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KStA Green FilmabendAutor Schätzing fordert Einsatz für Klimaschutz: „Nicht warten, sondern machen!“

Lesezeit 4 Minuten
Frank Schätzing, Christiane Martin (Grüne) und Karsten Hirsch (Plastic Fischer, von rechts) diskutieren beim KStA Green Filmabend im Kölner Rheinauhafen mit Sarah Brasack, stellvertretende Chefredakteurin des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Frank Schätzing, Christiane Martin (Grüne) und Karsten Hirsch (Plastic Fischer, von rechts) diskutieren beim KStA Green Filmabend im Kölner Rheinauhafen mit Sarah Brasack, stellvertretende Chefredakteurin des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Beim KStA Green Filmabend im Kölner Rheinauhafen ging der Vorführung der französischen Doku „Tomorrow“ eine Diskussionsrunde unter anderem mit Frank Schätzing voraus.

Herbert Grönemeyer hat es schon lange gewusst: „Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht“, singt er mit den „Fantastischen Vier“ in deren Hit „Einfach sein“ von 2007. Von der Klimarettung ist da nicht die Rede. Aber der Kölner Bestseller-Autor Frank Schätzing nimmt das Motiv auf: Alle Lösungen für das drängendste Problem der Menschheit lägen vor, die Techniken seien verfügbar – „das Geheimnis liegt darin, was zu machen“, sagte der Verfasser des Buchs „Was, wenn wir einfach die Welt retten“ in einer Podiumsrunde beim „KStA Green Filmabend“ im Rheinauhafen vor Beginn der preisgekrönten französischen Doku „Tomorrow - Die Welt ist voller Lösungen“ über Ideen und Initiativen zum Natur- und Klimaschutz.

Doch wie so oft, klagte Schätzing, gebe es ein Umsetzungs- und ein Akzeptanzproblem. Wenn die Menschen an den Klimaschutz dächten, kämen sich die meisten vor wie in einer „Mission impossible“, nur eben ohne einen Tom Cruise alias Ethan Hunt, den Superhelden aus den gleichnamigen Hollywood-Filmen. Ein verbreitetes Ohnmachtsgefühl rühre aus dem Eindruck, „die Systeme lassen uns nicht mitmachen“. Deshalb brauche es für effektiven Klimaschutz die Abkehr von „vertikalen Systemen“, bei denen Vorgaben von oben nach unten durchgereicht würden und am Ende oft durchfielen, hin zu „horizontalen Systemen“ mit einer Selbstermächtigung der Einzelnen: „Jeder kann alles schon tun. Deshalb: nicht warten, sondern machen!“

KStA Green Filmabend im Kölner Rheinauhafen mit der französischen Umwelt-Doku „Tomorrow - Die Welt ist voller Lösungen“

KStA Green Filmabend im Kölner Rheinauhafen mit der französischen Umwelt-Doku „Tomorrow - Die Welt ist voller Lösungen“

Moderatorin Sarah Brasack, stellvertretende Chefredakteurin des „Kölner Stadt-Anzeiger“, witterte bei solchen Sätzen zurecht einen „Knoten im Ohr“ ihres Gasts aus der Kölner Lokalpolitik: Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen im Rat der Stadt, hielt Schätzing „Science Fiction“ und anarchische Fantasien vor, was dieser prompt bestritt. Er rufe dazu auf, Lethargien zu durchbrechen, nicht Gesetze.

