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Domherrenschnitten und RievkoocheDie kölsche Kochkultur droht zu verschwinden

Lesezeit 3 Minuten
Reibekuchen

Wer in Köln Appetit auf Rievkooche hat muss entweder auf die Kirmes gehen oder das Glück haben, dass Zimmermann an einem Wochentag vor Rewe steht.

  1. In ihrer PLUS-Kolumne „Köln kulinarisch” schreiben unsere Kölner Gastro-Experten Sebastian Bordthäuser und Julia Floß wöchentlich im Wechsel über aktuelle Themen in der Gastronomie.
  2. Diesesmal geht es um die Kölsche Kost. Und die Frage, wo sie geblieben ist.
  3. Denn sie wird heute fast nur noch in Brauhäusen serviert und ist dort zur Folklore verkommen. Dabei hat die rheinische Küche so viel zu bieten.

Als ich vor 30 Jahren nach Köln zog, betrat ich blühende kulinarische Landschaften. In meiner Straße gab es einen Pferdemetzger, auf dem Markt wurde Wild aus eigener Jagd angeboten und im Supermarkt lagen „Schnüsskes“, „Öhrkes“ und „Schwänzchen“. Zugereiste wurden am Bahnhofsvorplatz von der Rievkooche-Bude willkommen geheißen. Dazu kam eine Reihe köstlicher Biere, von denen man heute nur noch in den Geschichtsbüchern lesen kann. Die kölsche bzw. rheinische Speisekarte war reich bestückt.

Die Zeit von Schweinefüßchen, Öhrchen oder Schwänzchen im Supermarkt ist leider vorbei. Als „Abfall“ werden sie heute nach China exportiert. Die Rievkooche-Bude musste wegen Geruchsbelästigung schließen und von den Pferdemetzgern hat heute nur noch einer an zwei Nachmittagen geöffnet.

Kölsche Kost in Brauhäusern ist meist lieblos und auf Kantinen-Niveau

Ich bin zwar ein Imi, lebe aber schon lange hier und betrachte mich daher selbstverständlich als Kölner. Trotzdem habe ich mir den Blick von außen erhalten und frage mich, wie der Kölner sich scheinbar klaglos über die Jahre die Butter vom Brot, bzw. das Kölsch aus den Stangen und die Schnüsschen vom Kraut hat nehmen lassen. Kölsche Kost wird heute fast nur noch in den Brauhäusern serviert, und dort meistens lieblos auf Kantinen-Niveau. Wer Appetit auf Rievkooche hat muss entweder auf die Kirmes gehen oder das Glück haben, dass Zimmermann an einem Wochentag vor Rewe steht.

Und die Speisekarten der Brauhäuser listen streng genommen auch alle das Gleiche, sprich: Folklore. Köln liegt in der rheinischen Tiefebene, ein klassisches Gemüseanbaugebiet. Dennoch ist es schwierig, einen ordentlichen Teller Rübstiel zur Saison zu bekommen, wohingegen dicke Bunne (aus de Dose) ganzjährig auf der Karte stehen.

Die Formel Kölsch und Blutwurst ist endlich

Die kölsche/rheinische Küche hat viel mehr zu bieten, als Halve Hahn und Himmel und Ääd. Was ist mit Sauren Bohnen, den einst gerühmten Domherrenschnitten (mit Kalbshirn), Döppekooche, Hammel- bzw. Schafgerichten (von den Rheinwiesenschäfern), Heringssalat (rheinisch mit Rindfleisch), gebackener Leber oder den Schnäutzchen und Öhrchen auf Kraut oder dem Senfrostbraten?

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Sicher, unsere Ernährung hat sich geändert. Innereien oder Schwänzchen sind von unserem Speiseplan verschwunden. Aber warum? Die kölsche Küche ist eine einfache Küche, die es verstand, aus dem Wenigen eine Mehrwert zu schaffen. Zwar weiß ein jeder bei dem Wort „Sauerbraten“ zu berichten, der sei original vom Pferd (was Unsinn ist), aber bestellen tut ihn niemand. Und so sitzt man am geputzten Holztisch, trinkt sein Kölsch und isst jahrein jahraus dicke Bunne mit Speck oder Himmel und Ääd, während die regionale Kochkultur langsam verschwindet und der 150. Burger-Laden aufmacht.

Ich wünsche mir daher einen Ort, an dem alte Kölner Rezepte zusammen getragen werden, die in Vergessenheit geraten sind und zu verschwinden drohen. Denn die Formel Kölsch und Blutwurst ist endlich.