Ex-Shepheard-Betreiber„Der neue Besitzer soll unsere Fehler nicht wiederholen“
- Das „Shepheard“ am Rathenauplatz hat vor wenigen Wochen überraschend geschlossen.
- Wir haben mit dem ehemaligen Betreiber über die Kölner Cocktailbar-Szene gesprochen – und sagen, wie es mit dem „Shepheard“ in den nächsten Wochen weitergeht.
Köln – Von außen kaum sichtbar, war das „Shepheard“ am Rathenauplatz stets eine sichere Adresse für gute Cocktails. Nun hat die Bar-Institution ihre Türen überraschend zum ersten April geschlossen. Der ehemalige Betreiber Attila Kiziltas hatte sich bereits zuvor mehr und mehr aus dem Barbetrieb zurückgezogen. Als sich 2018 die Frage nach der Verlängerung des Mietvertrages stellte, entschied der Unternehmer, das Shepheard abzugeben und sich ganz seinem zweiten Geschäftszweig zu widmen, dem lukrativeren Catering-Geschäft. Wir haben ihn getroffen.
Herr Kiziltas, das Shepheard gilt als ein Pionier der gehobenen Cocktailkultur in Köln. Wie hat sich die Szene seit seiner Eröffnung 2004 verändert?
Die Szene ist gewachsen. Wir haben viel mehr gehobene Bars in der Stadt als früher. Einige Kollegen, die bei uns waren, haben sich selbstständig gemacht – und das erfolgreich. Spirits, Sudermann, Seiberts, Ona Mor: Das sind Bars, die national wie international mithalten können. Hinter keiner anderen Stadt müssen sich die Bars in Köln verstecken, auch wenn die Kölner in der Kommunikation etwas zurückhaltender sind. Sie machen kein riesiges Aufsehen um ihre Arbeit.
Zur Person und zur Serie
Attila Kiziltas ist gelernter Hotelfachmann und Betriebswirt. 2004 übernahm er als Betreiber das „Shepheard“ am Rathenauplatz, dessen Einrichtung an den Kolonialstil angelehnt war. Die Bar war nach dem 1841 gegründeten Shepheard Hotel in Kairo benannt, das 1952 bei einem Großbrand zerstört wurde. Der Ostwestfale Kiziltas war bereits während des Studiums Betreiber mehrerer Bars in Köln. Hinzu kam das Catering-Geschäft, das er bis heute unter dem Namen „Shepheard“ weiterführt. (red)
Die gehobenen Bars verwenden inzwischen alle möglichen Methoden zur Herstellung von Cocktails, auch aus der Molekularküche. Wie sieht denn aus Ihrer Sicht der nächste Trend aus?
Der Einfluss aus der Küche ist insgesamt groß. Die Küche setzt die Techniken allerdings selbstverständlich ein, während in Bars ein Hype darum herrscht. Hier werden Zubereitungsarten aus der Labortechnik beispielsweise nur rudimentär angewandt. Als Trend wird der Gin erst einmal bleiben. Lange Zeit boten Bartender kräftige, klassische Drinks an, noch aus der Anfangszeit der Cocktailgeschichte – mit starkem Alkoholgehalt. Diese werden sich weiterhin halten, sonst wären es keine Klassiker, aber der Trend geht eindeutig zu deutlich weniger alkoholhaltigen Drinks. Der Zuckergehalt spielt eine immer wichtigere Rolle. Ich trinke gerne Gin and Tonics, bevorzuge mittlerweile aber lieber einen Tom Collins. Dieser Drink funktioniert wie eine alkoholische Limonade: er besteht aus Süße und Säure, die man mit Soda auffüllt und kombiniert sie je nach Belieben mit Gin, Whiskey oder Wodka.
Können Sie sich auch an blöde Cocktail-Trends erinnern?
Den Laden haben wir am Ende des Wodka-Hypes übernommen. Der wurde irgendwann absurd. Auch der Letzte hatte dann begriffen, dass es nicht so viel Sinn macht, eine Spirituose so lange zu destillieren, bis sie geschmacksneutral ist und dafür 100 oder 200 Euro pro Flasche zu bezahlen.
Das Shepheard hat in seiner Geschichte viele hochkarätige Barkeeper hervorgebracht, wie zum Beispiel Ricardo Albrecht, Stephan Hinz und Frank Thelen. Wie haben Sie es geschafft, zu einer Talentschmiede zu werden?
Die Drinks sollten selbstverständlich immer gut sein. Wir wollten aber auch einen Top-Service bieten, uns war eine herzliche Ansprache wichtig. Am Eingang haben wir die Jacken der Gäste entgegen genommen und sie ihnen beim Gehen wieder gereicht – in der Zwischenzeit wurden sie von der Heizung an der Garderobe gewärmt. Das sind wichtige Details. Ich habe nach Personen Ausschau gehalten, die genau das übertragen können, auch wenn ihnen das viel abverlangt hat. Mit manchen hat es super geklappt, schwierig wurde es dann bei häufigen Wechseln, die in der Branche üblich sind. Barkeeper lassen sich schwer halten.
