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Die besten Tees der Welt300 Tassen am Tag

Lesezeit 5 Minuten

Thomas Holz (links) und Jonathan Gschwendner, der Sohn des Firmengründers Albert

Etwas abgelegen und eher unauffällig liegt die Zentrale von Tee Gschwendner im Gewerbegebiet in Meckenheim. Trotzdem ist hier jeden Tag die ganze Welt zu Gast. Etwa 300 Proben aus Teegärten in China, Nepal, Indien, Sri Lanka, Afrika und Südamerika landen während der Saisonhöhepunkte täglich bei den Experten auf dem Tisch. Zum Teil kommen die Päckchen unaufgefordert, weil die Bauern hoffen, mit ihrem Tee ins Sortiment aufgenommen zu werden. Zum Teil sind es Bekannte, die im Gespräch bleiben wollen. „Wir erhalten so einen guten Überblick darüber, was in der Teewelt passiert. Auch nach Jahren ist es noch spannend, die Päckchen zu öffnen. Tee ist ein Naturprodukt und verändert sich immer wieder“, sagt Thomas Holz. Der 57-Jährige ist nicht nur Geschäftsführer der Tee Gschwendner GmbH, sondern seit 20 Jahren ihr wichtigster Tee-Verkoster. Mit seinem Team sucht er täglich aus Hunderten Proben die interessantesten und hochwertigsten Tees aus.

Bewertung international gleich

Das sogenannte Tea-Tasting, also die professionelle Verkostung der Tees, ist britisch-indischen Ursprungs und läuft nach strengen Regeln auf der ganzen Welt gleich ab. So ist die Qualität des Tees international vergleichbar.

Zuerst werden alle Proben ausgepackt und in einer langen Reihe auf Pappen gelegt. Davor stehen eine kleine Teekanne und eine Tasse. Gestartet wird mit den leichteren Sorten, zum Ende hin wird es kräftiger. Bewertet wird der Tee in drei Kategorien: Zunächst werden Struktur, Farbe, Optik und Geruch des trockenen Blattes betrachtet. Dafür schauen sich drei bis vier Tea-Taster den Tee genau an, riechen an den Blättern und wählen erste Favoriten aus. Der Tee, der es in die engere Auswahl geschafft hat, wird aufgegossen und probiert. Holz und sein Team benutzen dafür ein spezielles Teeverkostungsgeschirr samt alter Handeinwaage. In ihr wird der Tee – ganz britische Tradition – mit einem Six-Pence-Stück als Gegengewicht auf 2,5 Gramm pro Probierportion abgewogen. So ist sichergestellt, dass immer die gleiche Menge in die Tasse gelangt. Alle Tees müssen fünf Minuten ziehen.

„Das ist eigentlich zu lange und nicht konsumtauglich. Doch auf diese Weise hat man alles aus den Blättern extrahiert, was für den Einkauf wichtig ist“, erklärt Holz. An dieser Stelle kommt die zweite Bewertungskomponente zum Tragen: Farbe, Struktur und Aroma der aufgebrühten Teeblätter. Nach dem Ziehen wird der Tee umgegossen, probiert und als drittes und letztes die Tassenqualität bewertet, also Geschmack, Farbe, Geruch und Intensität der Infusion. Dazu nippen die Taster nicht nur an den Tassen, sondern schlürfen den Tee äußerst geräuschvoll und spucken ihn dann aus. „Das muss so sein, um den Tee mit Sauerstoff zu vermischen. So entwickelt sich der Geschmack erst richtig“, sagt Holz. Die Punkte werden ausschließlich innerhalb einer Sorte vergeben. Ein Darjeeling kann immer nur mit einem Darjeeling, ein Assam nur mit einem Assam einer Erntezeit verglichen werden. Kräuter-, Früchte- und aromatisierte Tees haben ein eigenes Bewertungsschema. Was die Tea-Taster ausgewählt haben, wird anschließend im hauseigenen Labor zum Beispiel auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht.

Bei 300 Proben am Tag ist ein gutes Gedächtnis für Geschmack enorm wichtig. Thomas Holz weiß auch abends nach 300 Tassen Tee noch genau, wie die erste am Morgen geschmeckt hat. Ebenso entscheidend sind Erfahrung und das Wissen, was der Kunde möchte. Von beidem hat Thomas Holz eine Menge. Schon mit 23 Jahren fing der gebürtige Hamburger an, „Tee zu lernen“, wie man in seiner Branche sagt. Nach dem Abitur hatte er erst einen ganz anderen Weg eingeschlagen und eine Lehre zum Bankkaufmann gemacht. „Das war mir aber viel zu unaufgeregt“, stellte er schnell fest.

Acht Jahre Tee gelernt

Das Schicksal führte ihn schließlich zum Tee: In der Tee-Ex- und Importfirma J. van Eck in der Hamburger Speicherstadt fing er als Bankkaufmann an. „Das hat mich total fasziniert. Es roch so gut da, alles lag voll mit Dosen und Tüten“, erinnert er sich. Nachdem er sich drei Stunden lang mit dem Geschäftsführer unterhalten hatte, bot dieser ihm an, „Tee zu lernen“ und machte ihm gleich klar, dass das kein Spaziergang werden würde. „Der sagte zu mir: »Das wird sieben oder acht Jahre lang dauern und dann merken wir, ob es geht«“, erzählt Holz. Und es ging. Thomas Holz blieb elf Jahre in der Firma und wurde bald Assistent der Geschäftsführung.

Wer Tee lernt, schult vor allem seinen Geschmacks- und Geruchssinn. Holz verkostete während seiner Ausbildung Proben aus aller Welt und lernte, Tee zu mischen. Das Beste in dieser Zeit waren für ihn aber die Reisen: „Mit Ende 20 hatte ich schon den größten Teil der Welt gesehen. Man lernt Länder, Kulturen und Menschen kennen, die mit Tee zu tun haben, seien es produzierende Länder in Asien oder konsumierende Länder wie die USA oder Russland. Das fasziniert mich noch heute an meinem Job und ich bin sehr dankbar, dass ich das machen kann.“ Während seiner Zeit in der Hamburger Firma hatte er auch viel Kontakt zu Großkunden – unter anderem zu Albert Gschwendner, der 1978 mit seiner Frau die Teeladen-Kette gegründet hatte und Holz 1994 als Verkoster nach Meckenheim holte.

Von den rund vier Millionen Tonnen Tee, die pro Jahr weltweit produziert werden, gelten nur 0,5 Prozent als beste Qualität. Der deutsche Markt ist der wichtigste Abnehmer dafür. Um die steigende Nachfrage decken zu können, müsse in den Ursprungsländer geschult und investiert werden, sagt Holz. „Wir müssen da hin und sagen, was wir wollen. Dazu müssen wir auch in neue Ecken wie Laos, Myanmar und Nepal investieren, die Potenzial haben.“

Engagement vor Ort ist dem Unternehmen wichtig. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Gorkha Tea Estate ist in Fikkal in Nepal eine Teefabrik für die Weiterverarbeitung von Teeblättern entstanden. Mehr als 130 Kleinbauernfamilien pflücken in einer Kooperative die Blätter für die Fabrik.

Das Unternehmen unterstützt die Kleinbauern zudem auch außerhalb der Fabrik mit einer Kuh pro Haushalt. Deren Mist wird in kleinen Biogasanlagen in Gas umgewandelt, mit dem die Familien kochen und selbst warmes Wasser erzeugen können.