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Sommelière Romana Echensperger„Es gibt einen Boom beim alkoholfreien Wein“

Lesezeit 7 Minuten
Sommelière Romana Echensperger beim Weintest

Romana Echensperger beim Weintest

„Master of Wine“ Romana Echensperger verrät die neuesten Trends und erklärt, warum deutscher Wein vom Klimawandel profitiert. 13 Jahre hat sie für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ Weine getestet.

Frau Echensperger, 13 Jahre haben Sie für unser „Magazin“ Weine getestet, aktuellen Trends nachgespürt, ungezählte Empfehlungen und Geheimtipps gegeben. Was hat sich in dieser Zeit getan beim Wein?

Romana Echensperger: Die Vorlieben haben sich verändert. Der Trend geht weg von kräftigen Weinen hin zu eher frischeren, leichteren Tropfen. Zudem wird weit weniger Wein getrunken als früher. Die Winzer und Winzerinnen bringt das gerade ziemlich in Bedrängnis, weil es schlicht ein Überangebot gibt. Und: Wir erleben einen Boom beim alkoholfreien Wein. Da gilt es inzwischen, ein bisschen gegenzuhalten.

Wieso das?

Ich nehme eine Tendenz wahr, Alkoholkonsum generell zu verteufeln: Gesundheitsschädlich, Suchtpotenzial… Da werden zurzeit Riesenkampagnen gefahren.

Ich stimme eine Ode an den gepflegten Rausch an.
Romana Echensperger, „Master of Wine“

Aber es stimmt doch auch. Die Weltgesundheitsorganisation warnt, es gebe überhaupt keine gesundheitlich unbedenkliche Menge Alkohol.

Noch vor zehn Jahren wurde das Gegenteil behauptet: Ein Gläschen Rotwein sei nicht nur unschädlich, sondern sogar gesund. Ich will kein Wissenschaftsbashing betreiben, aber ich finde, man sollte nicht immer nur Studien hinterherlaufen, sondern schon auch das große Ganze sehen.

Was meinen Sie damit?

Mich nervt diese Nanny-Kultur, die wir in Deutschland entwickelt haben. Ständig schreiben der Staat oder andere Autoritäten uns vor, was gut für uns ist. Wir sind aber doch freie Menschen. Und natürlich gehört zur Freiheit auch die Verantwortung. Das kann man am Beispiel Wein sehr schön zeigen: Wein ist ein Kulturgut. In der Bibel heißt es unzählige Male „Brot und Wein“: Brot stillt deinen Hunger. Aber der Wein sagt dir: Du bist mehr als ein Tier, das Durst und Hunger hat. Die tollsten Gespräche gibt es bei einem Glas Wein. Es werden Pläne geschmiedet, Firmen gegründet, Beziehungen begonnen beim Wein.

Sie werden ja richtig euphorisch.

Ja, ich stimme auch eine Ode an den Rausch an, den gepflegten Rausch. Alkohol ist ein Freund aber man muss ihn auch als Freund behandeln: sorgsam, maßvoll, verantwortlich. Sonst wendet er sich schnell gegen einen und wird zum Feind.

Mit dem Sauerampfer der 1960er und 1970er Jahre könnte man niemandem mehr kommen.
Romana Echensperger, „Master of Wine“

Wir sprachen von Veränderungen in der Weinwelt. Was ist mit dem Klimawandel?

Der schlägt durch, ganz klar. Beim deutschen Wein hat das zwei Seiten. Ich bin überzeugt: Ohne den Klimawandel wäre deutscher Wein heute nicht mehr konkurrenzfähig. Mit dem Sauerampfer der 1960er oder 1970er Jahre könnte man niemandem mehr kommen. Die heimischen Winzer profitieren also davon, dass die Weine heutzutage reif und vollmundig werden. Beliebte weiße Rebsorten wie Weißburgunder, Grauburgender, Chardonnay gedeihen inzwischen überall bei uns. Und beim Rotwein ist neben Spätburgunder zum Beispiel auch mit Merlot oder Syrah etwas anzufangen.

Und die Kehrseite?

Der Witterungsverlauf übers Jahr wird immer heterogener und extremer: brutale Trockenheit in einem Jahr, im nächsten dann sehr viel Nässe mit Fäulnisdruck – oder Spätfrost, der den Winzern mit einem Mal die Hälfte des Ertrags weghaut. Das ist unglaublich schwierig zu handeln.

Die Gastronomie ist ein Seismograf für die wirtschaftliche Lage in Deutschland.
Romana Echensperger, „Master of Wine“

Sie werden jetzt Chefredakteurin beim Gourmet-Magazin „Falstaff“. Was reizt Sie an dem neuen Job?

Der „Falstaff“ will mit seinem tollen, fachlich versierten Team Inspirationen für das Schöne im Leben geben: gutes Essen, spannende Rezepte, tolle Restaurants, Reisen, Gastlichkeit. Dazu veranstalten wir auch Leser-Events, was mir schon immer super viel Spaß gemacht hat.

Teilen Sie eigentlich aktuell die Klage der Gastronomie?

Die Gastronomie ist ein Seismograf für die wirtschaftliche Lage im Land. Mit das Erste, woran die Leute sparen, ist der Besuch im Restaurant. Ich sehe das auch bei mir selber: Die Lebenshaltung ist teuer, für ein Stück Butter habe ich heute Morgen drei Euro gezahlt. Und dann mit zwei Kindern Pizza essen gehen, da sind aber gleich mal 100 Euro weg. Das überlegt man sich schon. Haben oder nicht haben!

