„Rote Bete finde ich fürchterlich"Judith Rakers im Gespräch über das Gärtnern
Hamburg – Als die „Tagesschau"-Sprecherin Judith Rakers vor drei Jahren aufs Land zog, wusste sie nicht mal wie ein Rasenmäher angeht. Genauso beginnen gerade viele mit dem Hobbygärtnern – und erleben vermutlich auch erst mal Rakers Frust mit der Theorie. Im Interview mit dem dpa-Themendienst erzählt sie, wie sie ohne Gartenerfahrung eine reiche Ernte einfährt und welchem Gemüse sie das Beet verweigert.
Frau Rakers, die Gartensaison steht in den Startlöchern: Haben Sie schon geplant?
Judith Rakers: Nein, das habe ich noch nicht. Doch bevor ich Ende Februar mit der Anzucht von Tomaten und Gurken beginne, werde ich auf jeden Fall einen Plan haben, um die Fruchtfolge einzuhalten und zu wissen, was in welches Beet darf.
Anzucht, Fruchtfolge - Sie klingen wie ein Gartenprofi. Sind Sie einer?
Rakers: Überhaupt nicht! Als ich vor drei Jahren aus Hamburg aufs Land zog, wusste ich noch nicht einmal, wie ein Rasenmäher angeht. Ich war ein absoluter Vollhonk im Gärtnern. Mein Vater hat zwar einen Ziergarten, meine Großeltern sogar Nutzgärten und Bienen. Aber das ist alles so lange her, da kann ich mich nicht mehr dran erinnern.
Wie sind Sie zum Gärtnern gekommen?
Rakers: Wann der Wunsch ganz konkret entstand, kann ich nicht so genau sagen. Sicherlich hatte mein Interview mit dem Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl in unserer Talkshow „3 nach 9" einen Anteil, und auch mein Umzug aufs Land. Irgendwann wollte ich es einfach einmal ausprobieren, habe mich eingelesen: in Gartenratgebern, Internetforen und Blogs.
Das war frustrierend, diese ganze Theorie über Pflanzenfamilien und Ihren Nährstoffbedarf. Tatsächlich hätte ich fast aufgegeben, alles klang so kompliziert und nach unheimlich viel Arbeit. Doch dann habe ich einfach angefangen - und siehe da: Es hat funktioniert.
Was haben Sie ausgesät?
Rakers: Ich habe alles ausgesät, was ich gerne esse. Und davon reichlich. Ich war mir nämlich sicher, dass mir das Meiste sowieso nicht gelingt. Tatsächlich konnte ich aber im Überfluss ernten. Schon in meinem zweiten Gartenjahr hatte ich: Kartoffeln, Tomaten, Paprika, Auberginen, Salatgurken, Kürbis und Zucchini, Zwiebeln, Spinat und Feldsalat, Rucola, Pflück- und Kopfsalate, bunte Möhren und Radieschen. Dazu jede Menge Kräuter, Obst und Beeren - Stachelbeeren, Brombeeren, Blaubeeren, Erdbeeren und natürlich Himbeeren. Ich liebe Himbeeren!
Das ist eine ganze Menge. Würden Sie das alles auch Anfängern empfehlen?
Rakers: Nein, bei Gemüse gibt es unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Tomaten, zum Beispiel, sind zickige Diven und nur etwas für Leidensfähige. Sie wollen hochgebunden, ausgegeizt, gedüngt und vor Regen geschützt werden. Da braucht es viel Geduld.
Bei Radieschen hingegen legt man ein Samenkorn in die Erde, gießt ein wenig und nach vier bis sechs Wochen erntet man eine verzehrfähige Frucht. Das motiviert. Und gerade als Anfänger ohne grünen Daumen ist Motivation wichtig, finde ich.
Das klingt so unglaublich einfach.
Rakers: Ist es auch. Die Natur will wachsen, dafür muss man keine wilden Tänze aufführen. Und am einfachsten ist es, wenn man den natürlichen Kreislauf nicht allzu stört.
