Bäckerei Prôt in KölnWas ist das Geheimnis von gutem Brot?
Köln – Acht verschiedene Brote. Keine Brötchen, keine Croissants, keine Teilchen, kein Kaffee. Alexander Onasch hat sich ganz allein dem Brot verschrieben. Seit Juli 2019 backt er in seinem eigenen Laden im Belgischen Viertel, der wie seine Leidenschaft heißt: Prôt, Althochdeutsch für Brot. Mitte Oktober ist eine zweite Filiale auf der Dürener Straße in Lindenthal hinzugekommen. Zu kaufen gibt es Baguette, Weizen-, Roggen-, Vollkorn-, Dinkel-, Saaten-, Walnuss- und eine Weizen-Roggen-Mischung namens Hausbrot. Was aber macht Onasch anders?
Arbeitsbeginn um 5 Uhr ist spät für einen Bäcker
Ab viertel vor 5 Uhr morgens brennt in dem kleinen Laden in der Lütticher Straße Licht. Die Scheiben sind beschlagen, von draußen kann man die Bäcker beim Teig kneten beobachten. „Arbeitsstart um viertel vor 5 ist spät für einen Bäcker. Die meisten beginnen abends um 22 Uhr. Aber wir haben ein anderes Konzept: Das Roggenbrot wird jeden Tag frisch für den Tag gemacht. Die Teige für die anderen Brote kneten wir tagsüber, lassen sie über Nacht bei drei Grad in der Kühlkammer reifen und backen sie erst am nächsten Tag. So können sie lange quellen, werden bekömmlicher und erhalten einen vielfältigeren Geschmack“, erklärt Onasch.
Viele Teige ruhen nicht lange genug
Dass viele Menschen Brot nicht mehr so gut vertragen, liegt seiner Meinung nach daran, dass die Teige nicht ausreichend Ruhezeit erhalten: „Schnelles Brot kann nicht bekömmlich sein.“ Beispiel Toastbrot-Produktion am Fließband: „Am einen Ende der Halle steht die Maschine, die endlos Teig produziert. Der wird aufgearbeitet, in Kästen gefüllt, läuft durch einen Tunnelofen und ist in weniger als vier Stunden gebacken und abgepackt. In dieser kurzen Zeit können die Stärkeketten im Mehl enzymatisch nicht vollständig abgebaut werden. Wenn ich dem Teig mehr Zeit zum Reifen gebe, kann der Körper die Stärke viel besser aufschließen und verdauen“, erklärt Onasch.
In der Zeit von 5 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags steht er mit seinem Kollegen Lino Eck hinter der beschlagenen Scheibe und knetet Teig. Der wird anschließend in Gärkörbchen gelegt oder in Gärtücher gezogen und wandert in die Kühlkammer. Zwischendurch schießt Onasch immer wieder neue Teiglinge aus der Kühlung in den Ofen und holt herrlich duftende braune Brote wieder hinaus.
Ab 10 Uhr beginnt der Verkauf. Weil die Bäckerei so klein ist, müssen dafür erst Tische und Transportwagen hin und her gerückt werden. „Das ist hier jeden Morgen wie Tetris. Für das, was rausgeht, ist der Laden eigentlich zu klein. Aber es funktioniert“, sagt Onasch.
Seit Corona kommen mehr Kunden
Obwohl seine Bäckerei eher versteckt in einer Seitenstraße liegt und man hier nicht einfach so vorbeikommt, stehen die Menschen zu Verkaufsbeginn schon Schlange. „Jetzt im Lockdown kommen sogar noch mehr Leute“, hat Onasch festgestellt. Er glaubt, dass die Kunden außer dem handwerklich gut zubereiteten Brot auch die Einfachheit und Bodenständigkeit bei ihm schätzen: „Ich wollte ganz minimalistisch nur Brot anbieten. Kein Firlefanz, einfach nur eine kleine Garage, in der man uns bei der Arbeit zusehen kann. Auch keine Leuchtreklame oder Schilder. Meine Schaufensterdeko sind Brote und Mehlsäcke“, sagt Onasch.
