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Restaurant RociosDer falsche Spanier in der Südstadt

Lesezeit 3 Minuten

Simple Eleganz im Restaurant Rocios.

DAUERHAFT GESCHLOSSEN - an gleicher Stelle hat das Phadrea eröffnet.

Ich kenn’ da ’nen richtig guten Spanier.“ Wie oft bin ich auf den Spruch schon reingefallen? Vor meinem inneren Auge brutzelt der Oktopus neben einem ganzen Fisch auf dem Grill, saftiger Schinken in hauchdünnen Scheibchen, würzige Oliven kullern mir entgegen – und dann wache ich auf und sitze in irgendeiner miserabel beleuchteten Spelunke, angeranzte Bastmatten wurden um die Theke getackert, in „Comic Sans“ springt mir das Wort „Daiquiri-Happy Hour“ ins Gesicht und das sonnenbankgebräunte, ansonsten wenig erleuchtete Servicepersonal nimmt die Bestellung mit Hilfe eines mobilen Endgerätes auf. Die Datteln im Speckmantel kommen aus dem Eimer, die Krebsfleischbällchen haben noch nie das Meer gesehen und die frittierten TK-Tintenfischringe eignen sich hervorragend als Dichtungsringe für Sanitäranlagen, zum Glück ist ein halber Liter Convenience-Aioli dabei. In diesen Momenten zweifelt man nicht nur an der Zurechnungsfähigkeit der Bekanntschaft, die die besagte Empfehlung ausgesprochen hat, man zweifelt an der Menschheit.

Kalmar, Oktopus und Ceviche

Und dann passiert etwas Wunderbares. Ich sitze beim „richtig guten Spanier“ – das Ambiente ist schlicht-elegant, die Oliven liegen in einer köstlichen Marinade, die freundlich-schüchterne Servicefachkraft empfiehlt genau den richtigen Wein und beim Studium der Speisekarte wird klar: Hier wird gekocht. So richtig. Mit frischen Zutaten. Ganze Fische werden gegrillt, Anchovis mühselig über Monate selber eingelegt, es gibt Kalmar, Oktopus und Ceviche. Die angenehm überschaubare Karte ließt sich hervorragend.

Blankes Mauerwerk, Holztische, schwere Kerzenständer, ein funkelnder Kronleuchter, minimale Farbtupfer dominieren im Rocios.

Die Kundschaft war noch nicht bereit

Plötzlich kommt die nette Servicefachkraft mit einem Teller „Tomatenbrot“ um die Ecke. Typischer Reflex: Kein Brot vor dem Essen. Das sättigt nur unnötig. Naja, einmal reinbeißen kann man ja schon. Ja, genau. Das geröstete Brot wurde erst mit Knoblauch und anschließend mit einer vollreifen Tomaten abgerieben. Salz, ein Spritzer Olivenöl, und fertig ist dieses Stückchen Perfektion. Anfangs stellte Chefin Rocio Ruiz Mendizabal die Zutaten für den katalanischen Klassiker einfach auf den Tisch und der Gast konnte sich dann, als Wartezeitüberbrückungsmaßnahme, sein Tomatenbrot selber schmieren. Die Kundschaft war noch nicht bereit für soviel Selbstbestimmung.

Hohe Qualität der Speisen

Nichtsdestotrotz – Die Qualität der servierten Speisen ist konstant hoch. Von der gerösteten Paprika mit Anchovis über Spinatsalat und rohmarinierten Fisch (Ceviche) bis zum gegrillten Wolfsbarsch mit Rosmarinkartoffeln und eingelegtem Gemüse ist alles auf den Punkt gewürzt und gegart. Kleine „Richtig-guter-Spanier“-Besserwisserinformation: Die wunderbare Allround-Chefin Rocio (Küche, Service, täglicher Marktrundgang, Weinimport) stammt übrigens aus Peru. Lima, Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien.

Fazit: Hervorragende Küche zu völlig angemessenen Preisen

Rocios, Elsaßstraße 30, 50677 Köln, ☎ 0221/16826625, Öffnungszeiten: Di-Sa: ab 18 Uhr

Diese Speisen haben wir probiert

Pan con tomate // So simpel, so köstlich

Pescaditos fritos // 6,50 Euro

Salsiccia al finocchio // Italienische Fenchelbratwurst //10,90 Euro

Lubina a la brasa // Gegrillter Wolfsbarsch // 21,50 Euro

Fischvariation: Doradenfilet, Kalmar, Gambas und Muscheln // 21,90 Euro