Ich jäte auch nicht ständig Unkraut, das schaffe ich als Vollberufstätige gar nicht. Wenn ich zehn Tage lang auf Reportagedreh war, sieht es bei mir im Garten schlimm aus. Das ist aber okay, solange das Unkraut nicht alles überwuchert. Ein Nutzgarten muss schließlich keinen Schönheitswettbewerb gewinnen.
Dennoch: Kann man als Berufstätige einen so großen Garten so einfach pflegen?
Rakers: Gerade für Berufstätige ist ein Garten von Vorteil! Wir müssen uns nicht mehr nach den Ladenöffnungszeiten richten. Bei mir gibt es keinen Salat mehr, der im Kühlschrank vor sich hin gammelt. Selbst wenn ich nachts aus dem Schichtdienst nach Hause komme, kann ich mir noch was Frisches aus dem Garten holen. Notfalls grabe ich im Licht der Taschenlampe vier, fünf Kartoffeln aus, um Pommes zu machen.
Wenn Sie nur aussäen, was Sie gerne essen: Welches Gemüse würde denn keinen Einlass ins Beet finden?
Rakers: Bohnen mag ich nicht so gerne. Rote Bete finde ich fürchterlich.
Gibt es noch Pflanzen, die Ihnen fehlen?
Rakers: Mangold und Wintergemüse möchte ich gerne ausprobieren. Und ich will eine Sibirische Kiwi pflanzen, die hat mir Wolf-Dieter Storl empfohlen.
Wie hat sich Ihr Garten in den letzten drei Jahren verändert?
Rakers: Ursprünglich war es ein reiner Ziergarten mit Staudenbeeten, viel Rasen, Rhododendren, Hortensien und ein paar Obstbäumen: Pflaume, Mirabelle, Sauerkirsche und einem wahnsinnig sauren Apfel. Es gab kein einziges Gemüsebeet, die habe ich im Rasen angelegt - mit und ohne Schneckenzaun. Außerdem habe ich Hochbeete auf der Terrasse und ich habe ein Frühbeet gebaut. Mein ganzer Stolz aber ist das Gewächshaus.
Sie starten jetzt in Ihre dritte Selbstversorger-Saison: Welche Bedeutung hat das Gärtnern für Sie?
Rakers: Gärtnern ist ein Lebensgefühl. Es macht Spaß und glücklich - es triggert etwas in uns an, was wir seit Jahrtausenden in uns tragen. Es macht zufrieden, zu sehen, zu riechen und zu schmecken, was wir produziert haben. Dieser Bezug zum Produkt, der fehlt vielen und hat auch mir gefehlt.
Außerdem bringt das Homefarming mehr Nachhaltigkeit ins Leben. Man kauft nichts in Plastik eingepacktes, das schon LKW-Transportkilometer auf dem Buckel hat. Früher konnte ich gar nicht regional und saisonal einkaufen, weil ich nicht wusste, was gerade Saison hat. Im Supermarkt ist ja das ganze Jahr über Tomatenzeit.
Ich bringe Lebensmitteln nun mehr Wertschätzung entgegen. Es ist einfach ein ganz anderes Gefühl, Eier im Karton zu kaufen oder sie morgens aus dem Nest zu holen.
Ihren Hühnern haben Sie in Ihrem Buch einen prominenten Platz eingeräumt. Hand aufs Herz: Könnten Sie die Tiere schlachten?
Rakers: Gute Frage. Früher hätte ich gesagt: Wer Hühner-Fleisch isst, sollte auch die eigenen Hühner essen können. Denn nur dann hat man alles unter Kontrolle: von der Aufzucht über das Futter bis hin zu den Medikamenten.
Doch die Hühner waren keine zwei Stunden auf dem Grundstück, als mir klar wurde: Ich kann meine eigenen Tiere nicht essen. Sie sind wie Haustiere für mich, haben sogar Namen. Ein Hahn heißt Giovanni, der andere Jan, nach Jan Hofer. Ich kann doch meinen Chefsprecher nicht essen - selbst wenn er jetzt im Ruhestand ist!
Also hole ich das Bio-Hühnerfleisch weiterhin aus dem Supermarkt. Solange, bis das Thema nicht mehr so emotional für mich ist. (dpa/tmn)