Nahrungsergänzungsmittel auf dem PrüfstandEin Hauch von Doping für Freizeitsportler

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Herr Braun, welche Ergänzungsmittel zur Leistungssteigerung gibt es legal zu kaufen?
Alles, was die Nahrungsergänzungsmittelverordnung hergibt. Der Klassiker für Kraftsportler sind Proteine oder Präparate aus Aminosäuren. Für Ausdauersportler gibt es Kohlenhydrat-Kombinationen, etwa Sportriegel oder Gels. Auch Vitamine und Mineralstoffe, Produkte mit Koffein, Kreatin und verschiedenen Pflanzenextrakten werden angeboten. Nach einer Studie der EU wird geschätzt, dass in Europa mehr als 400 verschiedene Substanzen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln vertrieben werden.
Nehmen wir das Protein. Wer braucht Eiweißriegel und -shakes?
Menschen, die regelmäßig Krafttraining machen, haben einen erhöhten Proteinbedarf. Für den Normalbürger reichen 0,8 Gramm Eiweiß pro Kilo Körpergewicht am Tag, das kann man problemlos über die Ernährung aufnehmen. Beim Sportler sind 1,2 bis zwei Gramm nötig, also fast doppelt so viel. Die Frage ist: Braucht man Präparate, um auf diese Tagesmenge zu kommen?
Und die Antwort?
Normalerweise nicht. Studien zeigen, dass Sportler ohnehin meist mehr essen als Nicht-Sportler – und automatisch auch mehr Eiweiße. Generell ist ein zusätzliches Präparat deshalb nicht notwendig,
Aber es macht die Sache einfacher. Man erspart sich die Nährstoff-Rechnerei.
Das kann man lernen. Das ist auch nicht schwer, weil der Eiweißgehalt in Lebensmitteln ein sehr stabiler Wert ist, der nicht von Licht oder Hitze abhängt. Aber, klar: Wer durch seinen Schul- oder Arbeitsalltag nicht zum Essen kommt, für den können Protein-Shakes praktisch sein. Aber das ist ein praktisches Argument, kein physiologisches.
Ein weiteres ist, dass der Körper unmittelbar nach dem Training Protein braucht. Da sind Shakes einfach praktisch.
Tatsächlich gibt es die Empfehlung, etwa 15 bis 25 Gramm Eiweiß direkt nach dem Krafttraining zu sich zu nehmen, damit der Körper in den Anpassungsprozessen schneller reagiert. Dafür braucht man aber nicht unbedingt ein Präparat. Ein halber Liter Kakao tut es auch.
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„Protein-Booster“ suggerieren aber, dass sie mehr Eiweiß enthalten als ein simpler Kakao.
Aber mehr bewirkt nicht mehr. Protein ist in erster Linie ein Baustoff. Mehr als diese 15 bis 25 Gramm können die Muskeln nicht für ihre aufbauenden Prozesse nach dem Training nutzen. Alles, was zusätzlich reinkommt, wird zur Energiegewinnung abgebaut. Dabei bleibt Harnstoff übrig, der über die Niere ausgeschieden wird. Wer sich eiweißlastig ernährt, sollte also genug Wasser trinken.
Was ist mit Kreatin?
Kreatin kommt natürlicherweise zum Beispiel in Fleisch vor. Im Körper ist es in Form von Kreatinphosphat vorhanden, als natürliche Energiereserve, auf die wir für kurze, schnelle Belastungen zurückgreifen. In den 1990er Jahren entstand die Idee: Wer einen höheren Anteil Kreatin hat, kann vielleicht schneller und häufiger sprinten. Es gibt auch Hinweise, dass Kreatin beim Muskelaufbau nach Verletzungen helfen kann. Kreatin führt auch zu einer schnellen Gewichtszunahme von ein bis zwei Kilo, was oft mit Wassereinlagerung einhergeht – oder von Muskelmasse, wenn das Training stimmt. Interessanterweise sind solche Massenzuwächse in vielen Sportarten aber gar nicht erwünscht, weshalb Leistungssportler Kreatin eher kritisch sehen.
Ein anderer beliebter Stoff ist L-Carnitin. Was ist das?
Das ist ein Bestandteil eines körpereigenen Transporters und spielt eine wichtige Rolle im Energiestoffwechsel. L-Carnitin wird oft mit einer verbesserten Fettverbrennung beworben, wird in diesem Zusammenhang jedoch chronisch überschätzt.
Haben die Pillen und Pulver Nebenwirkungen?
Darüber weiß man sehr wenig. Oft werden unerwünschte Nebenwirkungen in den wenigen Studien zum Thema gar nicht dokumentiert. Aber klar ist, dass Überdosierung ein Risiko darstellt. So kann zum Beispiel eine zu hohe Magnesiumdosis zu Durchfall führen. Kritischer wird es, wenn innere Organe wie Leber und Niere belastet werden. Generell sollte man sich, wenn nicht anders vom Arzt verordnet, an den Empfehlungen auf der Verpackung orientieren.
Welche Mittel Leistungssportler nutzen - lesen Sie auf der letzten Seite
Welche Mittel nutzen Leistungssportler?
Das hängt von der Sportart und Trainingsphase ab. Leistungssportler müssen bei Ergänzungsmitteln aber generell aufpassen. Seit 15 Jahren weiß man, dass es bei manchen Produkten immer wieder zu Verunreinigungen kommt. Es tauchen Chargen auf, denen unerlaubte Doping-Substanzen beigemischt sind. Vor allem manche Produkte aus Asien, die zum Aufbau von Muskelmasse oder Fettabbau beworben werden, waren in dieser Hinsicht schon auffällig. Möglich ist, dass auch Händler, die sie vertreiben, davon nichts wissen.
Wird das denn nicht überprüft?
Solche Labortests sind bei der Menge an Produkten unmöglich. Deshalb haben wir für unsere Kaderathleten die „Kölner Liste“ aufgebaut (siehe Kasten). Die Hersteller dieser Ergänzungsmittel haben sich freiwillig verpflichtet, ihre Produkte am Zentrum für präventive Dopingforschung kontrollieren zu lassen. Wir empfehlen unseren Athleten dann etwa, Proteinpulver nur von einer überprüften Charge zu nehmen.
Also bringen die Mittel doch was – sonst würden Ihre Athleten sie ja nicht nehmen.
Sie dürfen die Liste nicht missverstehen: Es ist keine prinzipielle Empfehlung, dass ein Produkt generell sinnvoll ist. Aber es kann für den ein oder anderen schon Sinn machen, etwa Proteinpräparate zu nehmen. Zum Beispiel in Phasen der Gewichtsreduktion oder bei Lebensmittelunverträglichkeiten.
Ihr Tipp: Worauf sollten Freizeitsportler achten?
Sie sollten zunächst einmal mit einem Experten klären, ob es bei ihrem Training wirklich nötig ist, Nahrungsbestandteile zu ergänzen. Oft ist das Problem auch schlicht die Zeit: Wer nicht auf die nötige Energiemenge kommt, die er als Sportler braucht, sollte nicht sofort zum Ergänzungsmittel greifen, sondern lieber seinen Alltag hinterfragen und überlegen, wie er seine Ernährung verbessern kann.