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Das pure Grauen und die arme TomateDer Spargel ist den Hype nicht wert

Lesezeit 3 Minuten
Spargel in der Kiste Ernte 11416

Frischer Spargel vom Feld

  1. In seiner Kolumne „Köln kulinarisch“ spricht Sebastian Bordthäuser über alles, was ihn gerade so kulinarisch umtreibt.
  2. Einen Hype kann er so gar nicht nachvollziehen: den um den Spargel.
  3. Hier geht er dem Grauen des Spargels auf die Spur – und legt uns anderes Gemüse ans Herz.

Es gibt kein Gemüse, das den Deutschen so durchdrehen lässt wie Spargel. Bereits im Februar werde ich bombardiert von Weinhändlern, die mir rechtzeitig zum Saisonstart den neuen Jahrgang des perfekten Spargelweins andrehen wollen. Spargel ist das Vehikel, mit dem auch die letzte Sau durchs Dorf getrieben wird: Spargelwein, Spargelschinken, Spargel-Dies, Spargel-Das.

Das Schlimmste ist Spargel in Dosen. Klingt grässlich? Ist es auch, aber irgendwer muss es ja essen, sonst wäre China nicht der weltgrößte Spargelproduzent. Überrascht? Von wegen Bornheim.

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Sebastian Bordthäuser

Um die Saison hier künstlich zu verlängern, wird Spargel aus Griechenland oder Peru eingeflogen, da heimischer Spargel erst ab einer Bodentemperatur von zwölf Grad sprießt. Das ist in der Regel erst Mitte April. Aber der Markt ist hungrig, und schließlich liegen Ende August ja auch schon Printen im Supermarktregal. Man kann keinen Fuß mehr vor die Tür setzen, überall lauert Spargel: Im Supermarkt, an Ständen in der Schildergasse, neulich wurde Spargel sogar in einem Bahnhof angeboten.

Spargelsuppe, Spargelsalat, Spargelmousse

Im Restaurant sind die Speisekarten für mindesten zwei Monate blockiert mit Spargel, in allen Deklinationen und von Dur bis Moll: Spargelsuppe, Spargelsalat, Spargelmousse, weißer Spargel, grüner Spargel und weiße Schokoladenmousse mit Spargel. Und dann überall diese grässliche Fertig-Hollandaise dazu – das pure Grauen. Eigentlich eine Zeit der kulinarischen Tristesse, die fast an Mangelernährung heranreicht.

Leute, was ist mit all den anderen Frühlingsgenüssen? Was ist mit jungen Erbsen, kleinen Möhrchen oder Morcheln? Wo sind die zarten Mairübchen, der erste locker blättrige Maiwirsing, wegen mir auch der letzte Rübstiel? Nach einigen dieser besonderen Genüsse muss man regelrecht suchen, so breit hat sich der Spargel gemacht, dessen Hauptargument stets die Saison ist. Aber die hat schließlich jedes andere Gemüse auch. Warum sind wir also so ungerecht?

Aber die arme Tomate...

Statt einfallslos Spargel mit Schnitzel, Steak oder Lachs zu kombinieren, könnten wir ein feines Frikassee kochen, mit Spargel, jungen Erbsen, Möhren und Morcheln. Warum spricht niemand von der Kohlrabi-Zeit mit ähnlicher Zärtlichkeit und Leidenschaft, mit der wir uns der Spargelzeit hingeben? Freuen wir uns auf die kommende Bohnen-Saison, die ersten Gurken aus dem Garten und die ersten Freilandtomaten. Die sind auch nur knappe sechs Wochen im Jahr reif und schmecken nur dann voll und ganz nach Tomate, dass man durchdrehen könnte. Aber die arme Tomate liegt schließlich das Ganze Jahr verfügbar im Supermarkt und wir verputzen sie in kulinarischer Teilnahmslosigkeit. Ein Jammer.

Das einzige, was in kollektiver Manie vielleicht noch an den Spargel heranreicht ist der Kürbis. Ein Hype, der samt Halloween aus den USA importiert wurde und im Herbst die Speisekarten der Restaurants besetzt. Nutzen Sie bis dahin die Chance, links und rechts des Spargelpfades zu wildern. Und vielleicht ein paar Erbsen zu palen.