Mehl ist der wichtigste Rohstoff
Die Säcke sind für ihn enorm wichtig, denn sein wichtigster Rohstoff ist Mehl. „Man kann nicht der beste Bäcker in Köln sein wollen und dann an den Materialien sparen“, erklärt er. Das Mehl bezieht er von der Roland Mills United, einem Familienunternehmen mit Mühlen in Bremen, Recklinghausen, Bad Langensalza und Münster. Die vier Standorte in unterschiedlichen Teilen Deutschlands sind wichtig, denn sie helfen den Müllern dabei, einen guten Überblick über die unterschiedlichen Getreidequalitäten zu bekommen.
Von Ernte zu Ernte verändert das Getreide seine Eigenschaften. Der Bäcker braucht aber immer das gleiche Mehl, damit seine Produkte immer die gleiche Qualität haben. Verändert sich die Zusammensetzung, verändern sich auch Brot und Brötchen und werden zum Beispiel größer oder kleiner. Die Aufgabe eines Müllers ist es, das Getreide so zu mischen und zu vermahlen, dass am Ende immer ein Mehl mit gleichbleibender Qualität entsteht.
Die Roland-Mühle verkauft einen Teil des Mehls an die Industrie, hat sich aber im Gros dem Bäckerhandwerk verschrieben. „Die Bäcker geben uns vor, wie wir unser Mehl mahlen müssen. Von ihnen bekommen wir direkt eine Rückmeldung, wenn das Produkt nicht gut genug ist. Wir richten uns nach ihnen. Sie fordern uns, machen aber auch am meisten Spaß. So entwickelt sich eine enge Partnerschaft. Und weil bei uns im Vertrieb alle selbst Bäcker sind, sprechen wir die gleiche Sprache wie unsere Kunden“, sagt Philipp Kleditzsch, Vertriebsleiter West bei Roland Mills United. Wie seine Kollegen kennt er alle „seine“ Bäcker persönlich, auch Alexander Onasch.
Mit der eigenen Bäckerei einen Traum erfüllt
Der hat sich mit seiner Bäckerei im Belgischen Viertel einen lang gehegten Traum erfüllt. „Ich wusste schon als Kind, dass ich Bäcker werden will. Mit meiner Oma habe ich früher jeden Samstag Apfelkuchen gebacken und später alle Schulpraktika beim Bäcker gemacht“, erzählt der 29-Jährige und liefert die Begründung gleich hinterher: „Bäcker ist ein ehrlicher Beruf ist, bei dem man keine Excel-Tabellen hin- und herschieben muss. Außerdem hasse ich Kälte. Mein Vater arbeitet als Heizungsbauer und kommt immer in der Kälte auf die Baustelle. Nichts für mich. In der Backstube muss ich nie bei der Arbeit frieren.“
Seine Lehre hat Onasch bei der Bäckerei Kraus in Wiehl gemacht. „Danach wollte ich ein bisschen durch die Welt tingeln“, erzählt er. Er arbeitete jeweils vier Monate in der Schweiz und auf Sylt und besuchte anschließend die Meisterschule in Olpe. Hier lernte er einen schwäbischen Holzbackofenbauer kennen, der in Moskau die deutsche Brotkultur etablieren wollte. Onasch ging mit und blieb drei Jahre dort. Seine Erfahrung: „Das ist ein bisschen so wie mit dem Reinheitsgebot für Bier. Andere Länder packen in Brot Dinge, die da nicht rein gehören, wie zum Beispiel Gewürze und Sirup. Ein Brot braucht aber nur Mehl, Wasser und Salz als Basis, das reicht. Dieser Minimalismus-Gedanke ist in anderen Ländern nicht so präsent“. In seiner Bäckerei kann er endlich alles genau so machen, wie er es richtig findet: „Diesen Laden mache ich nur für mich und bin mein eigener Chef.“
Auch in Asien wird mehr gebacken
Zurück in Deutschland fing Onasch beim größten Backofenbauer der Welt an, der Karl Heuft Backofen GmbH in Bell in der Vulkaneifel. Das Dorf hat nur rund 1300 Einwohner, ist aber das weltweite Zentrum des Backofenbaus. „Früher gab es hier einmal 61 verschiedene Backofenbauer“, weiß Onasch. Grund dafür ist der Beller Tuff, ein besonders offenporiger, feuerfester und wärmespeichernder Stein, der bei den Vulkanausbrüchen entstanden ist.
