Trend „Regrow Veggies“Wie Gemüsereste ein zweites Leben erhalten
- Der nachhaltige Trend „Regrow Veggies" ist aus den USA in Deutschland angekommen.
- Wir haben es ausprobiert und sagen wie sich Lauchzwiebel, Staudensellerie und Co. endlos nachziehen lassen.
Wir haben es ausprobiert: Es funktioniert und ist verblüffend. Aus einem kleinen Pflanzenrest wächst etwas heran, das tatsächlich gegessen werden kann. Keine großen Mengen, aber etwas Frisches in der Zeit, wo im Garten oder im Balkonkasten noch kaum etwas zu holen ist. Mit „Regrow“ erreicht ein Trend, der vor einigen Jahren in den USA begonnen hat, inzwischen auch Deutschland. In den Zeiten von Recycling und dem Wunsch nach Nachhaltigkeit eine Idee, die wir ausprobieren wollten. Ausgangspunkt ist ein Buch von Melissa Raupach und Felix Lill: „Regrow your Veggies“ – zentral für die Autoren ist der Spaß am Anbauen, der Wunsch nach Müllvermeidung und die Erinnerung an Omas Gemüsegarten.
Gemüse nachwachsen lassen
„Rückbesinnung zur Einfachheit“ nennen sie das Nachwachsen-lassen. Und so einfach, wie es aussieht, ist es bei vielen Gemüsesorten auch. Stangensellerie und Lauchzwiebeln, Salat und Chinakohl wachsen schnell heran. Aber auch Ingwer, Topinambur oder Galgant lassen sich auf diese Weise zu Wachstum anregen. Große Ernten sind natürlich nicht zu erwarten. Aber immerhin etwas Frisches für die Küche.
Beim Nachziehen auf der Fensterbank wird nichts ausgesät, sondern die Pflanzen werden vegetativ vermehrt – sie wachsen einfach aus der Mutterpflanze nach. Aus den teilungsfähigen Zellen kommen neue Blätter und Triebe. Voraussetzung sind ein heller, je nach Pflanzen-Vorliebe mehr oder weniger sonniger Platz und Wohnraum-Wärme, außerdem ein wenig Aufmerksamkeit und regelmäßiges Gießen.
Bei den meisten Gemüsen werden zunächst die Triebe oder Pflanzenteile in Wasser gestellt und danach in Blumenerde gepflanzt – idealerweise in Anzuchterde. Manche Exoten brauchen eine hohe Luftfeuchtigkeit, was eine durchsichtige Plastiktüte, die über den Topf gestülpt wird, möglich macht. Dünger ist zunächst nicht nötig, später eventuell in Kleinstmengen. Wasser sollte regelmäßig gewechselt werden, am besten täglich.
Unser Test: Stangensellerie, Frühlingszwiebeln und Rote Bete
Wir haben Stangensellerie, Frühlingszwiebeln und Rote Bete und ausprobiert. Eindeutiger Favorit: Der Stangensellerie! Zuverlässig trieb der Stunk neu aus. Schon nach wenigen Tagen waren kleine blassgelbe Blätter zu erkennen, nach zehn Tagen kam er in die Erde. Dann ging es richtig los mit dem Wachstum, das Laub entfaltete sich und wurde dunkelgrün. Rote Bete allerdings haben es bei uns nicht geschafft. Zwar trugen die Knollen winzige Blatt-Ansätze, aus denen es hätte sprießen können. Doch dazu kam es trotz guter Pflege nicht. Alle drei Bete haben sich nicht weiter entwickelt, weder im Wasser noch in der Erde.
Dennoch unser Fazit: Ein interessanter Versuch, und ohne Garten sicher wiederholenswert.
Unser Regrow-Versuch:
Die Schnelle: MinzeDie etwa zehn Zentimeter langen Spitzen frischer Triebe kommen für etwa eine Woche in ein Glas mit Wasser. Wenn sich Wurzeln zeigen, ist es Zeit, sie einzupflanzen. Feucht halten. Bald sprießt die Minze vor sich hin und kann behutsam beerntet werden. Später kann sie in den Balkonkasten oder Garten.
Die Scharfe: ZwiebelHier kommt einfach der Strunk – das untere, etwa drei Zentimeter dicke Ende – in die Erde. Wurzelansatz nach unten, mit Erde bedecken und feucht halten. Bald treibt dann die Zwiebel neu aus. Eine Knolle wird sich nicht bilden, aber Grün, das an die Frühlingszwiebel erinnert und gut in den Salat passt.
Das Exotische: ZitronengrasVom Zitronengras das untere Stück, etwa fünf Zentimeter lang, abschneiden. Zwei bis drei Wochen lang sollten die Enden im Wasser stehen, an einem hellen, warmen Ort. Einpflanzen, wenn es Wurzeln bildet. Bei guter Pflege kann das Zitronengras mehr als 30 Zentimeter hoch werden und wird von oben abgeerntet.
Lauchzwiebel
Bei den Lauchzwiebeln ist die Wiederbelebung geglückt. Ein kleines Wunder. Es steckte tatsächlich noch Leben in dem kleinen Stumpf der Frühlingszwiebel, die bereits Tage im Kühlschrank hinter sich hatte, bevor ich sie in Ringe geschnitten habe. Normalerweise wäre der Gemüserest auf dem Kompost gelandet und vergessen worden. Stattdessen wachsen ihm nun nach wenigen Tagen im Wasserglas Wurzeln und reckt sich zartes, frisches Grün zwischen den dunklen Blättern in die Höhe. Ein echtes Erfolgserlebnis.
Rote Bete
Die Rote Bete macht dagegen überhaupt keine Anstalten, zu wachsen, sondern verschimmelt stattdessen in ihrem Wasserbad.
Stangensellerie
Den Stangensellerie hatte ich auch schon fast aufgegeben. Er bekommt zwar keine Wurzeln, treibt im Wasserglas aber frisches Grün und wächst ungeachtet der fehlenden Wurzeln weiter, nachdem ich ihn in die Erde gesetzt habe – wenn auch sehr langsam.
Macht das mit dem nachziehen Sinn?
Zugegeben: die Frage nach dem Sinn habe ich mir gestellt. Warum erwecke ich Gemüsereste mühsam wieder zum Leben, anstatt mir im Supermarkt für wenig Geld neues Grünzeug zu kaufen? Finanziell macht das keinen Sinn, schließlich kostet auch die Blumenerde Geld. Verpackung spart es auch nicht. Was bei Produktion und Transport an CO2 eingespart wurde, ist überschaubar, zumal ich auf diese Weise nicht zum Gemüseselbstversorger werden kann.
Ich komme für mich zu dem Schluss: Es geht vor allem ums Prinzip. Darum, nicht achtlos wegzuwerfen, was für den Markt in Massen produziert wird. Zu sehen und wertzuschätzen, was es bedeutet und wie lange es dauert, bis so eine Frühlingszwiebel wächst. Es ist aber auch praktisch, immer etwas davon zur Hand zu haben. Auf Vorrat kaufen kann man Gemüse schließlich schlecht, weil es verrottet. Im Topf ist es immer frisch zur Stelle, genau wie Basilikum oder Rosmarin. Nur ein Problem gibt es dabei: Mein mit viel Liebe wiederbelebtes Gemüse einfach wieder abzuschneiden und zu essen, erscheint mir doch sehr grausam. (Jasmin Krsteski)