Das ließ die Grünen-Politikerin gelten. Aber es gebe nun einmal Hierarchien und politische Zwänge – allen voran die Notwendigkeit eines demokratischen Rückhalts für politische Beschlüsse. So fürchte sie, es gebe in Deutschland keine Mehrheit für eine konsequente Verkehrs- oder Energiewende. „Nichtsdestotrotz mache ich weiter“, versicherte sie und räumte ein, dass es dem Kölner Regierungsbündnis nicht gut gelungen sei, seine Pläne etwa in der Verkehrspolitik erfolgreich zu vermitteln: „Die Leute wollen ein Bild haben. Und Akzeptanz erreiche ich nur, indem ich kommuniziere.“

Ein Dreivierteljahr erfolgloses Bemühen um die erste Solaranlage

Selbst gefrustet zeigte sich Martin im Blick auf die Schwerfälligkeit, Schätzings „Einfach machen“-Philosophie in die Praxis umzusetzen. Ein Dreivierteljahr dauerten nun schon die Bemühungen, eine erste Kölner Schule mit einem Solardach auszustatten – und noch immer seien die Paneele nicht installiert: der Hausmeister krank, Bedenken des TÜV, überlastete Handwerker… Martin dazu: „So werden wir das niemals schaffen.“

In ihrer Klimaneutralitäts-Strategie habe die Stadt auf 600 aufgeschrieben, was in Köln passieren könne und müsse, sagte Martin und trat Schätzings Kritik entgegen, Köln komme – anders als Städte wie Kopenhagen, Stockholm oder Oslo – beim Klimaschutz „noch nicht mal bis zur Idee“. Das stimme eben nicht, sagte Martin und pries einen umfangreichen Kölner Werkzeugkasten. „Urban Gardening haben auch nicht Sie erfunden, Herr Schätzing“, sagte Martin, was ihr Gegenüber umgehend mit der Frage parierte: „Und was von Ihren 600 Seiten ist umgesetzt?“

Größter Zuwachs an Solaranlagen deutschlandweit

In einigen Bereichen sieht Martin Köln durchaus auf Erfolgskurs zur Klimaneutralität bis 2035: Die Stadt könne – dank der Anstrengungen großer Firmen wie Ford oder der Rheinenergie – den größten Zuwachs an Solaranlagen deutschlandweit für sich verbuchen. Auch das Rheinergiestadion werde bald eine bekommen.

Aus dem Bermuda-Dreieck von Schätzings Forderungen nach mehr Tempo, Martins Einblicken in real existierende Hindernisse und dem gemeinsamen Bekenntnis zur Bedeutung der Aufgabe tauchte Karsten Hirsch als Naturschutz-Praktiker auf. Der Co-Gründer des Kölner Start-ups „Plastic Fischer“ berichtete, wie aus seinem Unbehagen als Vietnam-Urlauber beim Anblick des völlig verschmutzten Mekong-Flusses ein Unternehmen wurde, das inzwischen mit Hilfe selbst entwickelter Sperren fast eine Million Kilo Müll aus Flüssen in vier Ländern geholt hat – Müll, der nicht mehr in die Meere weitertransportiert wird und zu deren Verseuchung beiträgt.

Mit einem – von der Stadt Köln genehmigten – „Pilotversuch“ im Strundener Bach habe alles begonnen, erzählte Hirsch. Heute beschäftigen die „Plastic Fischer“ 90 Menschen in Vollzeit-Jobs und werden zum Beispiel von der indonesischen Armee in ihrer Arbeit unterstützt. „Wir sind sechs Monate lang jeden Tag aufgekreuzt und haben selbst angepackt. Das hat uns glaubwürdig gemacht. Und: Was wir erreichen, ist messbar – nichts Schwammiges, keine bloßen Versprechungen.“ Nicht nur dafür gab's viel Applaus der rund 500 Besucherinnen und Besucher.

Größte Schwierigkeit laut Hirsch bei Projekten wie seinem: Es muss immer jemanden geben, der das Geld gibt. Das stimmt im Großen wie im Kleinen. Mit acht Millionen Euro hat die Stadt Köln 2022 Privatleute beim Bau von Solaranlagen gefördert, erinnerte Christiane Martin in der Runde, was Hirsch aus seiner Erfahrung mit der Erkenntnis quittierte: „Der beste Anreiz ist immer das Geld.“

Davon ist übrigens bei Grönemeyer und den „Fanta vier“ in „Einfach sein“ auch die Rede. „Wir wollen eine Formel für ewigen Reichtum, kriegen wir aber nicht“, heißt es da.