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Käsepflege und Lager-TippsDas Geheimnis des Rohmilch-Käses

Lesezeit 6 Minuten

Affineur Volker Waltmann in seinen heiligen Hallen, einem seiner Reifekeller in Erlangen

Die Bezeichnung „Maître fromager affineur“ ist kein offizieller Titel, jedoch die höchste Auszeichnung, die in der Gilde der Käser vergeben wird. Weltweit gibt es weniger als einhundert Maître fromager.

In Deutschland führen derzeit nur fünf Personen den Titel. Volker Waltmann ist einer von Ihnen. Er genießt auch unter deutschen Spitzengastronomen den Ruf des Käsepapstes. Der Affineur aus Erlangen beliefert viele Sternerestaurants mit seinen Käsespezialitäten. Für uns hat er einige Geheimnisse der Rohmilchkäse gelüftet.

www.rohmilchkaese.de

Herr Waltmann, was macht ein Affineur?

Mein Beruf ist in Deutschland ziemlich unbekannt. Die meisten denken, der Käse kommt vom Bauernhof und landet in den Geschäften. Ich bezeichne mich als Bindeglied zwischen der Käserei und dem Kunden. Ganz wichtig: Wir reden immer und ausschließlich über Rohmilch, unbehandelte Milch. Ich kaufe den Rohmilchkäse, wenn er noch jung ist, vom Bauern und bringe ihn dann geschmacklich auf den Höhepunkt. Ich übernehme quasi das Käse-Tuning. Der Käse bekommt durch den Affineur eine Visitenkarte verpasst, eine geschmackliche Verfeinerung.

Wie würden Sie Ihre Visitenkarte beschreiben?

Für den Beruf des Affineurs braucht man in erster Linie viel Ruhe, Zeit und Kreativität. Manche Käse reifen nicht nur Wochen und Monate, sondern Jahre. Es ist ein sehr traditioneller Beruf. Es gibt viele alte Rezepte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Ich bin sowohl Traditionalist, als auch moderner Affineur. Ich lasse Käse auch gerne mal pur oder verwende althergebrachte Rezepte, aber ich spiele häufig mit Ideen und probiere Neues aus.

Worauf müssen Sie bei der Käsepflege achten?

Der Käse braucht für die ideale Reifung die perfekte Umgebung. Ziegenkäse mag es zum Beispiel kühl und trocken bei fünf Grad und 15 Prozent Luftfeuchtigkeit. Je trockener und reifer der Ziegenkäse wird, umso besser erkennt man seine Qualität. Würde ich bei diesem Klima einen Kuhmilchkäse mit Rotschmier-Kulturen lagern, würde er austrocknen und einreißen. In diesen Rissen würden sich dann Bakterien tummeln, die wir dort nicht haben wollen. Dieser Käse mag es deutlich wärmer. Er reift bei zwölf Grad und 99 Prozent Luftfeuchtigkeit. Die Käseart entscheidet darüber, in welchem Keller der Käse landet. Ich begehe meine Keller täglich. Wir haben 280 verschiedene Sorten, aber es wird jedes Mal wieder interessant, wenn wir einen neuen Käse bekommen. Zu erforschen, wie der Käse reagiert und sich entwickelt, ist wirklich spannend.

Wie und wo haben Sie Ihr Handwerk erlernt?

Ich bin eigentlich gelernter Einzelhandelskaufmann und bin damals vor der Bundeswehr geflohen (lacht). Ich habe mich auf eine dreijährige Käsewalz nach Frankreich begeben. Meine Eltern gründeten 1982 die Käseecke in Erlangen. Damals gab es in Deutschland ausschließlich industriell hergestellten Käse aus pasteurisierter Milch. Meine Mutter hat in Frankreich Rohmilchkäse kennen und lieben gelernt und dann eines Tages fast das gesamte Sortiment im eigenen Laden umgestellt. Die Affinage war dann der nächste logische Schritt.

Wie kann ich mir Ihre Käsewalz vorstellen?

Paris war mein erster Anlaufpunkt. Ich hab einfach in Käsereien mitgeholfen und dabei unheimlich viel gelernt. In Frankreich ist es üblich, Käse in drei verschiedenen Reifegraden und drei verschiedenen Geschmacksrichtungen anzubieten. Dort hab ich zum ersten Mal gesehen, wie zum Beispiel ein Reblochon mit einem Sud aus Weißwein, schwarzem Pfeffer, Ringelblumen und Malve gewaschen wurde. Das war ein unglaubliches Geschmackserlebnis. Ich hab direkt zu meinem Vater gesagt: „Papa, das müssen wir in Erlangen machen.“ Von Paris aus bin ich in die Normandie. Insgesamt bin ich mit einem Kopf voller Ideen und 30 Rezepten zur Käseveredlung zurückgekommen.

