Steigende Energie- und Lebensmittelpreise sowie die Inflation machen Verbrauchern zu schaffen. Ein Beispiel: Der traditionelle Gänsebraten. Kölner Gastronomen erklären die hohen Preise.
Mehr als verdoppeltWarum die Preise für Gänsebraten in Kölner Restaurants explodieren
Eigentlich könnte die Stimmung im Kölschen Traditionslokal „Em Krützche“ langsam besser werden. Auf zwei kräftezehrende Corona-Jahre folgten ein warmer Sommer und ein milder Hebst, die die Menschen in das urige Gasthaus von Sylvia Fehn-Madaus in der Altstadt trieben. Doch wie so viele Gastronomen treiben auch Fehn-Madaus Sorgen wegen steigender Preise um. Mit dem Anbruch der kalten Jahreszeit beginnt nun auch im „Em Krützche“ die Gänsesaison. Traditionell verspricht das einen vollen Laden, doch die Preise für Gänse sind regelrecht explodiert – und das hat nicht nur mit der grassierenden Inflation zu tun.
Verbraucher, Gastronomen und Unternehmen spüren den Anstieg der Preise in fast allen Bereichen. Im Oktober lag die Inflation laut Statistischem Bundesamt über zehn Prozent, auch Lebensmittel werden immer teurer, um 20 Prozent zogen die Preise an.
Doch der Anstieg bei Gänsen stellt das noch einmal in den Schatten: „Der Preis für eine Gans hat sich dieses Jahr mehr als verdoppelt“, sagt Fehn-Madaus. Um etwa ein Viertel habe sie die Preise deshalb erhöht, ein Menü mit Braten und Keule, inklusive Vorspeisen und Beilagen kostet jetzt 50 Euro. Gewinn müsse sie mit anderen Speisen und Getränken machen.
Einige der Ursachen sind wohlbekannt: „Futterpreise, Energiekrise und Personalkosten“ zählt Fehn-Madaus den quälenden Dreiklang auf, der viele Unternehmen und Gastronomien gerade plagt.
„Durch den Krieg in der Ukraine ist das Futter knapper und teurer geworden. Dazu kommen die steigenden Preise für Energie. Gänse sind besonders energieintensiv in der Zubereitung, sie müssen über zwei Stunden im Ofen bleiben. Und durch den Mindestlohn und den Personalmangel steigen nun auch die Kosten für unsere Mitarbeiter“, führt Fehn-Madaus aus.
Der Tierbestand wurde durch die Vogelgrippe enorm dezimiert
Damit allein ist der rasante Preisanstieg für die Gans allerdings noch nicht zu erklären. Ein weiterer Grund ist die weiterhin grassierende Vogelgrippe. Heinrich Bußmann ist Sprecher beim Geflügelverband Nordrhein-Westfalen. Er erklärt: „Normalerweise verläuft die Vogelgrippe bei Tieren wie die Influenza bei Menschen. Es gibt starke Grippewellen im Winter, die im Sommer zum Erliegen kommen. Doch seit zwei Jahren ist das anders.“ Die Grippe sei in den letzten beiden Sommern vor allem in der Wildtierpopulation virulent geblieben. „Das haben wir so noch nicht erlebt.“
Von der Grippe seien Gänse besonders gefährdet: „Gänse brauchen viel Auslauf und deswegen erwischt sie die Influenza am ehesten.“ Der Tierbestand sei durch die Vogelgrippe in diesem Jahr enorm dezimiert worden. Im Frühjahr mussten Gänse in vielen Betrieben gekeult werden, „dadurch fehlen auch die Nachkommen.“ Und wo das Angebot begrenzt ist, da steigt der Preis.
Hinzu kommen die Nachwehen von Corona. „Gänseessen ist für viele Menschen etwas Traditionelles, bei dem die ganze Familie zusammenkommt. Und in den letzten Jahren konnte das oft nicht stattfinden“, sagt Buschmann. „Etliche Betriebe haben kaum Gänse verkauft.“ Deswegen wären sie dieses Jahr bei der Zucht zurückhaltender gewesen.
Gänse im Kölner Umland: „Wundert mich, dass die Nachfrage kaum sinkt“
Mareike Steffens kann vieles davon bestätigen. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie einen Geflügelhof in Bergisch Gladbach. Dort zieht sie vor allem Hühner, aber auch etwa 400 Gänse im Jahr auf. Auch sie erzählt von steigenden Energiepreisen, dem fehlenden Tierbestand und den Corona-Nachwehen. Bei Gänsen kommt noch etwas Weiteres hinzu: „Der Sommer war heiß und die Wiesen deshalb ausgetrocknet. So haben die Tiere draußen kaum grasen können“, sagt Steffens. Die Konsequenz: von der ohnehin schon teuren Nahrung musste noch mehr an Gänse verfüttert werden.
Damit die Aufzucht der Tiere nicht zum Verlustgeschäft wird, müsse der Preis zumindest zum Teil an die Kunden weitergegeben werden. Steffens beliefert ein Restaurant, ansonsten verkauft sie ihre Gänse auf Wochenmärkten und in ihrem Hofladen. Auf die gestiegenen Preise reagieren ihre Kunden bisher überraschend gelassen, wie sie sagt: „Es wird schon mal nach dem Preis gefragt. Es wundert mich aber ein bisschen, dass die Nachfrage kaum sinkt. Die meisten sagen, dass sie auf ihre Martins- oder auf die Weihnachtsgans nicht verzichten wollen.“
Gäste kommen trotzdem zum Gänseessen
Ähnlich sieht es im „Em Krützche“ aus. Dort wird schon seit dem 20. Oktober Gänsebraten serviert. „Bisher sind wir jede Woche ausgebucht“, sagt Betreiberin Fehn-Madaus. Zwar mussten auch sie die Preise anziehen, doch nicht der gesamte Preisanstieg gebe sie an die Gäste weiter. Trotzdem: „Allein für Ruhm und Ehre kann ich auch nicht arbeiten.“
Ihre Kunden zeigten Verständnis dafür: „Die Menschen kommen vielleicht nicht ganz so oft, aber einmal kommen sie auf jeden Fall zum Gänseessen vorbei.“
„Würden uns für bescheuert halten“
Ähnlich sieht es im „Frau Maher“ auf dem Ubierring aus. Auf seiner Webseite und den Speisekarten hat das Restaurant schon angekündigt, dass die Preise für den Gänsebraten dieses Jahr besonders hoch seien. „Bei den Einkaufspreisen sind wir ziemlich vom Hocker gefallen“, sagt Küchenchef Peter Haumann.
Biogänse hat der Küchenchef dieses Jahr erst gar nicht eingekauft, den zusätzlichen Aufschlag hätte dieses Jahr wohl niemand bezahlt, so die Kalkulation. Auch im „Frau Maher“ bemühe man sich, nicht die gesamte Preissteigerung auf die Gäste umzulegen. „Es ist ein Drahtseilakt. Wenn wir die Preissteigerung eins zu eins auf die Kunden umlegen würden, dann würden die uns für bescheuert halten.“ Gänsebrust mit Rotkohl und Kartoffelklößen kriegt man im „Frau Maher“ dieses Jahr für 37 Euro, letztes Jahr mussten seine Gäste nur 29 Euro bezahlen, sagt der Küchenchef.
Noch will Humann kein abschließendes Urteil darüber fällen, wie das Geschäft mit den teuren Gänsen läuft, dafür sei die Saison noch zu jung. Doch bisher sei auch bei ihm die Nachfrage zufriedenstellend. Trotz explodierender Preise scheint sich die Gänsekeule so schnell niemand nehmen lassen zu wollen.