Steinzeit-ErnährungSich fit essen mit Eiweiß statt Nudeln

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Frau Platen, kann man als Hobbysportler seine Leistungsfähigkeit durch die richtige Ernährung steigern? Wir gehen mal davon aus, dass man ungefähr dreimal pro Woche für eine Stunde Sport treibt.
Petra Platen: Bei nur dreimal pro Woche einer Stunde Sport brauche ich mich noch nicht besonders um meine Ernährung zu kümmern, weil ich in der Regel mit einer ausgewogenen, normalen, sogenannten mediterranen Ernährungsweise genügend qualitativ hochwertige Energieträger zu mir nehme, die es jederzeit erlauben, eine Stunde körperlich aktiv zu sein.
Wenn man nur Hobbysportler ist, müsste man seine Ernährung also gar nicht großartig umstellen?
Platen: Nein, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind. Die Ernährung sollte ausgewogen und kalorientechnisch balanciert sein und die richtige Mischung aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen haben: etwa 15 Prozent Eiweiße, 30 Prozent Fett und der Rest Kohlenhydrate. Am besten ungesättigte Fettsäuren, vor allem Omega-3-Fettsäuren. Der gesamte Proteinanteil sollte zwischen 0,8 und 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht liegen und die Kohlenhydrate aus komplexen Kohlenhydraten stammen, möglichst aus Vollkorngetreide, Früchten und Gemüse.
■ Ausgewogen essen und die richtige Mischung aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen beachten. Aktuell lautet die Empfehlung: 15 Prozent Eiweiße, 30 Prozent Fett und der Rest Kohlenhydrate. Die Steinzeit-Ernährung erlaubt einen erhöhten Eiweißanteil von bis zu 30 Prozent. Der gesamte Proteinanteil sollte zwischen 0,8 und 1,2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht liegen.
■ Die richtigen Nährstoffquellen nutzen. Ideal sind komplexe Kohlenhydrate, möglichst aus Vollkorngetreide, Früchten und Gemüse. Fett vor allem in Form von Omega-3-Fettsäuren aus Fisch, Raps-, Lein- oder Walnussöl. Gerade für Sportler sind die Omega-3-Fettsäuren wichtig, weil sie Entzündungen in Muskeln vorbeugen. Eiweiß sollte aus Fisch, magerem Fleisch oder Milchprodukten stammen.
■ Zeitpunkt beachten. Vier Stunden vor Beginn des Trainings nur noch leicht Verdauliches essen, bei hoher Belastung kurz vorher oder dabei leicht verdauliche Kohlenhydrate in flüssiger Form zufügen.
Buchtipp: Hamm, Michael: Die richtige Ernährung für Sportler. Optimale Energie für maximale Leistung. Riva Verlag, München 2009, 220 Seiten, 17,90 Euro
Gibt es auch neue Erkenntnisse?
Platen: Ja. Der Trend könnte in nächster Zeit eher in Richtung Steinzeit-Ernährung gehen. Es ist der Versuch, unsere Ernährungsgewohnheiten wieder stärker an das zu adaptieren, wofür unsere Gene tatsächlich ausgelegt sind. Erste klinische Studien zeigen, dass eine steinzeitlich ausgerichtete Ernährung noch positivere Effekte hat als eine mediterrane.
Beschreiben Sie bitte die Steinzeit-Ernährung genauer.
Platen: Die Steinzeit-Ernährung besagt, dass der Eiweißanteil in der Nahrung durchaus höher sein kann, etwa 20 bis 30 Prozent. Allerdings heißt Eiweißanteil hier von Fischen oder von magerem Wild. Es ist nicht unser klassisches Schweineschnitzel oder sonst ein hoch gezüchtetes Tier gemeint. Das macht den Unterschied. Die Proteinquellen, die bei der Steinzeiternährung empfohlen werden, haben insgesamt einen viel geringeren Fettanteil und die Qualität der enthaltenen Fette ist höher.
Das ist ja wahrscheinlich ziemlich teuer, sich so zu ernähren.
Platen: Wenn man an die Massenversorgung denkt, ja.
Gibt es auch vegetarische Alternativen? Man kann ja nicht nur Fleisch und Fisch essen.
Platen: Steinzeit-Ernährung heißt auf keinen Fall, nur Fleisch und Fisch zu essen. Es bedeutet nur, dass der Proteinanteil etwas erhöht ist. Steinzeit-Ernährung heißt auch, dass in erheblichem Maße die Energiezufuhr aus Früchten und Gemüse stammt. Schließlich waren unsere Vorfahren nicht nur Wildjäger, sondern auch Sammler.
Und wie steht es mit Brot?
Platen: Getreideprodukte haben in der Steinzeit nur eine ganz untergeordnete Rolle gespielt, weil noch kein Ackerbau betrieben wurde. Die zeitlich angepasste Empfehlung würde so gehen: Brot etwas reduzieren, dafür vermehrt Früchte und Pflanzen auf den Speiseplan setzen.
Das widerspricht natürlich den bisherigen Empfehlungen für Sportler, viele Kohlenhydrate zu essen.
Platen: Die Empfehlungen orientieren sich immer nach dem aktuell besten Wissen und das ist nun mal gerade die mediterrane Ernährung. Die enthält eben entsprechend unserer Kultur viel Getreide. Das ist nicht total falsch. Hochwertige, nicht raffinierte Getreideprodukte sind nach wie vor richtig. Die Steinzeit-Ernährung sagt nur: Das kann durchaus weniger sein, dafür sollte der sonstige pflanzliche und Frucht-Anteil in der Ernährung noch weiter erhöht werden. Ich gehe davon aus, dass diese Ernährungsempfehlungen in den nächsten Jahren zunehmend populärer werden und dann auch in größerem Stil untersucht werden.
