Kampfsport in KölnTaekwon-Do - die Unbezwingbaren

Kim Hong-Young (rechts) leitet die Ehrenfelder Musado-Schule seit mehr als 20 Jahren. Mit dem 7. Dan trägt der Koreaner einen der höchsten Meistertitel in Deutschland.
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Köln – Für Peter Geisselhart beginnt jeder Arbeitstag mit einer tiefen Verbeugung vor der koreanischen Flagge. Sie hängt über den weichen Trainingsmatten in seinem Lindenthaler Kampfsport-Studio, gleich neben einer Kalligraphie koreanischer Schriftzeichen.
Eher Lebensaufgabe als Kampf
Dort stehen die fünf Grundsätze und Ziele des Taekwon-Do: Höflichkeit, Integrität, Selbstdisziplin, Geduld und Unbezwingbarkeit. Über jedes der Worte kann Geisselhart minutenlang leidenschaftlich referieren, über Etikette, Moralität, Ehrlichkeit, Durchhaltevermögen, Vorhersicht. Taekwon-Do, das sei eben kein Kampfsport. „Taekwon-Do ist eine Lebensaufgabe.“ Taekwon-Do zählt zu den jungen asiatischen Kampfsportarten.
Korea war ab 1910 japanische Kolonie. Ein Versammlungsverbot bedeutete das Aus für große Teile koreanischer Kultur und des Brauchtums des Landes, auch des zuvor noch in Gruppen ausgeübten Kampfsports. Die Kolonialherren verbreiteten stattdessen das japanische Karate.
Erst nach der Kapitulation Japans 1945 und der Teilung des Landes entstanden wieder große Schulen, die eigene Bewegungsabläufe und Philosophien entwickelten. Sie stritten lange um die Vormachtstellung und koexistierten schließlich unter dem Begriff Taekwon-Do. Schon in den 1970er-Jahren wurde es zum Nationalsport ernannt. Die unterschiedlichen Strömungen und Rivalitäten blieben dennoch erhalten:
Heute unterscheidet man grob die drei Stile traditionell, reformiert und Wettkampfsport. Was bedeutet, dass Taekwon-Do je nach Schule vollkommen unterschiedlich ausgerichtet sein kann:
Das Spektrum reicht von meditativ-spirituell bis hin zum Vollkontaktsport mit Kopf- und Körperschutz, wie er auch bei den Olympischen Spielen zu sehen ist. In Geisselharts Traditional Taekwon-Do-Center ist der Körperkontakt zum Gegner streng untersagt. Auch bei Wettkämpfen muss jeder Tritt, jeder Schlag, wenige Zentimeter vor dem Gegner gestoppt werden. Nicht zu weit entfernt, damit der Richter ihn als Treffer werten kann. Aber auch nicht zu nah – wer den Gegner berührt, erhält sofort einen Minuspunkt oder wird direkt ganz disqualifiziert.
„Das erfordert sehr viel Kontrolle und Selbstdisziplin“, sagt Geisselhart. „Man muss die eigenen Gefühle auch in Extremsituationen kennen und gut beherrschen können.“
Bejubelter Bruchtest
Zu Training und Prüfung gehört aber auch der Bruchtest, eine optisch spektakuläre Spezialität des Taekwon-Do, die in Korea bei Wettkämpfen mit wahnwitziger Artistik verbunden und vom Publikum wie hierzulande Fußballtore gefeiert wird.
In Geisselharts Studio liegen dafür am Rand der Trainingsmatten, sauber gestapelt, zwei Zentimeter dicke Holzbretter und dunkelrote Ziegelsteine bereit. Mit Faust oder Fuß, begleitet von einem lauten Kampfschrei, durchstoßen die Kämpfer oft zwei bis drei der Hindernisse auf einmal. „Arbeit am toten Material“ nennt Geisselhart das. „Wir treffen unsere Partner im Training schließlich nie. So können wir die Effektivität unserer Techniken überprüfen.“
Mit fünf Jahren im Kampfanzug
Das sieht von Schule zu Schule anders aus. In der Ehrenfelder Taekwon-Do-Schule Musado steigen schon die Jüngsten in kleine Kampfanzüge und setzen die Schutzhelme auf. Hier wird Taekwon-Do mit Vollkontakt trainiert, im Sparring treffen sich die Partner später auch mit voller Härte. Wer sehr gut ist, kann an Wettkämpfen teilnehmen, bis hin zu den Olympischen Spielen.
Das interessiert allerdings die wenigsten. „Taekwon-Do ist für mich der perfekte Ausgleich zu Job und Familie“, sagt Axel Gronostay.
Er hat vor 17 Jahren zusammen mit seiner Tochter bei dem Koreaner Kim Hong-Young, der von seinen Schülern nur „Meister Kim“ genannt wird, angefangen. Eine Vierjährige und ein Mitt-Dreißiger – erst glaubte er, dass sei speziell. „Doch im Taekwon-Do ist das nichts Besonderes“, sagt er. Inzwischen tragen beide den vierten Dan, Gronostay leitet regelmäßig das Training für Fortgeschrittene in der Ehrenfelder Schule.
Das Sparring macht dabei nur einen kleinen Teil aus: Die Formenläufe werden einstudiert, Kombinationen an Pratzen geübt und Selbstverteidigungs-Strategien vermittelt.
Taekwon-Do mache einerseits körperlich fit, flexibel und beweglich. Stärker als andere Sportarten verwendet es Kicks, bei denen die Kraft aus der Hüfte kommt. Die Atmung spielt eine zentrale Rolle: Verdeckt, tief in den Bauch, mit explosionsartigen Kampfschreien, die zusätzliche Energie freisetzen.
Sport gegen Prüfungsangst
Andererseits aber strenge es den Geist an: das Gedächtnis, die Disziplin, das Durchhaltevermögen – und verleihe so innere Stärke.
Gronostay konnte das gut an seiner Tochter beobachten: „Sie hatte nie Prüfungsängste. Sie wusste ja schon von ihrem Taekwon-Do-Training, dass mit Übung alles schaffbar ist.“ Um sich im Dschungel der unterschiedlichen Taekwon-Do-Stile und -Schulen zurechtzufinden, empfiehlt Gronostay ganz einfach: Austesten, ein Probetraining absolvieren, und vor allem: den Meister kennenlernen.
Denn: „Mit dem Meister steht und fällt alles.“ So unterschiedlich die Schulen auch ausfallen mögen – die Ziele des Taekwon-Do verbinden sie.
Unbezwingbar und ehrlich
Auf die Frage nach den wichtigsten Lehren für seine Schülerinnen und Schüler antwortet Meister Kim stets mit den fünf wichtigsten Zielen des Taekwon-Do: „Ehrlichkeit, Höflichkeit, Geduld, Selbstdisziplin und natürlich: Unbezwingbarkeit.“