Interview KosmetikWas Dermatologen von selbst angerührter Naturkosmetik halten
- Marion Moers-Carpi (53) ist Dermatologin. Sie leitet eine eigene Praxis in München und ist unter anderem spezialisiert auf Kosmetische Dermatologie.
- Mit ihr sprach Angela Sommersberg über selbst hergestellt Naturkosmetik.
- Wie effektiv ist ein Deo? Sind ätherische Öle erlaubt?
Frau Moers-Carpi, im Internet finden sich diverse Rezepte, um Naturkosmetik selbst herzustellen. Was halten Sie davon?
Grundsätzlich finde ich die Idee gut. Wenn man etwas selbst herstellt, weiß man auch, was drin ist. Wenn Sie ein kosmetisches Produkt anschauen, müssen Sie sich ja erstmal durch das Kauderwelsch auf der Inhaltsliste kämpfen. Außerdem sind dort keine Mengenangaben verzeichnet. Das ist wie beim Kuchen: Wenn Sie selbst backen, wissen Sie, welche Zutaten Sie verarbeitet haben, bei der Nussschleife vom Bäcker wissen Sie das nicht. Wichtig ist natürlich, dass die Zutaten gut und frisch sind.
Wie stellt man das sicher?
Zunächst einmal sollte man sich bewusst darüber werden, was Naturkosmetik überhaupt bedeutet. Kurz gesagt ist es schadstofffreie Kosmetik. Denn man verzichtet auf synthetisch hergestellte Duftstoffe und Konservierungsstoffe, auf Silikone und Erdöl-Produkte. Man sollte die Zutaten nicht irgendwo im Internet kaufen, denn hier in Deutschland haben wir höhere regulative Standards als in anderen Ländern. Gut ist auch, wenn die Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau stammen und nicht an Tieren getestet wurden. Es gibt verschiedene Siegel, am bekanntesten ist das vom „Bundesverband deutscher Industrie- und Handelsunternehmen“(BdiH). Nennenswert sind außerdem Ecocert, Demeter oder Vegan.
Sind ätherische Öle denn erlaubt?
Wenn ätherische Öle aus der Natur kommen, ist das überhaupt kein Thema. Das sind ja keine synthetisch hergestellten Duftstoffe. Und man kann natürlich auf mineralische oder tierische Inhaltsstoffe zurückgreifen wie Bienenwachs oder Zink.
Was sind denn die Nachteile von Naturkosmetik?
Dadurch, dass man keine Konservierungsstoffe hinzufügt, halten die Sachen nicht so lange. Im Durchschnitt drei Monate bis ein Jahr. Das hängt einerseits vom Produkt ab und andererseits von der Lagerung. Wenn ich die Gesichtscreme im warmen Bad stehen lasse, hält sie nicht besonders lange. Großer Vorteil ist jedoch, dass die Haut weniger gereizt wird, wenn keine Konservierungsstoffe in der Kosmetik sind.
Apropos gereizt: Eignet sich selbst gemachte Naturkosmetik für Allergiker?
Man muss wissen, worauf ein Mensch allergisch reagiert. Besteht eine Kontaktallergie auf Kamille, was recht häufig ist, dann sollten Sie natürlich keine Kamillencreme herstellen. Die meisten Menschen sind aber nicht auf einen Inhaltsstoff allergisch, sondern auf das Drumherum, wie synthetische Duftstoffe, Mineralöle oder Konservierungsstoffe. Bei Naturkosmetik sind dann viele Allergie-auslösende Faktoren schon mal eliminiert, das ist ein riesiger Vorteil. Und wenn man unsicher ist, kann man Zutaten, auf die man möglicherweise reagieren könnte, wie ätherische Öle, ja testen: Einfach mal einen Tropfen auf die Haut geben, und dann ein, zwei und drei Tage später noch einmal anschauen – allerdings ohne die Stelle in der Zwischenzeit zu waschen. Etwas anderes machen wir bei Kontaktallergen-Tests auch nicht.
Wie effektiv ist denn ein selbst angerührtes Deo? Bietet das denselben Schutz wie das aus der Drogerie?
Deo ist ein spannendes Thema. Es soll ja eigentlich verhindern, dass man schwitzt. Das Effektivste gegen Schwitzen ist das Aluminium, das sich in die Schweißdrüse setzt, und diese verstopft. Forschungen haben jedoch gezeigt, dass Aluminium sich im Gehirn anlagern und Alzheimer verursachen kann. Also rate ich von einem Aluminium-Produkt ab. Ein selbst hergestelltes Deo ohne Aluminium kann diesen Effekt aber nicht erzeugen.
Was ist denn mit Kaisernatron? Das soll die Bakterien unter den Achseln vernichten, sodass man nicht mehr riecht.
Das sind zwei unterschiedliche Dinge: Das Natron verhindert das Schwitzen nicht. Aber es greift die Bakterien auf der Haut an. Wenn die den Schweiß zersetzen, dann müffelt man. Auch Salbei wirkt in der Form antibakteriell. Man muss für sich entscheiden, was das Deo können soll: Das Schwitzen oder den Geruch verhindern?
Wie sieht es denn mit dem Umweltaspekt aus? So ein Deo im Einweckglas macht weniger Müll…
Ich finde das super. Ich hatte zuletzt wieder ein tolles, veganes Naturprodukt in der Hand, aber in Plastik verpackt – darüber rege ich mich wahnsinnig auf. Warum füllt man das Produkt nicht in einen Glastiegel und kann es immer wieder nachfüllen? Da muss ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden. Ich kann mich noch gut an die Kosmetik meiner Oma erinnern – da waren die Produkte auch in Glas verpackt. Und die Großeltern haben auch empfohlen, statt irgendeiner künstlichen Spülung, Bier oder Zitronenwasser fürs Haar zu nehmen. Ich glaube, wir sollten mehr auf alte Weisheiten hören. Das Beste wäre, wenn wir das Wissen von heute mit dem Wissen von früher in Einklang bringen würden.
Das Gespräch führte Angela Sommersberg