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Großes Interview mit Sven Plöger„Ich bin ein Schmeckt-mir-schmeckt-mir-nicht-Weintyp“

Lesezeit 20 Minuten
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Weinliebhaber und TV-Meteorologe Sven Plöger

  1. In unserer Gesprächsrunde „Wein & Sein“ erzählen Prominente, was sie mit Wein verbinden und welche Rolle das Genießen in ihrem Leben spielt.
  2. Diesmal verkostet der Wetterexperte Sven Plöger mit Romana Echensperger und Chefkorrespondent Joachim Frank verschiedene Weine, die auch für Wein-Liebhaber unter unseren Lesern interessante Tipps sind.
  3. In dem spannenden Gespräch geht es natürlich um Wein, aber auch um den Klimawandel und wann und wie der TV-Meteorologe Köln lieben lernte.

Romana Echensperger: Herr Plöger, in Köln können wir uns zurzeit nicht treffen, über Wein nur in einer Videokonferenz sprechen und einander aus der Ferne zuprosten. Am Beginn soll deshalb ein Wein stehen, der uns miteinander und mit Köln verbindet. Das Weingut Karthäuserhof auf dem Areal eines ehemaligen Klosters hat ihn „Bruno“ genannt – zu Ehren des heiligen Bruno von Köln, des Gründers des Kartäuserordens. Zum Wohl!

Sven Plöger: Ihr Bruno von Köln ist mutmaßlich ein würdigerer Botschafter für Köln als ich. Aber an Enthusiasmus nehme ich es ganz bestimmt mit ihm auf.

Sie haben in Köln studiert.

Plöger: Nicht nur das. Ich habe mich in Köln zuhause gefühlt. Ich habe Köln geliebt, wirklich geliebt. Es war die Stadt, die mir am Beginn eines neuen Lebensabschnitts neue Freunde bescherte, ein neues Lebensgefühl eröffnet hat. Mein erstes Semester, muss ich zugeben, habe ich deshalb ziemlich vergeigt. Heute darf ich als „Alumnus“ auf Plakaten für die Uni werben. Wenn die meinen Einstieg gekannt hätten, hätten sie sich das vielleicht noch mal überlegt.

Was war denn passiert?

Plöger: Na ja, die erste große Klausur – Analysis I, also Mathematik. Man brauchte 13 von 68 Punkten, um zu bestehen. Easy, dachte ich. Das schafft ein Mathe-Schlaufuchs wie ich mit links. Als ich mich dann am Telefon nach den Ergebnissen erkundigen wollte, fragte der Assistent: „Sitzt du?“ – Seitdem weiß ich: ganz schlechte Frage! Wenn die kommt, sollte ich mich tatsächlich besser setzen. Jedenfalls war ich mit 2,5 Punkten grandios durchgerasselt. Zu meiner Ehrenrettung füge ich hinzu: 84 Prozent aller Kommilitonen waren ebenfalls durchgefallen. Ich habe daraus die Lehre gezogen: Köln und Studium sind kein Widerspruch, man muss aber zusehen, dass sich beides verträgt. Die Stadt bietet schließlich so viel Ablenkung. Ab dem 3. Semester habe ich es einigermaßen hinbekommen. Und um dann auch noch was Positives zu sagen: Am Ende des Studiums stand ein Diplom „mit Auszeichnung“.

Mir war Köln als Hotspot der Meteorologie nicht aufgefallen. Warum sollte es unbedingt Köln sein?

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Wein-Expertin Romana Echensperger.

Plöger: Ich kam ja aus Bonn. Und ich wollte weiter weg. (lacht) Und zum Thema Hotspot: Ich habe aus dem Studium in Köln sehr viel mitgenommen. Einer meiner Lehrer, Professor Peter Speth, zum Beispiel war ein begnadeter Erklärer.

Echensperger: Dass Sie „was mit Wetter“ machen wollten, wussten Sie seit Ihrer Kindheit. Wie kam denn das? Als Außenstehende kommen mir Isobarenkarten jetzt nicht so wahnsinnig spannend vor.

