch kann ein Zuviel an Eiweiß Blähungen auslösen. Wirkliche Gefahren drohen aber nicht, zumindest bei gesunden Personen.
Außer den harmlosen Eiweiß-Präparaten werden in manchen Bodybuilding-Studios allerdings auch andere Pillen und Pülverchen eingenommen...Köhler: Tatsächlich besorgen sich zahlreiche Sportler übers Internet illegale Präparate, meist anabole Steroide, die als Dopingsubstanz gelten, also nicht zugelassene Arzneimittel sind. Weil diese Substanzen hormonell aktiv sind, drohen ernste Nebenwirkungen wie Leberschädigungen. In Einzelfällen kann solches Doping sogar zum Tode führen. Das sind meist Produkte, die mit einem extremen Muskelaufbau werben. Für Jugendliche sind solche Anabolika noch gefährlicher, weil sie das Wachstum stören.
Vor welchen anderen Muskelaufbau-Mitteln würden Sie warnen?Köhler: In Mode gekommen sind stimulierende, amphetaminähnliche Substanzen. Das sind Dopingmittel, die den Muskelaufbau indirekt unterstützen, dadurch, dass man mehr trainieren kann. Auch davor warne ich, weil sie gravierende Nebenwirkungen haben.
„Training ist der stärkste Reiz.“
In vielen legalen Präparaten steckt Kreatin. Was ist das genau?Köhler: Kreatin ist eine aminosäure-ähnliche Substanz, die auch im Leistungssport eingesetzt wird. Die Einnahme von Kreatin führt in der Tat dazu, dass der Muskelaufbau schneller funktioniert - natürlich nur in Zusammenhang mit Krafttraining. Der Stoff kommt auch in Fleisch vor, allerdings in geringeren Mengen als in Nahrungsergänzungsmitteln. Laut Europäischer Lebensmittelaufsicht sind bis zu fünf Gramm am Tag unbedenklich. Aber auch bei höheren Dosen sind wenig Nebenwirkungen bekannt.
Wie viel Prozent des Muskelaufbaus macht die Ernährung aus?Köhler: Ich kann mit einer guten Ernährung mein Training unterstützen, aber nicht mit einer noch so guten Ernährung allein etwas erreichen, ohne zu trainieren! Training ist der stärkste Reiz. Den kann ich gezielt mit bestimmten Nährstoffen nur unterstützen.
Welche normalen Lebensmittel sollte man denn rund ums Training zu sich nehmen, wenn man Muskeln aufbauen will?Köhler: Zum Beispiel eben fettarmen Kakao. Aber auch ein Ei mit Kartoffeln oder ein Magerquark mit Früchten ist gut - das hat den Vorteil, dass ich Kohlenhydrate mit Eiweiß kombiniere. Wichtig ist: möglichst natürlich essen, möglichst hochwertiges Eiweiß - also aus tierischen Proteinquellen - konsumieren, möglichst mit Kohlenhydraten kombinieren.
Warum die Kohlenhydrate?Köhler: Weil es durch die Zufuhr von Kohlenhydraten zu einem Ausstoß an Insulin kommt. Das kann dazu beitragen, dass mehr Aminosäuren und Zucker in den Muskel aufgenommen werden können und der Muskelaufbau stimuliert wird.