Das Restaurant in Kerpen hat dieses Jahr seinen Stern verloren und bleibt dennoch eine Talentschmiede, findet unser Gastro-Kritiker.
Henns GeschmackssacheAuch ohne Stern – in Schloss Loersfeld wird weiter klassisch gekocht
Immer wenn ich die Treppenstufen empor zum Eingang zurücklege, denke ich: Kaum ein Restaurant im Rheinland fühlt sich so sehr nach Gourmet-Tempel an wie dieses Schloss aus dem 15. Jahrhundert. Von einem Wassergraben umgeben, inmitten eines großen Parks im englischen Landschaftsstil, ein Traum für Hochzeiten. Das hier untergebrachte Restaurant ist eine stilvoll eingerichtete Bank für Feinschmecker, im letzten Jahr fand ein Wechsel am Herd statt, in diesem Jahr verlor man den Michelin-Stern. Verloren (in den verdienten Ruhestand) hat man auch Restaurantleiter und Sommelier Ulrich Ternierßen, die gute Seele des Hauses.
Aber, das gleich zu Beginn, seine jungen Nachfolger Johannes Hudtwalker (Restaurantleiter) und Maximilian Scholz (Sommelier) erledigen ihre Aufgaben ausgesprochen souverän. Dadurch, dass beide ausgebildete Köche sind, kann man Speisen hier in bemerkenswerter Tiefe erklärt bekommen. Die – allerdings sehr hoch kalkulierten – Weine werden kundig erläutert und serviert.
Griechische Anklänge in einem ansonsten sehr klassisch-französischem Menü
Dass Chefkoch Giorgo Mimisa Halb-Albaner und Halb-Grieche ist, merkt man nur bei einigen Speisen. So beim – etwas zu weit gegarten - Ur-Lamm aus der Eifel unter einer Granola-Kruste mit Kräutern, bei dem die Sauce mit Berberitzen zubereitet wurde, und das von einem Moussaka-Türmchen und Tzaziki-Eis begleitet wird. Es ist der individuellste und ungewöhnlichste Gang in einem ansonsten sehr klassisch-französischen Menü.
So kommt der Saint Pierre mit Morcheln, Pommes Dauphine, einer Nussbutter-Velouté und sogar einem Klecks Kaviar und Froschschenkeln auf den Tisch. Ebenso traditionell die handwerklich souverän zubereitete Kaninchen-Terrine mit Dreierlei von der Möhre, dazu eine Cumberland Sauce, fein in Süße und Fruchtigkeit ausbalanciert. Mit der herrlich fetten „Happy Foie von der Ente“ wird ein Produkt eingesetzt, das beweist, wie gut ungestopfte Geflügelleber funktionieren kann. Auch hier bleibt Mimisa mit einer süßlichen Zwiebel-Tarte-Tatin, Pistaziencreme und einem mit Noilly Prat und Balsamico abgeschmeckten Jus sehr klassisch.
Stets eine sichere Hand bei der Wahl seiner Küchenchefs – und Küchenchefin – bewiesen
Bei allen Gerichten hat man den Eindruck, dass er noch ein wenig mit angezogener Handbremse kocht. Die Aromatik ist gediegen, um nicht zu sagen zurückhaltend, auch Säure- oder Schärfe-Akzente sind äußerst selten, ein eigener Stil noch nicht erkennbar. Doch selbst wenn aktuell noch nicht alles passt, hat Patron Thomas Bellefontaine seit 1990 stets eine sichere Hand bei der Wahl seiner Küchenchefs – und mit Julia Komp einer Küchenchefin – aus den eigenen Reihen bewiesen.
Chef Pâtissier Fatih Coglan agiert moderner, manchmal allerdings mit zu vielen Elementen, anstatt sich auf Killer-Kombinationen zu beschränken. Sein Dessert „Frühlingserwachen“ vereint Aprikose, Kirsche, Kiwi, Zitronenkuchen und wunderbar cremiges Petersilienwurzel-Kokos-Eis; eine weitere Nachspeise Marshmallow-Passionsfrucht-Eis, Chili, gegrillte Ananas, Fleur de Sel und eine Art Schokoladenpralinenmasse mit Olivenöl. Interessante Ansätze, aber nicht alles geht auf. Es wird spannend sein, die Entwicklung dieses zweifellos begabten Fine-Dining-Teams zu beobachten. Schloss Loersfeld – eine Talentschmiede.
Fazit: Traumhaftes Ambiente, tolle Service-Brigade, klassische Fine-Dining-GerichteBewertung: 4 von 6 Punkten
Schloss Loersfeld, 50171 Kerpen, Tel. 02273-57755 |Mi - Sa 12 - 14 & 19 - 21 Uhr | www.schlossloersfeld.de
Henns Auswahl
- Menü 94 € (3 Gänge), 114 € (4), 134 € (5), 154 € (6)
- Loersfelder Lunch 57 € (2 Gänge), 70 € (3) – nur Mi - Fr
- Kaninchen-Terrine 29 €
- Lammrücken 52 €
- Dessert „Frühlingserwachen“ 24 €