Plöger: Obwohl ich familiär überhaupt nicht vorbelastet bin, muss ich ein „Wetter-Gen“ mitbekommen haben. Bücher übers Wetter habe ich verschlungen, jede Wolke fand ich toll. Wenn bei uns abends ein Gewitter aufkam, stand ich als kleiner Junge magisch angezogen auf unserem Westbalkon und schaute so lang in den Himmel, bis auch wirklich der letzte Blitz weg war. Meine Eltern haben aufgeschrieben, dass ich als Dreijähriger auf die Frage nach meinem künftigen Beruf gesagt haben muss: „Ich will ein Vogel werden.“ Das fasziniert mich bis heute, weil es alles trifft, wofür ich mich begeistere: die Luft, das Fliegen, das Wetter in all seinen Formen.

Echensperger: Dass Winzer und Landwirte vom Wetter abhängig sind, ist klar. Sagen Sie doch mal Bereiche, an die man vielleicht nicht sofort denkt.

Plöger: Da muss man ein bisschen unterscheiden. Was wir als Laien mit „Wetterberichten“ verbinden…

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Sven Plöger im Zoom-Gespräch.

… wir als Laien. Klingt lustig, wenn Sie das sagen. Kurze Zwischenfrage: Wie hat Ihnen jetzt eigentlich der Kölner Bruno von der Ruwer geschmeckt?

Plöger: Sehr gut! Ein leichtes Prickeln auf der Zunge. Das gibt mir immer ein Gefühl von Frische. Generell bin ich ein schlichter Schmeckt-mir-schmeckt-mir-nicht-Weinmensch. Ist vielleicht ein bisschen peinlich, das in diesem Rahmen mit einer „Master of Wine“ zu sagen, aber ich genieße ohne Analyse.

Wir als Laien…

Plöger: Sehen Sie! Hätte ich vorhin „Sie als Laien“ gesagt, wäre Ihnen das vielleicht unhöflich oder arrogant vorgekommen. Beim Wetterbericht im Fernsehen, das war ja das Thema, geht es mir darum, dass wir Meteorologen etwas mehr an Erklärung und Einordnung bieten als die Wetter-App mit den nackten Zahlen. Das allgemein hohe Interesse an Wetterdaten hat sicher mit geänderten Freizeitbedürfnissen zu tun. Wir sind da mehr auf Effizienz und Zeitmanagement aus als früher: Das Wetter muss zu unseren Aktivitäten passen – und umgekehrt. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob wir damit richtig liegen. „Ich gehe nur bei gutem Wetter raus!“ Warum eigentlich? Mir macht das auch im Regen Spaß. Natürlich sieht das für alle, die draußen arbeiten müssen, schon anders aus. Und weil Sie gerade gefragt haben, wer alles vom Wetter abhängt: Denken Sie an alles, was mit Transport und Logistik zu tun hat, insbesondere Fliegerei und Schifffahrt. Denken Sie an den Handel, den Tourismus, die Gastronomie, die Textilbranche, den öffentlichen Verkehr – alles wetterabhängig. Oder einfacher: Drehen Sie die Frage rum: Was hängt eigentlich nicht vom Wetter ab? Die Liste ist kurz...

Der erste und lange Zeit einzige Diplom-Meteorologe meines Lebens war Dr. Uwe Wesp, der Wetterfrosch des ZDF. Was hatten Sie mit Ihrem Studium vor?