Während seiner Zeit bei Heuft hat Onasch die Öfen in mehr als 160 Backstuben in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Betrieb genommen. „Es werden neuerdings aber auch viele deutsche Öfen nach Japan, Israel oder Asien verkauft. Die Menschen dort versuchen, europäischer zu werden und ersetzen immer häufiger Reis durch Brot“, hat Onasch festgestellt.
3200 Brotsorten gibt es in Deutschland
Bis das Brot in anderen Ländern so verwurzelt ist wie in Deutschland, wird es noch sehr lange dauern – wenn das überhaupt möglich ist. Die Unesco hat die deutsche Brotkultur zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Mehr als 3200 verschiedene Sorten gibt es bei uns. „Diese Vielfalt hat kein anderes Land. Die Mittelmeerländer zum Beispiel haben nur einen kleinen Bruchteil davon, vorwiegend aus Weizenmehl“, weiß Bernd Kütscher von der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Weinheim e.V., der auch Geschäftsführer des Deutschen Brotinstituts ist. „Brot ist für uns alle eine Kindheitserinnerung. Frühstücksbrot, Pausenbrot, Abendbrot. So sind wir alle aufgewachsen. Jeder ist damit verwurzelt“, sagt Onasch.
Es gibt vier Gründe für unsere Brotvielfalt
Das stimmt, doch wieso gibt es so viele verschiedene Sorten bei uns? Bernd Kütscher nennt dafür vier Gründe: Getreidevielfalt, Ausbildung, Föderalismus und Experimentierfreude. Während in Norddeutschland eher Roggen wächst, wird im Süden Weizen und Dinkel angebaut. Die unterschiedlichen Sorten lassen sich wunderbar in unterschiedlichen Variationen mischen und ergeben viele verschiedene Brote.
Auch das deutsche Ausbildungssystem trägt seinen Teil bei: „Um eine Bäckerei aufzumachen, brauchen Sie in Deutschland eine dreijährige Ausbildung plus Meisterschule. Die Bäcker lernen bei uns, aus den Grundzutaten Mehl, Salz, Wasser und Hefe eine ganze Welt neuer Produkte zu entwickeln“, fasst Kütscher zusammen. Wieder kommen ein paar neue Sorten hinzu. Wie immer in Deutschland spielt auch der Föderalismus eine Rolle: Die schwäbische Laugenbrezel ist anders als die bayerische oder badische, das rheinische Schwarzbrot schmeckt anders als das westfälische Pumpernickel, obwohl beides aus Roggenvollkorn besteht.
Die Deutschen lieben Mischbrot
Und nicht zuletzt scheinen die Deutschen zumindest bei ihren Broten experimentierfreudig zu sein. „3200 verschiedene Brote können in Deutschland nur deshalb gebacken werden, weil es hierzulande sehr aufgeschlossene Kunden gibt, die diese Vielfalt schätzen, während man in Frankreich vorwiegend das Baguette liebt und kaum Pumpernickel kaufen würde. Der Name ist einer Legende nach entstanden, weil Napoleon das Schwarzbrot probiert hat und meinte: »C’est bon pour Nickel«, also »Das ist gerade noch gut für Nickel«, sein Pferd“, erzählt Kütscher.
Acht Jahre lang jeden Tag ein anderes Brot
Die Deutschen könnten also mehr als acht Jahre lang jeden Tag ein anderes Brot essen. Tun sie aber nicht. „Man muss ganz klar sagen, dass die Deutschen das Mischbrot lieben. Es ist einfach der perfekte Begleiter für jede Mahlzeit des Tages“, sagt Kütscher. Auch Alexander Onasch mag am liebsten sein eigenes Hausbrot aus Weizen- und Roggenmehl, schöne dicke Kruste und mit Nutella darauf. Die deutschen Bäcker, sie scheinen die richtige Mischung gefunden zu haben.
Hier finden Sie die Filialen von Prôt:
Lütticher Straße 6, 50674 KölnDi -Fr: 10-18:30 Uhr, Sa: 10-14 Uhr
Dürener Straße 154, 50931 Köln(ab Mitte Oktober) Di-Fr: ab 10 Uhr
Anm. d. Red.: Dieser Artikel ist zuerst am 29.01.21 erschienen. Wir haben ihn am 05.10.22 aktualisiert.