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Gastro-Autor im InterviewMacht der Streetfood-Trend unsere Esskultur kaputt?

Lesezeit 5 Minuten
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Einmal Pulled Pork, bitte. Streetfood gibt es direkt auf die Hand. (Symbolfoto)

Stevan Paul lernte den Kochberuf bei Sternekoch Albert Bouley und kochte in verschiedenen Sterne Küchen. Seit 2000 arbeitet er als freier Journalist und Gastro-Autor. Seiner Ansicht nach, ist der Streetfood-Trend eine große Bereichrung für unsere Esskultur, der hier in Deutschland jedoch noch ausbaufähig ist.

Herr Paul, In den Städten Asiens gehören sie schon lange zum ganz normalen Alltagsleben. Jetzt sind Streetfood- bzw. Food-Märkte auch bei uns „in“. Wie beurteilen Sie diesen Trend?

Streetfood ist schnell und unkompliziert und passt damit gut in unsere Zeit. Ich sehe in der Streetfood-Kultur zudem eine unglaubliche Steigerung der Qualität innerhalb des Themas „Essen auf die Hand“. Bei Streetfood geht es um gute Produkte von bester Herkunft. Nachhaltigkeit und Regionalität spielen eine große Rolle. So gesehen ist die Streetfood-Kultur auch gläsern.

Was meinen Sie damit genau?

Die Betreiber der Trucks wissen meist sehr genau, was sie verkaufen. Sie können erzählen, woher die Kartoffeln kommen oder wo die Tiere herkommen, deren Fleisch sie zubereiten. Das passt gut in unsere Zeit und zu einer Generation, die sehr qualitätsbewusst ist, was das Essen betrifft.

Geht mit der Streetfood-Kultur nicht ein Stück Esskultur verloren?

Für mich sind Streetfood-Märkte eine schöne Ergänzung unserer Esskultur. Sie sind etwas Schönes und Geselliges. Da geht man nach der Arbeit mit Kollegen hin oder am Wochenende mit der Familie. Vor allem die Mittagstisch-Kultur ist durch das Streetfood-Angebot enorm verstärkt worden. Inzwischen versorgen Streetfoodler unter der Woche ganze Büro- und Trabantenstädte. Das ist toll. Es gibt inzwischen sogar Soziologen, die behaupten, dass die Streetfood-Kultur das Zeug dazu habe, Marktplatz und Feuerstelle unserer Zeit zu werden. Ich persönlich bin mir nicht sicher, ob es ganz diese Tragweite hat. Ich glaube aber schon, dass Streetfood eine schöne Ergänzung ist und keinesfalls für eine Verlotterung unserer Esskultur steht.

Und unsere Kochkultur? Leidet, beziehungsweise verändert die sich nicht, wenn wir vermehrt schnelle Gerichte sozusagen auf der Hand essen?

Auch da würde ich sagen, dass Streetfood unsere Kochkultur eher erweitert, da in ihr Weltküche stattfindet. Mit der Streetfood-Kultur ist etwa die südostasiatische Küche viel stärker in den Fokus gerückt. Als Folge erleben wir in vielen Städten, dass zum Beispiel vietnamesische und thailändische Restaurants eröffnen. Darüber hinaus gibt es auch viele Gastronomen, die Streetfood als Thema entdeckt haben für Partys oder Büffets. Manche haben inzwischen sogar eigene Trucks, mit denen sie auf Kundenfang gehen. So gesehen belebt Streetfood das Geschäft insgesamt sehr positiv.

Aktuell versuchen viele Food-Märkte das Streetfood-Konzept und die Idee von Wochenmärkten mit frischen Produkten aus der Region zu verbinden.

Das passt auf jeden Fall gut zusammen – mal abgesehen davon, dass ich glaube, dass Streetfoodler zwingend ein Zusatzprogramm brauchen. Man kann ja nicht unbegrenzt Hot Dogs oder Burger essen. Und nur zu essen, ist ja auch nicht wirklich schon unterhaltsam. Deshalb denke ich, dass es großen Sinn macht, Streetfood-Märkte dort anzusiedeln, wo auch andere Dinge angeboten werden.

Abgesehen von der Verquickung mit Wochenmärkten – woran denken Sie da konkret?

Was ich mir verstärkt wünschen würde ist, dass die Streetfood-Märkte hierzulande zum Beispiel mehr Kulturprogramm anbieten. In den USA läuft das schon sehr gut, da gibt es neben der Streetfood immer viel Ramba Zamba: Konzerte, DJ-Sessions oder auch Lesungen. In Spanien sind viele Streetfood-Märkte sehr familienorientiert und haben ein tolles Kinderangebot. Das sind gute Sachen und die Eltern können mal verschnaufen. Davon können die deutschen Streetfoodler noch viel lernen.

Und kulinarisch? Fehlt Ihnen etwas im Spektrum der aktuellen Food-Märkte?

Ja, ich würde mir etwas mehr Mut im Programm wünschen.

Was meinen Sie damit?

Die Streetfood-Bewegung läuft in Deutschland seit ungefähr drei Jahren. Sie ist jetzt an einem ersten Höhepunkt angelangt. Im Moment gibt es vor allem Burger und Hot Dogs. Da würde ich mir wünschen, dass die Veranstalter mehr in die Welt gucken und schauen, was es dort sonst noch für tolle Gerichte gibt, etwa in Mexiko, Thailand, Vietnam oder China. Das kann man ja alles durchaus regional denken und mit besten Produkten umsetzen. Da gibt es auf jeden Fall vieles, das noch entdeckt werden kann.

Welchen der internationalen Trends finden Sie selbst denn besonders spannend – bei Food-Märkten, aber auch insgesamt, was unser Essen betrifft?

Ein großer Foodtrend unserer Zeit ist die japanische Küche. Sake ist sehr stark und auch Misopaste ist unter den Kulinarikern derzeit ein großes Gesprächsthema. Das sind alles Anzeichen, dass die japanische Küche auch bei uns eine Renaissance erlebt. In den USA ist schon jetzt die japanische Izakaya-Küche ein riesiger Trend. Das sind kleine, tapas-artige Schnabulierereien, die in den Pubs gereicht werden. Das wird auch zu uns kommen und darauf freue ich mich schon jetzt.

Kulinarisch internationaler sowie Kultur- und Familien-affin: Was braucht der Food-Markt der Zukunft noch?

Es wäre schön, wenn nicht vergessen würde, dass Streetfood sich von Anfang an guter Qualität verschrieben hat. Es gibt leider inzwischen einige große Firmen, die den Streetfood-Trend für sich nutzen wollen, aber die Qualitätsansprüche unterwandern. Ein großer Pizzahersteller hat zum Beispiel eine „Pulled Pork“-Tiefkühlpizza auf den Markt gebracht. Umso wichtiger ist es, dass sich die Food-Märkte davon immer abgrenzen und klar machen: Wir pflegen einen hohen Qualitätsanspruch, wir achten auf beste Produkte, wir denken nachhaltig und umweltbewusst.