Plöger: Anfangs war ich tatsächlich mit einem mutigen „Weiß ich noch nicht“ unterwegs. Dann wollte ich Wetterberater für Piloten werden. Diesen Beruf gab es in meiner Schulzeit noch. Heute ist er abgeschafft. Computer haben die Aufgaben übernommen, und die Piloten müssen sich mehr oder weniger selber briefen. 1982 habe ich als Schüler mein erstes Praktikum auf dem Köln/Bonner Flughafen machen dürfen. Die Chefs dort haben mir das ausnahmsweise ermöglicht, weil sie mir meine Begeisterung für das Metier angemerkt haben. Und am Ende meiner zwei Wochen haben sie zu mir gesagt: „Also, wann immer du willst, darfst du wiederkommen.“ Eine große Ehre für mich als 15-Jährigen, großes Privileg – und ein Motivationsschub sondergleichen. Später habe ich dann aber tatsächlich so was wie einen Medienflash gekriegt. Ich durfte im Radio das Wetter erklären. Beim Vorstellungsgespräch zuvor muss ich einen guten Tag erwischt haben. Jedenfalls haben sie mich genommen. Beim Radio habe ich dann gelernt, auf Zeit zu sprechen. Was ich übrigens hier gerade sträflich vernachlässige. Wieviel Uhr ist es gerade?

Und dann der Wechsel zum Fernsehen?

Plöger: Mein Fernseheinsatz begann mit dem bemerkenswerten Ausspruch „Er sieht zwar Scheiße aus, aber er kann reden.“ Was für ein Lob! Man muss bei dem Satz wohl einfach den richtigen Schwerpunkt setzen. So gibt es mich seit inzwischen 21 Jahren vor der Kamera, und Menschen gewöhnen sich bekanntlich an vieles. Meine Frisur ist jedenfalls unverwüstlich!

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Chefkorrespondent Joachim Frank

Echensperger: Als mein Mann und ich 2017 geheiratet haben, haben wir uns bei der Wahl des Termins am 100-jährigen Kalender orientiert. Laut einem dieser unvermeidlichen Hochzeitsratgeber ein absolutes Muss. Was halten Sie vom 100-jährigen Kalender?

Plöger: Kompletter Unsinn, aber hochinteressant. Der 100-jährige Kalender beruht nämlich auf einer total tollen meteorologischen Leistung und auf zwei offensichtlich total falschen Annahmen. Die Leistung bestand in einer akribischen Aufzeichnung von Wetterdaten in dem oberfränkischen Kloster Langheim durch Abt Mauritius Knauer in den Jahren 1652 bis 1658. Die falschen, für uns heute amüsant klingenden Annahmen sind erstens, dass das Wetter sich in bestimmen Zyklen – alle sieben Jahre – wiederholt, und zweitens, dass sich vom Himmel über Langheim in Oberfranken auf das Wetter an jedem beliebigen anderen Ort schließen lässt.Aber viele Leute behaupten, die Angaben seien verblüffend genau.

Plöger: Das beruht schlicht auf selektiver Wahrnehmung: Das Wetter im oberfränkischen Langheim ist ja nicht völlig anders als irgendwo sonst im Land. Wenn es also in den Aufzeichnungen mal 17 Grad und Regenschauer gab, dann kann das auch heute an irgendeinem Ort passieren. So kommt es natürlich immer wieder zu rein zufälligen Überschneidungen mit den Angaben im 100-jährigen Kalender. Und weil die Menschen gern glauben, was sie glauben möchten, sagen sie dann: Siehste, es stimmt! Wie war’s denn bei Ihnen, Frau Echensperger?

Echensperger: Hat gestimmt: strahlender Sonnenschein. Aber nur, weil wir unseren Wunschtermin kurzfristig um eine Woche verlegen mussten. Am eigentlich geplanten Tag hat es geschüttet. Wo wir gerade über die Vergangenheit reden. Wir trinken jetzt einen Chardonnay aus Belgien. Nicht unbedingt als Weinland bekannt. Es gab dort aber einen durchaus beachtlichen Weinanbau, bis 1815 in Indonesien der Vulkan Tambora ausbrach. Das löste eine Mini-Eiszeit aus, die bis nach Belgien reichte. Die Rebstöcke erfroren, und weil in einer Hungersnot Kartoffeln wichtiger waren als Trauben, kam die Winzerei zum Erliegen. Eine Geschichte für alle, die sagen, den Klimawandel gab es immer schon. Kältephasen, Wärmephasen – alles nichts Neues.

