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Speckrollen als RetterWas hat die Corona-Krise kulinarisch mit uns gemacht?

Lesezeit 3 Minuten
koch mit essen

Welche Richtung wird die Gastronomie-Branche gehen? 

  1. Dank Corona-Krise wird zuhause wieder mehr gekocht. Das ist positiv, findet unsere Autorin Julia Floss.
  2. Allerdings birgt dieses Phänomen auch das Risiko der wachsenden Speckrolle, schreibt sie in ihrer Kolumne „Köln kulinarisch”.
  3. Und fragt sich, wie es unsere Gastronomen wohl aus der Krise schaffen können. Denn die Gastronomie ist Kulturgut und darf nicht verloren gehen.

Köln – “Ich hab’ noch nie so viel gewogen wie gerade!” Meine Freundin ächzt ins Telefon. Ertappt schaue ich an mir herab und streichle über mein Bäuchlein: “Ja, das ist irgendwie eskaliert.”

Endlich wird wieder gekocht

Egal wo man zurzeit hinhört oder hinsieht, viele haben in der Corona-Krise zugenommen und jammern über Speckrollen. Nicht, dass wir aktuell nicht größere Probleme hätten, als ein paar Kilos zu viel auf den Rippen, aber es ist doch eine interessante Entwicklung. Das passiert also, wenn man uns die Restaurants und Cafés nimmt. Zugegeben man hat uns auch die Fitnessstudios genommen, aber angesichts der Jogger-Invasion in den Parks, müsste die Nation so fit sein, wie schon lange nicht mehr. Stattdessen spannt der Hosenbund.

Ein großer Teil der Bevölkerung hat sich während des Lockdowns die Zeit mit Kochen vertrieben. Ein Blick auf die Google-Suchanfragen der letzten Wochen bestätigt das. Die Anzahl der kulinarischen Hilferufe bei Chefkoch.de zum Beispiel erreichte Höhen, die für gewöhnlich kurz vor dem großen Weihnachts-Feiertags-Fress-Marathon einsetzen. Im Kern sind das erfreuliche Neuigkeiten: Endlich wird wieder gekocht. Viele Menschen haben die Zeit genutzt, um sich in das Thema Sauerteig einzulesen oder Bananenbrot zu backen, als gäbe es kein Morgen. Zu Ostern wurde die Hollandaise plötzlich selbst aufgeschlagen und zusätzlich zum Hauptgang für Vorspeise und Dessert gesorgt. Da darf der Gürtel ruhig mal zwicken.

Die Gastronomie ist Kulturgut

Kochen ist notwendig und Alltagsflucht zugleich. Man lässt für einen bestimmten Zeitraum alles hinter sich, begibt sich in die Küche und konzentriert sich auf ein Rezept. Das kann mal fünf Minuten, mal zehn Minuten und mal zwei Stunden dauern. Ich nenne das “Stress-backen” und es hilft mir sehr. Es gibt mir das Gefühl etwas Gutes, etwas Sinnvolles zu tun und belohnt mich mit einem direkten, haptischen Ergebnis. Auch ein Mini-Urlaub nach Italien, Frankreich oder Mexiko lässt sich hervorragend kulinarisch nachbauen und man kann für einen kurzen, köstlichen Moment dem Alltag, der Krise, der Routine entfliehen.

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Diese wichtige, beinahe therapeutische Maßnahme übernehmen für gewöhnlich unsere Gastronomen. Sie sind für uns da, wenn unser Kühlschrank leer ist und unser Kopf eine Pause braucht. Wenn wir etwas zu feiern haben, uns mit Freunden treffen möchten oder uns mit einer Auszeit belohnen wollen. Sie füttern nicht nur unsere Mägen, sondern viel mehr unser Gemüt. Und sie brauchen unsere Hilfe, unsere Aufmerksamkeit - mehr denn je.

Kulinarik ist mehr als nur Nahrungsaufnahme

Die Gastronomie ist nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, sondern ein Kulturgut, ein essentieller Bestandteil unseres Zusammenlebens. Und obwohl Restaurants seit dieser Woche wieder öffnen dürfen, blicke ich beunruhigt und einigermaßen hilflos in die Zukunft. Wie werden wir gesellig zusammensitzen mit Abstand? Wer wird die Krise überstehen? Welche Hilfsmaßnahmen wird die Regierung unternehmen, welche die Gesellschaft?Die letzten Wochen haben gezeigt, dass Kulinarik auch in Krisenzeiten mehr ist, als nur Nahrungsaufnahmen. Dass wir Ablenkung und Sicherheit im Kochen und Essen suchen. Die Speckrolle überm Hosenbund ist der beste Beweis dafür.