Tipps zum Fahrradfahren übenSo lernen Kinder richtig Radfahren
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Es ist dieser unwiderstehliche Augenblick, der schon viele Generationen von Kindern bei den ersten Fahrversuchen zu Fall gebracht hat. Man muss es einfach wissen: Hält die sichernde Hand auch noch am Gepäckträger des Fahrrads fest?
Ausgerechnet in dem Moment, in dem sich das Kind umdreht und realisiert, dass es eigentlich schon lange gefahren ist – ganz alleine! – verreißt es das Lenkrad und fällt hin.
Gepäckträger-Methode
Die Gepäckträger-Methode ist trotzdem nie aus der Mode gekommen, Stürze gehören zum Radfahren lernen wie das Wasserschlucken zum Schwimmen lernen. Ansonsten ist heute aber vieles anders als damals. Zum Beispiel steigen Kinder viel früher auf das erste richtige Fahrrad und überspringen einfach die Stützradphase – wenn sie zunächst ein Laufrad haben. „Auf dem Laufrad lernen die Kinder bereits, die Balance zu halten und das Fahren mit dem Lenker zu koordinieren“, erklärt Isabelle Klarenaar, Geschäftsführerin beim nordrhein-westfälischen Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Und sind damit eigentlich schon einen Schritt weiter als Kinder, die mit Stützrädern fahren: „Mit Stützrädern können sich die Kinder auf dem Sattel ausruhen und den Lenker auch mal loslassen, ohne dass sie direkt hinfallen.“ Sicher im Sattel zu sitzen heißt jedoch noch nicht, dass ein Kind sich auch sicher im Straßenverkehr bewegen kann.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit dem Radfahren zu beginnen?
„Wenn das Kind auf dem Laufrad die Füße hoch nimmt und sich einfach gleiten lässt, merkt man, dass es das Gleichgewicht gut halten kann“, sagt Isabelle Klarenaar vom ADFC. Jetzt ist die Zeit gekommen, um auf das Fahrrad umzusteigen – wenn das Kind das auch möchte.
Wie lernen Kinder am besten?
Die Expertin rät, beim Fahrrad zunächst die Pedalen abzunehmen, aus ihm also ein großes Laufrad zu machen. „Dann gewöhnt sich das Kind an die neue Sitzposition und kann sich mit der Bremse vertraut machen.“ Und hat gleichzeitig das Gefühl, mit den Füßen sicher auf dem Boden zu stehen. Wenn das gut klappt, kommen die Pedalen wieder dran. Ansonsten ist die altbewährte Methode immer noch die richtige: am Gepäckträger festzuhalten, bis das Kind eigenständig fährt, dann ohne Ankündigung loslassen. Und das Kind daran erinnern, immer nach vorne zu schauen.
Worauf muss ich beim Fahrradkauf achten?
„Das teuerste Rad bringt nichts, wenn es nicht passt“, sagt Klarenaar. Vor allem zu groß darf ein Rad nicht sein. Das Kind muss auch sitzend immer gut mit beiden Füßen auf den Boden kommen können, sonst wird es nicht sicher fahren. Als Richtlinie gilt auch, dass die Breite des Lenkers sich an der Breite der Schultern orientieren sollte. Nie sollten Eltern ein Rad kaufen mit dem Gedanken: Da wächst das Kind noch rein. „Wenn man das Gefühl hat, das Kind hat eine Zwischengröße, sollte man lieber ein kleineres Fahrrad gebraucht kaufen und dann später ein größeres“, rät die Expertin vom ADFC. „Probefahren ist das A und O. Am besten geht man zu einem kleinen Händler, der viel Zeit hat, und lässt sich ausführlich beraten.“
Uwe-Jan Spielmann von der Fahrradwerkstatt „Piratenrad“ in Ehrenfeld rät zu auffälligen Accessoires wie einer Fahne am Gepäckträger, damit die Kinder gut zu sehen sind. Nach dem Kauf sei auch die richtige Einstellung des Rades wichtig: „Zum Beispiel muss der Abstand von Bremshebel zum Griff richtig auf die Hand des Kind eingestellt sein“, sagt er. „Das Kind muss mit den Fingern komplett um den Hebel fassen können, um auch richtig zudrücken zu können.“ Unverzichtbar ist ein Helm, der auch ohne Riemen fest sitzt. Ab Herbst sind helle Kleider und Reflektoren angezeigt.
Wo ist der richtige Ort zum Fahren lernen?
In Parks oder auf Parkplätzen vorm Einkaufszentrum an einem Sonntagnachmittag sind gut geeignet, weil es ebene Flächen ohne Hindernisse und Straßenverkehr sind. Die Eltern können auch einen Parcours bauen: „Damit die Kinder Sicherheit gewinnen, kann man eine kleine Slalomstrecke anlegen“, sagt Isabelle Klarenaar. „Oder man zeichnet mit Kreide einen weißen Strich auf den Boden, bis zu dem die Kinder gebremst haben müssen. So lernen sie, den Bremsweg einzuschätzen.“
Was, wenn das Kind nach einem Sturz nicht mehr aufs Rad steigen möchte?
„Da gibt es zwei verschiedene Erziehungsstile“, sagt Klarenaar. „Die einen sagen: so schnell wie möglich wieder aufs Rad. Ich meine: Wenn das Kind Angst hat und nicht fahren möchte, dann sollte man das so hinnehmen, auch wenn es Wochen dauert, bis das Kind wieder aufs Rad steigt.“ Schließlich soll Radfahren nicht zum Stressfaktor werden, sondern Spaß machen.
Wie übt man mit Kindern die Verkehrsregeln?
„Am besten ist es, den Kindern die wichtigsten Verkehrsregeln zu zeigen, wenn man gemeinsam mit dem Rad unterwegs ist“, sagt die ADFC-Expertin. Die Rechts-vor-links-Regel, Ampel und Stopp-Schild sind die wichtigsten, alles andere darf erst einmal außen vor gelassen werden. Zu viele Regeln und Schilder auf einmal verwirren. „Erst einmal sollte man an jeder Kreuzung anhalten und links, rechts und links schauen, auch wenn man Vorfahrt hat“, rät Klarenaar. Es sei wichtig, Kinder darauf aufmerksam zu machen, dass auch andere Fehler machen können und dass man als Radfahrer immer der Schwächere ist. Deshalb: „Immer Blickkontakt zum Autofahrer herstellen und sichergehen, dass er mich gesehen hat. Eine grüne Ampel heißt nicht, dass mir nichts passiert.“
Ab wann darf ich mit dem Kind in den Straßenverkehr?
Sobald man das Gefühl hat, dass das Kind sicher fährt. Bis zum achten Lebensjahr muss es auf dem Bürgersteig fahren. Der Erwachsene fährt auf der Straße nebenher. Am Anfang sind die Kinder so sehr auf das Fahren konzentriert, dass der Verkehr schnell aus dem Blick gerät. Eltern sollten deshalb immer darauf achten, dass sie das Kind im Blick haben – also nicht voran fahren. Klarenaar rät, dem Kind übungsweise die Verantwortung zu überlassen und zu sagen: „Führ du mich und sage mir, was ich tun muss.“