Plöger: Ein Vulkanausbruch kann das Klima kurzfristig durcheinander wirbeln, wenn er ganz massiv ist, wie es etwa der Ausbruch des Supervulkans im Yellowstone Park in den USA wäre, auch längerfristig. Natürlich kennt dieser Planet auch viele andere kurzfristige regionale Klimaschwankungen, ebenso wie ganz langsame Veränderungen über Jahrtausende. Das hat mit der Erdbahn um die Sonne und Schwankungen bei der Schrägstellung der Erdachse zu tun. Aber was wir heute erleben, ist ein Temperaturanstieg, der auf dem ganzen Globus gleichzeitig passiert und schneller ist als jemals zuvor in der Erdgeschichte.

Echensperger: Vergessen Sie nicht den Tambora...

Plöger: Stimmt! Das Jahr nach dem Ausbruch, 1816, ging als „Jahr ohne Sommer“ in die Annalen ein. In vielen Regionen Mitteleuropas ging ein Großteil der Ernte verloren, auf der Schwäbischen Alb mussten Pferde geschlachtet werden, die Menschen litten Hunger. Und weil es nun immer weniger Zugtiere gab, wurde zum Beispiel die Draisine erfunden. In dieser Zeit kam es auch zu einer großen Auswanderungswelle – viele Menschen reisten nach Amerika und versuchten, sich dort eine neue Existenz aufzubauen.

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Romana Echensperger im Zoom-Talk.

Echensperger: Also, der Vulkan hat vorübergehend Einfluss auf das Klima in bestimmten Regionen gehabt. Wir Menschen sorgen auf dem ganzen Globus für erheblich schnellere Veränderungen, als die Natur sie verursachen würde. Das klingt doch nicht so schwer verständlich.

Warum gibt es denn trotzdem so viele Klimaskeptiker?

Plöger: So viele gibt es gar nicht. Aber die wenigen sind eben sehr laut. Mir gefällt das Wort Klimaskeptiker übrigens nicht, denn Skepsis ist für mich sehr positiv besetzt. Jeder sollte eine gesunde Skepsis in sich tragen. Wer aber – ohne sich wirklich um die Verbesserung des eigenen Kenntnisstandes zu bemühen – längst widerlegte „Argumente“ wiederholt, ist für mich nicht skeptisch, sondern eher bräsig oder verfolgt eine Agenda, die nicht zu Umweltfreundlichkeit passt. Für mich ist deshalb Klimaforschungsleugner der bessere Begriff.

Echensperger: Aber warum kommt das Thema generell so schwer an?

Plöger: Vor allem, weil Physik kompliziert ist. Ein bisschen „hilft“ derzeit die lange Trockenperiode. Wir spüren, dass sich etwas ändert und sehen, dass die Vorhersagen der Klimaforschung aus der Vergangenheit für heute eine hohe Qualität haben. Das Vermittlungsproblem der Klimaforschung liegt aber hier: In dem Moment, in dem Sie den Klimawandel und seine Folgen als physikalische Tatsachen akzeptieren, geraten Sie in eine Doppelrolle als Opfer und zugleich als Täter. Das allein ist schon schwer genug zu ertragen. Der Ausweg ist aber noch viel schwieriger: Wenn sich etwas zum Besseren verändern soll, dann müssen wir nämlich unser Leben ändern. Ich, Sie, jeder und jede Einzelne, aber auch die Weltgemeinschaft als Ganzes. Daraus ergibt sich ein Grundkonflikt: Wir wissen eigentlich, was wir zu tun hätten, aber wir wollen es nicht, weil es uns – natürlich – erst mal etwas kostet.

Echensperger: In Ihrem Buch „Zieht euch warm an, es wird heiß!“ bezeichnen Sie diese Konstellation schön wissenschaftlich mit dem Begriff der „kognitiven Dissonanz“.

