Kampfsport in KölnJapanischer Schwertkampf schult Körper und Geist

Harun Nasraty (links) und Luciano Morgenstern zeigen die Übungen des Schwertkampfes.
Copyright: Jörn Neumann Lizenz
Köln – Es gehört schon etwas Mut dazu, sich in Köln-Nippes als Schwertkämpfer zu etablieren. Für Luciano Morgenstern war es der einzig mögliche Weg. Der 33-jährige Kölner fühlte sich bereits als Kind zu asiatischen Kampfkünsten und Philosophien hingezogen. Schon früh war er auf der Suche nach einer Tätigkeit, die ihm zugleich spirituelle und körperliche Erfüllung geben konnte, Erleuchtung und Erschöpfung in einem. Diese Tätigkeit zu finden, hat lange gedauert.
Als Kind begann Morgenstern mit Judo, gab den Sport aber bald wieder auf, weil er ihm nicht das geben konnte, was er suchte. Mit 16 lernte er Shaolin Kung Fu. „Das war viel eher mein Weg. Ich trainierte fortan jeden Tag“, erinnert er sich. Kung Fu ist der Ursprung mehrerer asiatischer Kampfsportarten. Der chinesische Name heißt so viel wie „etwas durch harte Arbeit und Geduld Erreichtes“.
Das traditionelle Training ist streng und anspruchsvoll, von den Schülern wird Geduld, Ausdauer, Disziplin und ein starker Wille erwartet. Zusätzlich lernte Morgenstern als Jugendlicher noch die persische Variante Kung Fu Toa und Tai Chi. Beides soll sowohl die Gesundheit als auch die Persönlichkeit weiterentwickeln.
Starker Körper, starker Geist – und doch fehlte Morgenstern etwas: „Ich wollte unbedingt das japanische Schwert lernen, weil ich schon als Kind von den japanischen Samurai-Kriegern fasziniert war.“ Da das in Deutschland damals nicht möglich war, reiste er mit 25 Jahren für mehrere Monate nach Japan, um bei Großmeister Niina Soke zu lernen. Seitdem besucht er das Land jedes Jahr und ist mittlerweile der Europavertreter des Großmeisters.
Alte Kampfkunst der Samurai
In seinem hellen Dojo in Nippes lehrt Morgenstern – wie es ihm der Meister gezeigt hat – unter anderem Mugai Ryu Iaido, die alte Kampfkunst der Samurai mit dem Katana-Langschwert. In Deutschland verbindet man vor allem Kendo mit japanischem Schwertkampf. Doch Kendo wird nach festen Regeln auch wettkampfmäßig betrieben, während Mugai Ryu Iaido im Rahmen seiner Formen ganz frei ist. „Schnörkellose, klare Schönheit und Effizienz sind es, die diesen Stil ausmachen“, erklärt Morgenstern.
Die Wurzeln des Mugai Ryu Iaido gehen bis ins Jahr 1693 zurück. Bis heute wird es in seiner reinen Form unterrichtet. Es beinhaltet keine überflüssigen Bewegungen, alles hat einen tieferen und praktischen Sinn, der im Unterricht zusammen mit den Techniken vermittelt wird. Trotzdem sind alle Schnitte effizient und müssen in der Anwendung sowohl schneiden können als auch im Kampf anwendbar sein.
Ursprünglich wurde es vom Zen-Meister Tsuji Gettan als ein Weg des Zen erschaffen. Das wirkt sich bis heute aus: Meditationen schließen das Training ab und sollen Körper und Geist verbinden. Diese Übung spürt man, wenn man Luciano Morgenstern trifft: Er ist, was er tut. Auch das Training selbst findet in meditativer, respektvoller und ruhiger Atmosphäre statt. Die Bewegungen wechseln zwischen langsam und schnell.
Wie im Aikido gilt das Prinzip des Ableitens
Die Kraft des Gegners wird aufgenommen und zurückgeleitet. Wenn Angriff und Verteidigung abgeschlossen sind und das Schwert wieder in der Scheide steckt, wird der Gegner noch einige Zeit mit den Augen fixiert, um ihn unter Kontrolle zu halten. Auch das trägt zur Kontemplation bei. „Das Schwert ist klar und scharf. Mugai Ryu Iaido ist Meditation in Bewegung. Menschen, die Schwertkampf machen, arbeiten körperlich und geistig an sich. Das Schwert und Zen sind eins “, sagt Morgenstern. Das sieht auch der 25-jährige Harun Nasraty so, der in Morgensterns Dojo trainiert und dort mittlerweile Kindergruppen unterrichtet: „Zen hat mich immer interessiert, deshalb bin ich hier her gekommen.“
Außer dem Zen-orientierten Mugai Ryu Iaido unterrichtet Luciano Morgenstern auch den japanischen Schwertkampf mit zwei Schwertern, Genko Nito Ryu genannt. „Die Kampfkunst mit zwei Schwertern ist natürlicher, aber auch komplizierter und gefährlicher für die Kämpfer“, erklärt Morgenstern. Der Stil ist sehr effizient und kampforientiert, im Fokus stehen die direkten Techniken. Das Training fühlt sich für viele durch das gleichmäßige Nutzen beider Arme natürlicher an.
Man lernt grundlegende Dinge
Doch egal, welche Form praktiziert wird, der Effekt ist der gleiche: „Schwertkampf schafft Konzentration, Ruhe und eine gute Körperhaltung. Man lernt, abzuschalten und kommt wieder zu sich“, meint Luciano Morgenstern. Statt hoher Kicks oder anderer beeindruckender Tricks lerne man hier grundlegende Dinge wie zum Beispiel aufrecht und gerade zu stehen. Durch das Training entwickelten sich die Schüler geistig weiter und würden meist klarer und fokussierter. „Das wirkt sich auch auf das echte Leben aus“, so Morgenstern. Und weiter: „Man ist präsent im Moment und in der Lage, schnelle Entscheidungen zu treffen und direkt zu handeln.“ Die Kampfkunst sei für Kinder geeignet und lasse sich auch im Alter noch erlernen und betreiben.
Luciano Morgenstern hat viele Kampfsport- und Kampfkunstarten ausprobiert und scheint nun angekommen zu sein. Er sagt: „Nach all den Jahren bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass im Kern alle Kampfkünste gleich sind und voneinander profitieren. Die Prinzipien, Techniken und die Beinarbeit sind sehr ähnlich. Die Essenz liegt darin, aufmerksam im Moment zu handeln.“
Das sieht auch Harun Nasraty so. Seit er sechs Jahre alt ist, praktiziert er verschiedene Kampfsportarten: Judo, Thaiboxen, Wing Chun, Capoeira und Boxen. Er sagt: „Alle Stile profitieren voneinander.“
Zen-mäßig würde man wohl sagen: Alles ist alles, alles ist miteinander verbunden. Ein schöner Abschluss für diese Serie.