Womit veredeln Sie?

Das sind natürlich streng geheime Rezepte (lacht). Ganz klassisch werden viele Käse mit Salzwasserlauge oder einem Käsesud gewaschen. Dieser Sud besteht aus Bier, Cidre, Weißwein oder Grappa zum Beispiel und dann werden verschiedene Kräuter hinzugefügt.

Können Sie ein Geheimnis verraten?

Nun gut, ich sollte mir vor kurzem „Männerkäse“ ausdenken. Das ist natürlich ziemlich überspitzt, es gibt keine Männer- oder Frauenkäse. Jedenfalls hab ich mich auf den Spaß eingelassen und saß eines Abends in einer Bar und rauchte eine gute Zigarre, die mir der Barkeeper empfohlen hatte. Der hatte aber noch ein paar andere Tricks auf Lager. Er empfahl mir einen bestimmten Rum zu dieser Zigarre und gab mir ein Täfelchen Zartbitterschokolade. Das war toll. Ich wusste, daraus kann ich was machen und dachte sofort an einen Blauschimmelkäse. Ich hatte da auch einen deutschen Blauschimmel im Keller, der so ein bisschen fade war. Den habe ich dann mit Rum abgewaschen und mit Kakao bestäubt. Dann hab ich mir Kakaobohnenbruch aus Jamaika besorgt und in diesem Rum eingelegt. Den Käse hab ich dann in diesen Kakao-Splittern gewälzt. Das Ergebnis war großartig. Seitdem gehört er zu unserem Sortiment.

Im Sommer war ihr persönlicher Favorit der köstliche St. Domnin, ein Ziegenkäse mit Lavendel. Wie kamen sie auf die Idee?

(lacht) Die Lorbeeren für den St. Domnin muss ich leider von mir weisen. Ich habe diesen Käse probiert und dachte direkt, die fügen den Lavendel doch künstlich hinzu. Das kann doch gar nicht sein. Dann bin ich nach Frankreich gefahren und hab dem Bauern einen spontanen, überfallartigen Besuch abgestattet. Das mach ich ganz gerne. Jedenfalls wurde ich quasi dazu gezwungen, morgens um sieben Uhr frische, noch warme Ziegenmilch zu probieren und tatsächlich – die Milch schmeckt intensiv nach Lavendel, weil die Tiere damit gefüttert werden. Das hat sich mittlerweile rumgesprochen und der Bauer kommt mit der Produktion kaum noch hinterher.

Haben Sie zurzeit einen Favoriten?

(überlegt) Das wechselt täglich. Heute Morgen um 9 Uhr war es definitiv unser Blue Stilton mit weißem Portwein. Ich bohre ein großes Loch und ein paar Kanäle in den Käse und stecke eine ganze Flasche weißen Portwein oben rein. Der Käse nuckelt dann drei Wochen an der Flasche. Danach ist er herrlich aromatisch und cremig. Der ist wirklich sehr gut.

Wie sollte der Verbraucher den Käse zu Hause lagern?

Wir reden hier ja die ganze Zeit über Rohmilchkäse. Käse aus pasteurisierter Milch ist ja eh tot, den können sie ruhig in eine Tupperdose legen. Da passiert ja nichts mehr. Bei Rohmilchkäse ist das anders. Wenn sie den Käse kaufen, bekommen Sie ihn in einem speziellen Papier. Darin lassen sie den Käse. Alternativ können sie Butterbrotpapier nehmen. Rohmilchkäse fängt in Folie an zu schwitzen und wird bitter. Das Gemüsefach im Kühlschrank hat normalerweise neun Grad, das ist ideal. Wenn der Käse schnell noch etwas reifen soll, müssen sie ihn wärmer lagern. Wenn sie die Reifung aufhalten wollen, müssen sie ihn kälter lagern. Die Ausnahmen sind Parmesan und Pecorino. Das sind luftgetrocknete Käse, die im Kühlschrank glasig würden. Die Käse würden reißen und schimmeln. Den Parmesan oder Pecorino einfach in einem Geschirrtuch oder unter einer Käseglocke dunkel und trocken lagern.

Das Gespräch führte Julia Floss