Plöger: Die Fridays-For-Future-Bewegung ist das beste Beispiel dafür: Wir haben 2019, dem Jahr vor der Pandemie, in Deutschland vernünftigerweise so viel über Klimaschutz gesprochen wie nie zuvor. Im gleichen Jahr sind die Deutschen aber auch so viel geflogen wie nie zuvor, haben so viele SUVs neu zugelassen, so viele Kreuzfahrten gebucht und so viel Plastikmüll produziert wie nie zuvor. Das ist ein kompletter Widerspruch zwischen Bewusstsein und Verhalten – kognitiv dissonant eben. Und genau das ist unser eigentlicher Konflikt. Darüber werden wir stürzen, wenn es uns nicht gelingt, auf einer breiten, möglichst demokratisch gesicherten Grundlage zu einem vernünftigen Handeln mit klaren Vorgaben zu gelangen. Sonst werden die Einzelnen immer ihre Schlupflöcher finden oder zu dem fatalistischen Ergebnis kommen: Es ist alles umsonst, und ich kann ja eh nichts machen.

Aber ist das denn nicht auch so?

Plöger: Nein. Wenn wir die Koordinaten alle miteinander in die falsche Richtung verschoben haben, dann können wir sie auch wieder zurück verschieben. Das ist – zugegeben – nicht so ganz einfach. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zum Beispiel werden wir nicht mal eben so überwinden können. Aber wir müssen uns bemühen, und wir können etwas erreichen. Was deshalb ganz schlecht ist, ist Polarisierung und Polemik. Damit nimmt man niemanden mit.

Nicht mal über das Moment des Aufrüttelns?

Plöger: Die Gesellschaft ist wie ein Gummiband. An beiden Enden wird gezogen. Es gibt das konservativ-bewahrende Ende, und es gibt das fortschrittlich-progressive Ende. Letztlich, das zeigt die Geschichte, gewinnen immer die Progressiven. Sonst säßen wir als Gesellschaft noch in den Höhlen der Steinzeitmenschen. Also wird das Gummiband tendenziell immer in Richtung der Veränderung gezogen. Nur darf es am Gegenzug der konservativen Kräfte nicht zerreißen. Die Geschichte zeigt nämlich auch die katastrophalen Folgen solcher Risse. Die Demokratie mit ihren Mechanismen des Ausgleichs ist letztlich ein Gummiband-Erhaltungs-Betrieb.

Echensperger: Bei den Rotweinen, die ich für uns ausgesucht habe, spielt der Klimawandel eine wichtige Rolle. Ein Syrah aus der Pfalz wäre noch vor wenigen Jahrzehnten nicht möglich gewesen. Die Durchschnittstemperatur in der Region lag 1990 bis 10,1 Grad. In den vergangenen drei Jahren war sie deutlich über zwölf Grad. Ohne diese Entwicklung wären deutsche Weine weithin nicht konkurrenzfähig. Wenn man mit Saar-Winzern spricht, dann erzählen die aus den 1950er Jahren, dass von den zehn Jahrgängen vielleicht zwei was getaugt hätten, weil die Trauben in den anderen Jahren einfach nicht vernünftig reif wurden.

Plöger: Wein ist ein typischer Fall, an dem man sehen kann: Klimawandel heißt nicht, alles wird schlechter. Sondern „Klimawandel“ bedeutet übersetzt: Es handelt sich um einen Prozess mit unterschiedlichen Folgen. Nur ist es so, dass die negativen Folgen aufs Ganze gesehen dermaßen groß sind, dass der Verweis auf einzelne Positiveffekte nicht vernünftig ist. Zumal die Regionen, die heute vorübergehend von der Erderwärmung profitieren, auf lange Sicht auch die Probleme zu spüren bekommen werden.

Echensperger: Für alle großen Entscheidungen hatte die Menschheit bislang eines: Zeit. Zur Bewältigung des Klimawandels aber haben wir eines nicht mehr: Zeit.

Plöger: Deshalb braucht es jetzt ein entschlossenes Handeln der Politik. Ewig weiter zu diskutieren und alles kleinzureden, bis man am Ende glaubt, nichts tun zu können, hilft niemandem. Ich bin über die Jahre ein immer politischerer Mensch geworden und habe festgestellt: Die Menschen werden von sich aus nicht das Vernünftige tun. Das wissen wir, sonst gäbe es nämlich keine Raucher und schon gar keine rauchenden Lungenfachärzte. Wir Menschen sind eben, wie wir sind. Wir brauchen einen Rahmen, der für alle gilt. Die Zerstörung unseres Planeten zuzulassen, hilft schließlich niemandem und schon gar nicht unseren Kindern und Enkeln.