Wenn ich eine Flasche Wein trinke, läuft bei mir ein Film ab.
Romana Echensperger, „Master of Wine“

Ein Highlight Ihrer Beiträge im „Magazin“ waren immer die Tests mit Weinen vom Discounter oder aus dem Supermarkt, zum Beispiel vor Weihnachten. Jetzt mal raus mit der Sprache: Haben Sie als Spitzensommelière dabei im tiefsten Inneren gelitten?

Viele dieser Weine sind sauber gemacht, und man kann sie ohne Weiteres mit Genuss trinken. Aber ganz ehrlich? Ich nicht. Wenn ich eine Flasche Wein aufmache, läuft bei mir ein Film ab: Wo kommt der Wein her? Was ist seine Geschichte? Was ist der Winzer für ein Typ? Das alles geht mir bei einem Discounter-Wein für 2,99 Euro ab.

Man kann nicht jeden Wein vor dem Kauf probieren. Wenn ich vor dem Regal stehe und mich entscheiden soll – gibt es ein paar mehr oder weniger sichere Indizien oder Faustregeln für den richtigen Griff?

Zuerst sollten Sie zu einer Rebsorte greifen, von der Sie bereits wissen, dass sie Ihnen schmeckt. Dann gilt der Grundsatz: Je enger die Herkunft definiert ist, desto höher ist in der Regel die Qualität. Wenn auf der Flasche nur die Rebsorte und „Vin de France“ steht, ist das ziemlich dürftig. Ein Bordeaux AOC, also mit Angabe des Anbaugebiets, ist da schon besser. Und wenn dann noch die Appellation dabei steht, zum Beispiel St. Emilion, dann haben Sie noch größere Chancen, dass Sie an einen hochwertigen Wein kommen.

Wann noch?

Es gibt Regionen, die günstige und zugleich gute Weine hervorbringen können. Ein Beispiel ist Chile. Dort herrschen ideale Bedingungen für den Weinbau. Ein Wein für fünf Euro aus Chile würde in Europa für die gleiche Qualität etwa das Doppelte kosten. Einen guten Anhaltspunkt bieten dann auch noch die manchmal misstrauisch beäugten Bewertungen. In der Regel liegt ihnen das 100-Punkte-System zugrunde, und da kann man sagen: Alle Weine mit 84 Punkten und mehr kann man gut trinken.

Verraten Sie uns Ihre Lieblingsweine?

Die sind kein Geheimnis. Es wechselt nur immer wieder mit den Vorlieben. Ich komme viel herum und lasse mich gern von dem begeistern, worauf ich stoße. Zurzeit – ich war in den Ferien in Griechenland - stehe ich voll auf griechischen Wein. Da habe ich großartige Tropfen für kleines Geld entdeckt. Eine Liebe fürs Leben sind Bordeaux und Riesling. Schaumwein mag ich auch sehr. Wenn’s einer mit weniger Alkohol sein soll, gern ein Apfel- oder Birnen-Cidre. Und was man mir immer einschenken kann, ist – Champagner. Klingt jetzt etepetete, ich weiß. Ist ja auch wirklich kein billiges Vergnügen. Aber wenn ich dem puren Genuss einen Namen geben soll, dann heißt er: Champagner.

Die Redaktion lässt Sie natürlich nicht gehen ohne ein Event: einen Abschiedsabend, natürlich mit Wein. Worauf dürfen sich die Leserinnen und Leser freuen – abgesehen von Ihren schönsten Geschichten rund um Wein?

Das verrate ich jetzt tatsächlich noch nicht. Nur so viel: Es gibt einen wunderbaren Mosel-Riesling, und beim Rotwein habe ich mich für einen Spätburgunder von der Ahr entschieden. Nach der Flutkatastrophe von 2021 können die Winzer dort immer noch jede Unterstützung gebrauchen.


Zur Lage des Weins

Ein Abend mit Romana Echensperger für Leserinnen und Leser. Die Spitzensommelìere erzählt von ihrer Begeisterung für Wein, über ihre Erfahrungen in der Sterne-Gastronomie und ihre schönsten Erlebnisse rund um den „Saft der Reben“. Moderation: Joachim Frank, DuMont-Chefkorrespondent.

Donnerstag, 31. Oktober, um 19.30 Uhr im Domforum, Domkloster 3, 50667 Köln. Eintritt 15 Euro. Tickets gibt es hier.

Romana Echensperger

Mehr als zehn Jahre war die 47 Jahre alte Romana Echensperger Chef-Sommelìere in der deutschen Spitzengastronomie, unter anderem im „Vendôme“ Bergisch Gladbach, das seinerzeit drei Sterne im Guide Michelin hatte. 2015 bestand sie in London die Prüfungen zur „Master of Wine“. Weltweit gibt es nur gut 400 Fachleute, die diesen begehrten Titel tragen dürfen.

Schon im Jahr 2011 startete Echensperger im „Magazin“ ihre eigene Kolumne. In der Branche ist Echensperger eine feste Größe. So steht sie seit Jahren für das Deutsche Weininstitut auf der Bühne, hält Meisterklassen im In- und Ausland ab. Seit 2022 gehört sie zum Verkosterteam der Lufthansa. Sie unterhält außerdem enge Verbindungen zur Napa Valley Wine Academy in den USA.

Unter dem Titel „Von wegen leicht und lieblich“ ist von ihr „das ultimative Weinbuch nur für Frauen“ erschienen (Christian-Verlag). Biodynamisches Winzerhandwerk stellt sie in dem Buch „Von der Freiheit, den richtigen Wein zu machen“ vor (Westend-Verlag). Im November übernimmt Echensperger die Chefredaktion des Genuss-Magazins „Falstaff“.