Kölner Gastro hat kein Personal„So können wir nicht lange weitermachen“
Köln – 120 Plätze hat das „Tapeo & Co“ auf dem baumbestandenen Plätzchen an der Lindenstraße, und dazu noch einmal 50 im Innenraum. Es ist jede Menge zu tun, seit 17 Uhr ist geöffnet und die Tische füllen sich. Chef Shahin Tariverdi arbeitet zur Zeit mit beim Bedienen der Gäste. Auch seine Ehefau, die Rechtsanwältin ist, und die Tochter helfen aus. Denn Tariverdi hat nicht genug Personal. Etwa ein Drittel fehlt ihm.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die da sind, flitzen von einem Tisch zum anderen. Cocktails und Tapas-Tellerchen werden serviert. „Unser Personal wird sehr gelobt, die geben jeden Tag 100 Prozent.“ Aber das ginge nicht dauerhaft so weiter. „So können wir das nicht lange durchhalten, wenn zum Beispiel jemand dauerhaft krank wird, dann schaffen wir das nicht.“ Seit kurzem ist das Restaurants sonntags geschlossen, damit es wenigstens eine kleine Atempause gibt.
Studenten in Teststationen
Normalerweise helfen hier viele Studenten aus, doch die sind während des Lockdowns abgewandert, arbeiten nun in Supermärkten oder in Corona-Teststationen. Und vielen wurde die Lage in der Gastronomie auch einfach zu unsicher – sie fürchten den nächsten Lockdown. So hat Tariverdi auch drei Festangestellte verloren. Der junge Koch ging zurück in seine Heimat Portugal. „Auf Stellenangebote meldet sich zur Zeit niemand.“
Auch im „Brownies“ an der Ecke Hohenzollernring/ Maastrichter Straße hat der große Personalmangel Folgen. Statt wie bisher um 10 Uhr öffnet das Lokal erst um 15 Uhr. Das bedeutet Umsatzeinbußen. Und: „Das macht auch einen schlechten Eindruck. Als wäre uns das Geld ausgegangen“, sagt Inhaber Henry Schwabe. Dabei sei man dank der staatlichen Hilfen ganz gut durch die Krise gekommen – aber jetzt könne man mangels Mitarbeitern nicht wieder durchstarten, obwohl die Nachfrage bei den Gästen groß sei. Auch ihm fehlt etwa ein Drittel an Personal.
Festangestellte melden sich krank
Viele hätten sich – vermeintlich – sicherere Stellen gesucht oder räumten nun Regale ein. Zudem würden sich viele Festangestellte krank melden, weil sie nach dem langen Lockdown offenbar nicht mehr an die Belastungen gewöhnt seien. „Ich habe das Lokal seit elf Jahren und bin seit 30 Jahren in der Gastronomie, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“ All den Lokalen rund herum ginge es genauso. Niemand finde Mitarbeiter. In vielen Fenstern hängen Stellenangebote.
Auch im Restaurant „Riphahn“ an St. Aposteln mussten die Öffnungszeiten wegen des Personalmangels eingeschränkt werden. Statt um 10 Uhr wird jetzt erst um 12 Uhr geöffnet – es gibt kein Frühstück mehr. Und sonntags bleibt es erst einmal geschlossen, obwohl das ein wichtiger Tag für das Lokal ist. „Wir hatten einen Stamm von Aushilfen, aber die haben sich etwas anderes gesucht“, sagt Inhaber Thomas Tump. Viele seien zu Corona-Teststellen gegangen, ist seine Erfahrung. „Nach dem ersten Lockdown hatten wir ein Topteam zusammengestellt – doch die Leute sind leider wieder weg.“ Man suche fleißig nach Ersatz, aber der Markt sei leergefegt.
Die Erfahrungen der Gastronomen spiegeln sich in der Statistik. Die Kölner Gaststätten und die Hotels verloren laut den neuesten Zahlen der Arbeitsagentur innerhalb des vergangenen Jahres ungefähr 7400 Köche, Servicekräfte und Angestellte – das ist mehr als jeder fünfte Beschäftigte der Branche. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) befürchtet, dass sich durch den zweiten Lockdown bis in den Mai hinein der Personal-Schwund bis heute nochmals zugespitzt hat.
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War die Lage in der Gastronomie schon vor der Pandemie angespannt, so ist sie jetzt dramatisch. Dafür macht die Gewerkschaft vor allem die Einkommenseinbußen durch die Kurzarbeit verantwortlich: „Gastrobeschäftigte arbeiten sowieso meist zu geringen Löhnen. Wenn es dann nur noch das deutlich niedrigere Kurzarbeitergeld gibt, wissen viele nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.“ Nötig sei jetzt, die Branche durch Tarifverträge attraktiver zu machen.
Kommen Preiserhöhungen?
Doch die Kosten durch höhere Löhne müssten dann zwangsläufig irgendwann an die Gäste weitergegeben werden. Vor Preiserhöhungen scheuen viele aber zurück – jetzt, wo die Freude bei den Gästen über die neue Freiheit so groß ist. Shahin Tariverdi hätte im Moment ohnehin keine Zeit, neu zu kalkulieren und seine Karte umzuschreiben. Er muss weiter flitzen, denn sein Lokal ist mittlerweile voll.