Mehr Dirigismus wagen?

Plöger: Ja, aber warum gleich wieder die Büchse mit den bösen Begriffen aufmachen? Das führt doch nur dazu, dass alles ruft: „Nein zum Dirigismus! Ja zur Freiheit!“ Solche Debatten stottern vor sich hin wie ein Fredl-Fesl-Motor, töttöttöttöttö – und das finde ich sehr anstrengend. Wir müssen uns die Mühe machen, politische Ziele zu erklären und den Mut zu notwendigen Entscheidungen haben. Dafür braucht es ein paar Wörter mehr als Schlagworte. Was Menschen notfalls bereit sind, in Kauf zu nehmen, zeigt die Corona-Krise. Ich will natürlich keinem Klima-Lockdown das Wort reden, und der Klimawandel ist keine Pandemie. Aber die globale Bedrohung durch den Klimawandel ist letzten Endes nicht geringer. Ganz im Gegenteil.

Sechs Fragen an Sven Plöger

Wann darf ein Wein auf keinen Fall fehlen?

Bei einem schönen Abendessen, gerade jetzt in Pandemie-Zeiten. Wein verbindet sich für mich mit feierlichen Anlässen und mit Genuss. Ich kann übrigens auf ein ganz eigenes System der Weinversorgung zurückgreifen: Als Vortragsreisender bekomme ich zum Abschluss öfters mal ein Weinpräsent. Und weil Veranstalter ja möchten, dass man sie in guter Erinnerung behält, lassen sie sich da nicht lumpen. Daraus ist ein schönes Sortiment geworden, aus dem ich mich gern bediene. Das Prinzip unseres Weinkellers lautet also „Reiz der Vielfalt“, was natürlich viel kundiger klingt als Sammelsurium. Ist aber im Grunde das Gleiche.

Haben Sie ein Wein-Lieblingsland?

Durch den Klimawandel ändern sich auch solche Vorlieben. Früher hätte ich niemals „Deutschland“ gesagt, sondern immer Frankreich oder Iberische Halbinsel, also Spanien und Portugal, wohin wir auch familiäre Verbindungen haben. Das hat sich geändert – auch eine Folge des Klimawandels.

Wann geht Wein für Sie gar nicht?

Ich habe eine eherne Regel, die da lautet: „Moderiere niemals alkoholisiert!“ Ich rede ja schon nüchtern zu viel. Und es gibt einfach auch weinlose Tage. 1987 war mal so einer, glaube ich. Nein, im Ernst: Ich trinke längst nicht jeden Tag. Sonst wäre es ja kein Genuss.

Welchen Wein haben Sie zuletzt verschenkt?

Weil man im Moment ja nirgends hingeht, kann ich das spontan gar nicht mehr sagen. So lang ist das schon her! Aber halt, da fällt es mir ein: Es war der eine Spätburgunder von der Saar (Edition Getz 2016 vom Ökoweinbauer Ollinger-Getz), den ich kenne, weil ich vom saarländischen Umweltminister Reinhold Jost nach einer gemeinsamen Podiumsdiskussion einmal eine Flasche davon bekommen habe. Sie sehen: Auch da bewährt sich mein Sammler-Prinzip. Denn verschenken möchte ich am liebsten nur Weine, die ich selbst schon mal probiert habe.

Haben Sie eine Lieblingskombination?

Erst der Weiß, dann der Rote.

Ein Weinerlebnis der besonderen Art?

