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ErnährungFisch-Vegetarier leben länger

Lesezeit 3 Minuten

Keine Tiere töten, die Umwelt schützen und etwas für die eigene Gesundheit tun - das sind die Hauptargumente, die Vegetarier als Beweggründe für ihre Ernährungsweise angeben. Ob allerdings der Fleischverzicht oder sogar der Verzicht auf sämtliche tierische Produkte tatsächlich besonders gesund hält, ist gar nicht so sicher. Eine aktuelle Studie zeigt: Der gesündeste Ernährungsstil ist offenbar der Pescetarismus, bei dem neben Obst und Gemüse auch Fisch auf dem Speiseplan stehen darf.

Michael Orlich und sein Forscherteam von der kalifornischen Linda University erfassten die Ernährungsstile von über 73 000 Siebenten-Tags-Adventisten. Deren Vorteil: als religiöse Gemeinschaft pflegen sie einen homogenen Lebensstil, sie meiden Schweine- und Pferdefleisch, Alkohol und Tabak, aber ansonsten leben sie nicht zu asketisch. Viele Adventisten sind Vegetarier, aber eben nicht alle. "Etwa 15 Prozent von ihnen essen auch Fleisch", erklärt Orlich. Das macht sie zu einer idealen Gruppe, um die Gesundheitsdaten des Vegetarismus mit anderen Kostformen zu vergleichen.

Sterbequote 19 Prozent niedriger

Die Studie erfasste die Daten aus sechs Jahren, und in diesem Zeitraum starben bei den Vegetariern durchschnittlich zwölf Prozent weniger Menschen als bei den Fleischessern. Doch es gab große Datenstreuungen. Den Ovo-Lakto-Vegetariern erging es nämlich nicht viel besser als den Fleischessern, was wohl nicht nur daran liegt, dass sie ähnlich hohe Kalorienmengen verzehren, sondern auch daran, dass Milch laut aktuellen Studien das Prostatakrebsrisiko ansteigen lässt. Die strengen Veganer lebten zwar etwas länger, aber am besten schnitten in der Adventisten-Studie die Pesco-Vegetarier ab, kurz: Pescetarier. Ihre Sterbequote war um 19 Prozent niedriger als bei den Fleischessern, und unter den Männern sogar um 27 Prozent niedriger. Wer also seinen Speisezettel auf Obst, Gemüse und Fisch fokussiert, lebt am längsten.

Dass Fisch dem lebensverlängernden Effekt eines ansonsten vegetarischen Speiseplans die Krone aufsetzt, liegt vor allem an den Omega-3-Fettsäuren der Grätentiere. Sie dämpfen das Entzündungsgeschehen im Körper, stabilisieren den Herzrhythmus und erhöhen die Menge des vom Fettgewebe gebildeten Hormons Adiponectin, das sich positiv auf die Blutzuckerkontrolle auswirkt. Diese Effekte zusammen schützen vor Diabetes sowie vor Infarkten, Schlaganfällen und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In Deutschland sterben über 18 Mal so viele Menschen am plötzlichen Herztod wie in Japan, wo praktisch täglich Fisch und deutlich weniger Fleisch auf den Tisch kommt.

Anthropologische Erklärung

Neben physiologischen Erklärungen gibt es auch anthropologische Theorien für die positiven Gesundheitseffekte des Pescetarismus. So vertreten einige Forscher wie der Berliner Evolutionsbiologe Carsten Niemitz die Ansicht, dass sich der zweifüßige Gang des Menschen daraus entwickelt hätte, dass er durch Flüsse, Seen und Küstenwasser waten musste, um sich aus deren Fisch- und Muschelbestand - allesamt ergiebige Eiweißquellen - bedienen zu können. Dies würde bedeuten, dass der Fischverzehr schon sehr früh in der Entwicklungsgeschichte des Menschen installiert war und dadurch so etwas wie seine "ursprüngliche Ernährungsweise" darstellt, die seinen biologischen Bedürfnissen besonders entgegen kommt. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass das Gehirn des Menschen zu rund 60 Prozent aus Kephalinen und Lecithinen besteht, deren Biosynthese auf Omega-3-Fettsäuren basiert.

Diese Epoche des Watens ist jedoch lange vorbei. Wenn sich heute alle Menschen auf dem Globus für eine pescetarische Ernährung entscheiden würden, wäre es mit dem ohnehin bedrohten Fischbestand schon bald vorbei. Manchmal hat es eben auch seine Vorteile, wenn sich nicht alle gesund und ihrer Natur gemäß ernähren.