Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Carrera, Lego und KickerMännerspielenächte in Bonn erfüllen Kindheitsträume

Lesezeit 7 Minuten

Ein Kindheitstraum wird wahr: Hoch konzentriert navigiert Dirk Jäkel (r.) seinen Sportwagen durch die Kurve.

Bonn – Einmal im Leben nach Geschäftsschluss eingeschlossen werden, um die Nacht in einem riesigen Spielzeugladen zu verbringen: Und dann zwischen Carrera-Bahn, Lego und ferngesteuerter Fahrzeugflotte spielen – bis zur mentalen und körperlichen Erschöpfung.

„Wir machen Männerträume wahr“, wirbt das Bonner Traditions-Spielwarengeschäft „Puppenkönig“ und hat mit diesem Angebot einen Nerv getroffen.

Endlich wieder Kind sein

Einmal im Monat treten hier in der „Männerspielenacht“ 56 Männer im Wettkampfmodus in 14 Spieldisziplinen gegeneinander an, um endlich wieder Kind zu sein und am Ende die begehrte Trophäe des Spielkönigs in den Händen zu halten.

Dosenschießen mit schwerem Gerät: Hier sind Konzentration und Präzision gefragt.

Sofern man die Haupthürde genommen hat, eines der äußerst begehrten Tickets zu ergattert. „Wir sind immer Monate im Voraus ausgebucht“, erzählt Geschäftsinhaber Alfred Westenhöfer. Sobald die neuen Termine auf der Homepage bekanntgegeben werden, sind die Tickets im Nu ausverkauft.

Erwachsenenspiele sind im Trend

Der Grund: Spielen ist so populär wie nie zuvor. Vor allem die Erwachsenen haben den Charme der analogen Spielewelt wiederentdeckt. Der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie vermeldet schon im dritten Jahr nacheinander deutlich wachsende Umsätze. 

Spitzenreiter sind Familien- und Erwachsenenspiele, die im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von acht Prozent verzeichnen konnten. Man treffe sich wieder nach Feierabend oder am Wochenende zu Spielerunden, stellt der Verband erfreut fest. Oder stellt sich gleich einen Kicker in den Keller.

Aufgekratzte Vorfreude ist spürbar

Schon eine Viertelstunde vor Beginn bildet sich entlang des Schaufensters ein großer Männerpulk. Aus der ersten Reihe sind Ausrufe kindheitsseliger Erinnerung zu vernehmen.

Toooor: Jubel bei Norbert Lankes und Christoph Kloos

Der Grund ist die riesige Modelleisenbahn, die in der Weihnachtszeit im Schaufenster aufgebaut ist. Manch einer der spielbegeisterten Herren hat sich vor dem traditionellen Weihnachtsschaufenster des seit 140 Jahren bestehenden Spielzeuggeschäfts schon als kleiner Junge die Nase platt gedrückt. 

„Genau solche Häuschen habe ich für meine Märklin früher auch gebastelt“, ruft einer. Solidarisches Nicken. Eine aufgekratzte Vorfreude ist spürbar. Vor allem auf die CarreraBahn, die nach einer unrepräsentativen Blitzumfrage unter den Teilnehmern der Magnet ist.

Vom Manager bis zum Metzger ist alles dabei

Um Punkt 19.30 Uhr öffnet der Inhaber die Türe, um die Männer einzeln zu begrüßen. Dass das Konzept so unfassbar gut laufen würde, hat ihn selbst überrascht. „Ich könnte problemlos jede Woche eine Männernacht veranstalten. Selbst aus der Eifel kommen die Teilnehmer angereist. Von 20 bis 70 Jahren, vom Manager bis zum Metzger ist alles dabei.“

Der gemeine Mann freue sich halt, endlich mal ganz ungezwungen unter seinesgleichen zu sein und angesichts des ganzen Stresses in Job und Familie einen lockeren Abend zu verbringen mit all den Dingen, mit denen er ewig nicht gespielt hat.

Das könnte Sie auch interessieren:

Dem 63-jährigen Westenhöfer, dem man anmerkt, dass in jeder seiner Fasern noch der spielbegeisterte kleine Junge von damals steckt, investiert sehr viel Zeit in die Vorbereitung und tüftelt die Wertung der einzelnen Disziplinen aus.

Ohne Wettkampf nur halb so viel Spaß

Neben der Vielfalt der 14 Spielestationen, die er aufgebaut hat, ist der Wettkampf Kern des Konzepts. „Ohne Wettkampf macht Männern das Spielen nur halb so viel Spaß.“

In Viererteams hangeln sich die Mannschaften, die sich so klangvolle Namen wie „Die Terminatoren“, „Dragons“ oder „Die Eierköppe“ gegeben haben, durch den Parcours, der von Basketball über Speed-Lego und Gabelstapler navigieren, Mannschaftsgesellschaftsspiele und Hubschrauber fliegen alles bereithält, was Fein- und Grobmotorik sowie Reaktionsschnelligkeit herausfordert.

Dirk Jäkel aus Königswinter hat mit seinem Team die Station 10 geentert. Die Fernsteuerung der Carrera-Bahn fest in der Hand, presst er den Plastikknopf. Angespannt versucht er, mit seinem blauen Ferrari auf der Außenbahn den weißen Konkurrenten auf der Innenbahn zu überholen. Am Ende zählt die Zahl der Runden, die der elektronische Zähler nach genau drei Minuten anzeigt.

„Runter vom Gas in den Kurven“

Die Stimmung ist hoch konzentriert. „Die Carrera-Bahn ist für mich das Riesenhighlight. Ich komme gebürtig aus Dunkeldeutschland, da hatten wir so was nicht“, meint der Familienvater lachend. Damals in der DDR habe jeder Junge von einer Carrera-Bahn geträumt.