Nach dem Abitur unternahm ich mit Freunden, zwei Jungs, zwei Mädels, eine sechswöchige Fahrt nach Portugal. Unsere Route führte auch ins Duero-Tal, wo das Thema Portwein ganz groß ist, und natürlich haben wir diverse Kellereien angesteuert. An einem Tag hatte ich mich als Chauffeur angeboten und war beim Verkosten entsprechend zurückhaltend. Deswegen kam ich abends auch als Einziger noch einigermaßen nüchtern auf dem Campingplatz an. Eines der Mädels stützte sich am Bus ab, um nur ja nicht umzukippen, und sagte: „Passt mal auf, ihr baut jetzt das Zelt auf, und ich halte solange den Bus fest.“ Und: Mit meiner Frau war ich einmal an der Ostsee. Wir saßen in den Dünen, redeten und tranken Wein dazu. Genauer gesagt, ich trank. Als meine Frau irgendwann sagte, „Ach, schenk mir doch mal nach!“ – da war die Flasche leer. Sie ahnen, dass mir diese Geschichte gelegentlich vorgehalten wird.

Romana Echensperger stellt die verkosteten Weine vor

Der Riesling

Nicht nur Sven Plöger hat einen Bezug zu Köln, sondern auch dieser Wein. Es ist eine Hommage an Bruno von Köln, der Gründer des Karthäuserordens, auf den auch dieses Weingut zurückgeht. Der Karthäuserhof hat seinen Sitz an der Ruwer, einem kleinen Nebenfluss der Mosel, der auch der Namenspatron der kleinen Subregion ist. Der Bereich Ruwer ist für Schieferböden, besonders kühles Klima und seine stahligen Rieslinge berühmt. Der Wein duftet zurückhaltend nach Zitruszesten, Birkensaft, weißen Blüten und Schieferwürze. Am Gaumen wirkt er spritzig und mit 11,5 Prozent auch angenehm leichtfüßig. Betont trocken ausgebaut, kommen die stahlige Säure und Mineralität angenehm zum Vorschein. Ein Wein der auch als Aperitif erfrischt und den Mund wässrig macht.

2019 Bruno / Schieferriesling trocken / Karthäuserhof / Mosel / 9,90 Euro

www.karthaeuserhof.com

Der Chardonnay

Seit Römerzeiten bis ins 19. Jahrhundert gab es in Limburg Weinbau. Der endete jäh, als 1815 der Vulkan Tambora in Indonesien ausbrach und sich das Klima Europa kurzzeitig abkühlte. Im Winter erfroren die Reben und wurden nicht mehr ersetzt. Die Familie Rennes hat 1990 die Weinbautradition wieder aufgenommen. Nun bewirtschaftet sie stolze 22 Hektar, frankophil konzentriert auf Chardonnay und Pinot Noir. Fallen die Jahre kühl aus, bereitet man aus der Traubenernte exzellente Schaumweine. In wärmeren Jahren wird Stillwein wie dieser feine Chardonnay erzeugt. In der Nase zeigt dieser einen Duft von Melone, Nussbutter und Toast. Am Gaumen wirkt er zart cremig, mittelkräftig und langanhaltend. Der Wein war für unseren Gast die wohl größte Überraschung.

2018 Chardonnay Blauw / Wijnkasteel Genoels-Elderen / Belgien / 14 Eurowww.wijnkasteel.com

Der Coste

In Südfrankreich kämpft man wie viele Regionen mit dem Klimawandel. Bei Temperaturen über 45 Grad kollabieren die Trauben an den Rebstöcken. Es braucht also neue Ideen, wie man auch in Zukunft noch Weinbau betreiben will. Eine ist, die Reben-Monokultur zu überwinden. Auf diesem Weingut pflanzt man Schatten spendende Bäume und Sträucher zwischen die Rebzeilen. Manche würden dazu „Agroforest“ sagen. Den uralten Viura-Reben scheint das zu bekommen. Das Bukett zeigt Anklänge von Aprikosen, Renekloden, Bergamotte, Schwarztee und Streichholzabrieb. Der Wein ist betont trocken ausgebaut und verfügt über ein körniges Mundgefühl. Es ist ein zupackender, salziger, herber wie animierender Weißwein, den man zu herzhaftem Essen genießen sollte.  2019 Coste / Domaine Danjou Banessy / Roussillon / 19 Eurowww.weinhalle.de