Sind diese Schwierigkeiten mit dem Personal also auch einer der Gründe, weshalb Sie das Shepheard aufgegeben haben?
Die hohe Fluktuation tut der Branche nicht gut. Es kam in den vergangenen Jahren häufiger vor, dass ein Barkeeper, der ein bis drei Stationen durchläuft – was nicht viel ist – plötzlich in den Vertrieb der Alkoholindustrie wechselt.
Der eine verkauft dann Spirituosen, der andere nennt sich „Brand Ambassador“ – das sind verlängerte Vertriebsarme. Das kann ich nicht verstehen, dass der Beruf des Barkeepers nicht ernst genommen und anerkannt wird. Man begegnet hier einer geringen Motivation. Bei den Köchen ist es anders. Auch sie haben Lehr- und Wanderjahre, bleiben danach aber weiter am Herd. Entweder in der Selbstständigkeit oder als Küchenchef.
Könnte das an den miesen Gehältern liegen?
Die Branche ist natürlich unterdurchschnittlich bezahlt. Solange man selbst in der Bar mitarbeitet, ist alles gut. Wenn man unternehmerisch an die Sache herangeht und Mitarbeiter möchte, die den Job übernehmen, wird es wirtschaftlich eng. Wenn die Lohnkosten um 30 Prozent stiegen, müssten auch die Preise proportional steigen. In Deutschland ist die Bereitschaft leider sehr gering, dies zu akzeptieren. Ich habe von Beginn an den Laden neben dem Catering geführt. Spaßeshalber habe ich die Bar manchmal als teures Hobby bezeichnet.
Das Shepheard verfügte nur über einen relativ kleinen Bereich für die Außengastronomie. Welche Rolle spielt das inzwischen für den Erfolg einer Cocktailbar?
Ich würde nie wieder eine Bar ohne Außenbereich eröffnen. Die 18 Plätze gibt es erst seit circa drei Jahren. Dafür habe ich lange mit der Stadt gekämpft. Ohne Außenbereich ist eine Bar nicht ganzjährig erfolgreich zu führen.
Eine Flaute, die der Kölsch-am-Kiosk-Kultur und dem Abhängen auf den Plätzen geschuldet ist? Wie sieht es mit dem Standort Rathenauplatz aus?
Da wir im Sommer ohnehin gelitten haben, war die verstärkte Kiosk-Kultur nicht ein zusätzliches Problem für uns. Viele Bars sind von denselben Problemen betroffen. Am Belgischen Viertel kann man sehen, wie das Überhand nimmt und auch für Anwohner und die Gastronomie problematisch ist. Das Viertel um den Rathenauplatz aber stellt einen schönen Kontrast zur Zülpicher Straße dar. Von den Leuten dort haben wir nicht viel mitbekommen. Seit jeher wird das Viertel eher von Kölnern besucht. Das Shepheard hat gut hier hingepasst.
Wie geht es weiter mit dem „Shepheard“?
Aus dem „Shepheard“ wird nun „Samuels Shep“: Der Kölner Selman Mani (37) ist der neue Betreiber der Bar am Rathenauplatz. Die Neueröffnung findet voraussichtlich Ende Mai statt. Mani ist von Beruf Musiker. Neben seiner Heavy-Metal-Band hat er jahrelang in der Gastronomie gejobbt, unter anderem in Betrieben wie dem Underground. Im „Samuels Shep“ soll sich laut Mani noch einiges verändern: Anders als im „Shepheard“ wird ein DJ am Wochenende für Hintergrundmusik sorgen.
Im Laufe der Sommermonate möchte Mani auch die Inneneinrichtung verändern, um mehr Plätze im relativ kleinen Barraum zu schaffen. Die Getränkekarte werde anfangs etwas weniger Eigenkreationen als bisher enthalten, aber nach und nach angereichert. (red)
Was hatte es mit der Konkurrenz auf sich?
Jede Bar hat ihr eigenes Publikum. So war das auch bei uns. Die Menschen kamen aus unterschiedlichen Gründen: extra wegen der Drinks oder nach dem Essen in den umliegenden Restaurants. Ich kenne viele, die ihr erstes Date hier hatten. Auch das machte die Bar für mich aus: die Intimität. Es kam oft vor, dass die ganze Bar miteinander sprach. Daraus sind Bekanntschaften und Freundschaften entstanden.
Sind Sie traurig, dass Sie die Bar abgeben, oder fühlen Sie sich eher erleichtert?
Das ist für mich noch gar nicht richtig abgeschlossen. Ich unterstütze den neuen Betreiber gerade noch beim Übergang. Er soll die Fehler, die wir gemacht haben, nicht wiederholen.
Wollen Sie denn noch mal eine Bar eröffnen?
Ich halte nichts für ausgeschlossen.