Mal abgesehen von dem, was man essen sollte: Wann sollte man als Hobby-Sportler am besten essen?
Platen: Vier Stunden vor Beginn des Trainings sollte man nur noch leicht verdauliche Kost zu sich nehmen. Bis zu zwei Stunden vor dem Training sollten Sie also nicht die Hauptmahlzeit einplanen, weil sonst Energie für Verdauungsprozesse aus der Muskulatur abgezogen wird und weil es auch unangenehmer ist, mit vollem Bauch Sport zu treiben. Wenn man allerdings eine längere, intensivere Einheit vorhat, kann es Sinn machen, mit Beginn des Sporttreibens noch ein leicht verdauliches Kohlenhydrat zuzufügen und auch während des Sporttreibens Kohlenhydrate in flüssiger Form zu sich zu nehmen, also die üblichen Sportgetränke oder auch Apfelschorle.
Ist nicht eigentlich Wasser am besten für Sportler?
Platen: Das kommt ganz darauf an, welche Ziele man hat und wie die Voraussetzungen sind. Wenn man ausgeruht ist und die Glykogenspeicher in den Muskeln voll sind, braucht man keine zusätzliche Energie während des Sports – was bei einer Stunde Training fast immer gegeben ist. Dann reicht Wasser aus. Das Wasser sollte einen geringen Anteil Elektrolyte, vor allem Natrium, enthalten.
Leitungswasser wäre also nicht empfehlenswert?
Platen: Reines Wasser, also Leitungswasser, ist dann schlecht, wenn ich längere körperliche Aktivitäten betreibe und ich möglicherweise durch meine normale Ernährung eine zu geringe Salzzufuhr habe. Es gibt Berichte von Marathonläufern, die Gehirnschwellungen bekommen haben, weil ihr Körpersalzgehalt so verdünnt worden ist. Sie haben während des Laufs vier oder fünf Liter Wasser getrunken, hätten aber nur anderthalb gebraucht. So kam es zu Elektrolytverschiebungen mit Zellschwellungen. Deshalb sagt man, dass leicht mineralisiertes Wasser bei extremen Belastungen besser ist.
Was halten Sie von Eiweißshakes?
Platen: Zur reinen Flüssigkeitszufuhr sind sie auf jeden Fall zu hoch konzentriert. Wenn man Gewichtstraining macht, ist die Muskelaufbaurate tatsächlich etwas erhöht, wenn ausreichend Aminosäuren im Blut zirkulieren. Der Muskelaufbaueffekt wird größer, wenn ich unmittelbar vor oder unmittelbar nach dem Training Proteine anbiete. Ob diese durch einen Eiweißshake, Buttermilch oder als Hähnchenschnitzel zugefügt werden, ist egal. Hauptsache, es sind Aminosäuren enthalten, die denen im menschlichen Körper ähneln.
Müssen sich Freizeitsportler auch unterschiedlich ernähren, je nachdem, welchen Sport sie machen?
Platen: Die Empfehlung ist ja ohnehin die, dass man als Freizeitsportler möglichst von allem ein bisschen machen sollte. Um gesundheitlich positive Effekte zu haben, braucht man einen gewissen Ausdaueranteil und Kraftanteile, entweder Kraft-Ausdauer- oder ein klassisches Gewichtstraining. Beim klassischen Gewichtstraining wird etwas mehr Eiweiß benötigt, beim ausdauerorientierten Training sollte eher auf die Wiederauffüllung der Kohlenhydrate geachtet werden. Wenn man jeden zweiten Tag trainiert, muss man die Ernährung nicht unbedingt an die Art des Trainings anpassen, weil sich die Körperspeicher zwischenzeitlich mit normaler, gesunder Ernährung wieder auffüllen.
Was würden Sie Sportlern, die sich richtig verausgabt haben, zur Regeneration empfehlen?
Platen: Gesundheitlich am wichtigsten ist es, sowohl während der Belastung als auch möglichst schnell danach die verlorene Flüssigkeit wieder aufzufüllen. Man sollte also sowohl während als auch nach einem Lauf oder Wettkampf möglichst schnell trinken. Das Zweitwichtigste ist, die am stärksten verbrauchten Energieträger, also die Kohlenhydrate in den Glykogenspeichern, wieder aufzufüllen. Das bekommt man hin, indem man Kohlenhydrate zufügt. Die werden am schnellsten resorbiert, wenn sie in flüssiger Form angeboten werden, vor allem während und nach dem Lauf oder Wettkampf. Kurz nach der Belastung dann zunehmend in komplexer Form, zum Beispiel in Form einer Banane.
Kann man vorab auch etwas durch die richtige Ernährung erreichen?
Platen: Bei einem Wettkampf geht es darum, möglichst schnell zu sein und möglichst lange durchzuhalten. Das gelingt durch Energieträger, die möglichst schnell viel Energie pro Zeit liefern, also Kohlenhydrate. Die Kohlenhy-dratspeicher müssen vor einem Wettkampf optimal aufgefüllt werden, man nennt das Carboloading. Zwei Tage vor dem Wettkampf sollte man viele Kohlenhydrate zufügen, damit die Leber prall ist vor Glykogen und auch die Muskel-glykogenspeicher voll sind. So lässt sich die Leistungsfähigkeit für einen kurzen Zeitpunkt steigern.
Was ist der größte Ernährungsfehler, den man machen kann?
Platen: Zucker und Fast Food sind absolut fatal für unsere Ernährungssituation und die gesundheitlichen Konsequenzen. Industrialisierter Zucker in großen Maßen führt zu Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ II und Fettsucht.
Professor Petra Platen leitet das Institut für Sporternährung und -medizin an der Ruhr-Universität Bochum.