Der Spätburgunder

Im Verkostungsraum des Weingutes liegen versteinerte Austern und Haifischzähne auf dem Fensterbrett. Im nördlichen Rheinhessen befinden sich nämlich manche Weinberge auf einer urzeitlichen Brandungsküste. Mit diesem Spätburgunder wollten wir Bezug auf Sven Plögers Fernseh-Serie „Spuren im Stein“ nehmen, bei dem er und seine Kollegin Lena Ganschow beleuchten, wie die Geologie die Region prägt. Natürlich hat der Boden auch Einfluss auf den Geschmack des Weines. Das Bukett hier zeigt Aromen von reifen Sauerkirschen, dunklen Beeren, Liebstöckel und vom Holzausbau zarte Noten von Toast und gerösteten Nüssen. Der Wein läuft geschmeidig über die Zunge, die frische Säure ist eingewoben und ein komplexes Aromenspiel wirkt noch lange nach.2018 Siefersheimer Spätburgunder / Weingut Wagner-Stempel /Rheinhessen / 18 €

www.wagner-stempel.de

Der Syrah

Wer noch Zweifel am Klimawandel hat, dem empfehle ich deutsche Weine aus den 1950er zu verkosten und mit heute zu vergleichen. Noch vor 30 Jahren wäre es undenkbar gewesen Syrah hierzulande zuverlässig zur Reife zu bekommen. Eine Rebsorte die man sonst aus Südfrankreich kennt. Es gibt erste Weinkritiker die bezweifeln, ob Deutschland wirklich noch ein „cool climate“ ist. Im Portfolio von Top-Winzer Oliver Zeter findet man jedenfalls Exoten von Viognier bis Cabernet Franc, die allesamt überzeugen. Wir haben uns für seinen spannenden Syrah entschieden, der in Amphoren ausgebaut wurde. In der Nase zeigen sich Aromen von Schlehen, Veilchen, Lakritz, Rauchspeck und Pfeffer. Der Wein ist dicht gewoben, vollmundig aber dabei immer noch angenehm frisch. Es ist ein erstklassiger wie herzhafter Rotwein.

2017 Syrah / Weingut Oliver Zeter / Pfalz / 22 Eurowww.oliver-zeter.de

Zur Person

Sven Plöger

Zum Weiterlesen

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Sven Plögers Buch kann als Verlängerung unseres Gesprächs gelesen werden. Der Diplom-Meteorologe zeigt darin verständlich, wie unser Klimasystem funktioniert, wie man skeptischen Stimmen begegnet – und dass die aktuelle Krise eine echte Chance ist, Weichen für unsere Zukunft und die unserer Kinder zu stellen:„Zieht euch warm an, es wird heiß! Den Klimawandel verstehen und aus der Krise für die Welt von morgen lernen“, Westend Verlag, 320 Seiten, 19,95 Euro.

Sven Plöger (53) sagt seit 1999 in Funk und Fernsehen das Wetter voraus und ist vielen Zuschauern vor allem aus „Wetter im Ersten“ vor der Tagesschau und nach den Tagesthemen bekannt. Der studierte Meteorologe arbeitet im Wetterkompetenzzentrum des HR, hält regelmäßig Vorträge über Wetter und Klima und moderiert Veranstaltungen rund um diese Themen. Plöger stammt aus Sankt Augustin, absolvierte ein Meteorologiestudium in Köln und lebt mit seiner Ehefrau in Ulm.

Romana Echensperger

Romana Echensperger ist die Autorin unserer Wein-Kolumne, die regelmäßig im Magazin erscheint. Sie ist Sommelière und seit 2015 „Master of Wine“– der Titel gilt als eine der höchsten Auszeichnungen für Weinexperten. International dürfen sich nur 340 Absolventen aus 24 Ländern so nennen. Romana Echensperger arbeitet im In- und Ausland als Dozentin und Beraterin. Sie ist zudem Autorin zweier Bücher zu den Themen Biodynamischer Anbau sowie Frauen und Wein.