Am Kicker geht es hoch her. „Hier sind die Männer am lautesten“, konstatiert der Chef.

Dass dieser Traum jenseits der 30 noch wahr wird, dafür hat seine Frau gesorgt, die ihm das Ticket geschenkt hat. „Die weiß ja, dass das auf natürlichem Wege nichts wird, da ich zwei kleine Töchter habe.“ Sein Teamkollege coacht das Greenhorn von der Seite: „Runter vom Gas in den Kurven“, ruft er laut.

Viele Männer erfüllen sich einen Traum

Inhaber Westenhöfer steht selig lächelnd im Trubel: „Ich hab Ihnen doch gesagt. Hier drehen die Männer auf.“ 350.000 Rennbahnsets verkauft die Firma Carrera jedes Jahr. Das entspricht nach Angaben des Familienunternehmens etwa dem Anteil der pro Jahr geborenen Jungen, in Wahrheit ist ein großer Teil schon vor sehr langer Zeit geborener Jungen dabei. Das Erfolgsrezept sei der ewige Wettbewerb, wer der Schnellste ist, erklärt Carrera-Chef Andreas Stadlbauer.

Viele Männer erfüllten sich damit ihren Traum, einmal Ferrari zu fahren. An Station 5 ist das Team mit dem fantasievollen Namen „Männer“ beim „Speed-Lego Bauen“ und müht sich, gegen die Uhr ein Bierglas aus gelben Legosteinen mit weißer Schaumkrone nachzubauen.

Spiele von früher mit der Lebenerfahrung von heute

„Du muss nach oben dünner werden“, ruft Norbert Lankes seinem Teamkollegen Christoph Kloos zu, weil er bemerkt hat, dass der Stationsleiter, der den Wettbewerb beaufsichtigt und die Punkte notiert, die Stirn runzelt. „Hier können wir endlich mal die Spiele von früher spielen. Und das mit der großen Lebenserfahrung von heute“, proklamiert Lankes, der wie auffällig viele Teilnehmer der Spielenacht mit Töchtern reich gesegnet ist. Stolze drei sind es bei ihm an der Zahl.

Sein Team ist nach einem Vorglühkölsch vor der Veranstaltung und weiteren Kölschboxenstopps im Laden strategisch unterwegs. „Wir machen erst die Stationen, die Feinmotorik erfordern. Als Nächstes müssen wir dringend zu den ferngesteuerten Helikoptern. Wenn wir die am Schluss machen, kriegen wir keinen einzigen Heli mehr durch den an der Decke aufgehängten Reifen.“

Feinmotorik unterschiedlich ausgeprägt

Da haben andere Teilnehmer auch in stocknüchternem Zustand Mühe: Bei vier bis fünf Helikoptern verzeichnet Westenhöfer pro Abend einen Totalschaden. „Die Feinmotorik ist bei Männern höchst unterschiedlich ausgeprägt“, hat Westenhöfer festgestellt.

Der Puppenkönig-Inhaber – dem in Zeiten des Onlinehandels inzwischen einzigen großen inhabergeführten Spielwarengeschäft der gesamten Region – kann den Trend bestätigen, und auch die Spielwarenindustrie hat den jung bleibenden 30- bis 60-Jährigen als Zielgruppe entdeckt.

Puppenkönig-Inhaber Westenhöfer überreicht dem Sieger Casten Kopp den Pokal.

Lego hat gar die Reihe „Lego für Männer“ herausgegeben. Die Bandbreite reicht vom Porsche 911 bis zum weltgrößten Lego-Technik-Schaufelradbagger für 230 Euro. Beide stehen ganz oben auf der Bestsellerliste des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie und auf so manch einer Weihnachtswunschliste der Ü-30er. Freilich ist auch der gute alte Käfer oder der VW-Bulli im Erwachsenen-Sortiment.

Retro-Trend zum analogen Spielen

Westenhofer sieht hier klar den Retro-Trend zum analogen Spielen – allen virtuellen Spielen zum Trotz: Viele Erwachsene kaufen sich, was sie früher nie bekommen haben, und wollen spielen, was sie an die Kindheit erinnert.

Neben der Erinnerung bietet das Spiel die ersehnte Pause vom Alltag. Hirnforscher Gerald Hüther bricht in seinem Buch „Rettet das Spiel“ eine Lanze für das Spielen, dessen positive Wirkung auf den Organismus von Erwachsenen nachweisbar ist.

Spielen setzt Kreativität frei

Im selbstvergessenen Spiel wird der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet, der für Glücksempfinden und Entspannung sorgt. „Das Spiel eröffnet Freiräume für Lebensfreude und setzt Kreativität frei“, konstatiert Hüther.

Als 400 Kölsch und 170 Würstchen später der 41-jährige Troisdorfer Carsten Kopp tief in der Nacht die Trophäe des Spielkönigs in den Himmel reckt, ist besagte Lebensfreude unüberhörbar: Fünf Dutzend Männer, die bei der Siegerehrung ausgelassen sich und ihr inneres Kind feiern und im Rausgehen zärtlich das ein oder andere Stoff-Einhorn tätscheln.

Monatliche Männerspielenacht

Im Spielwarengeschäft „Puppenkönig“ in Bonn findet die Männerspielenacht für Männer ab 18 Jahren einmal monatlich freitags ab 19.30 Uhr statt und kostet 35 Euro pro Teilnehmer.

Die Termine für Januar und Februar sind bereits ausgebucht. Neue Termine werden auf der Puppenkönig-Homepage veröffentlicht. Eine Anmeldung ist sowohl im Laden als auch online möglich. Die Teilnehmer werden in Viererteams eingeteilt.