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Arbeitsplätze sind sicherSchoeller investiert dreistelligen Millionenbetrag in Hellenthal

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Die Visualisierung zeigt, wie einige der Produktionshallen der Firma Schoeller künftig aussehen sollen.

Eine neue Optik und Fotovoltaik-Anlagen auf dem Dach sollen die Schoeller-Hallen des Werks II erhalten.

Die Optimierung der Produktion und Maßnahmen zur Klimaneutralität stehen in den kommenden Jahren im Schoeller Werk Hellenthal an.

Die Erträge und die Arbeitsplätze sichern sowie kräftig investieren: Bei Schoeller in Hellenthal soll sich viel tun. Die Geschäftsführer Frank Poschen und Alexander Mertens stellen die Pläne für die kommenden zehn Jahre vor, die mit Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe realisiert werden sollen.

Ein Zehn-Jahres-Plan? Was sich ein wenig nach sozialistischer Planwirtschaft anhört, ist tatsächlich ein flexibles Modell, das in Blöcken strukturiert ist, die je nach Lage vorgezogen oder nach hinten geschoben werden können. Mit Blick auf die vergangenen drei Jahre mit Corona, Flut und Krieg kann schließlich keiner vorhersagen, wie sich die Dinge entwickeln. Vorbei scheint jedenfalls die Zeit, als Sozialpläne erstellt und 100 Mitarbeitern gekündigt wurde (2020). Bereits im Frühjahr 2022 hatte die Nachricht, dass ein Teil der Produktion nicht wie vorgesehen zur Schoeller Feinrohr nach Thüringen verlagert wird und in Hellenthal keine weiteren 180 Arbeitsplätze abgebaut werden, in der Eifel für große Erleichterung gesorgt.

Das Ende des Stückwerks in den zahlreichen Einheiten Hellenthal

Der Anlagenpark ist veraltet und teils Stückwerk. Bei den Hallen sieht es teils nicht viel besser aus. Mertens beschreibt, wie die Probleme und die Zerklüftung gelöst werden sollen: Durch eine Fokussierung aufs Werk II in den einstigen Mannesmann-Hallen, die die größte zusammenhängende Fläche des Unternehmens bilden. Dort sollen vor allem das Laserschweißen sowie der Gerad- und Ringrohrzug zusammengeführt werden. Dadurch verringern sich die aufwendigen Materialtransporte quer durch Hellenthal.

Die Pläne für den Schoeller-Standort Hellenthal stellten die Geschäftsführer Frank Poschen (r.) und Alexander Mertens vor.

Die Pläne, wie sich der Schoeller-Standort Hellenthal bis 2027 und 2033 entwickeln soll, stellten die Geschäftsführer Frank Poschen (r.) und Alexander Mertens vor.

Während sich in diesem Jahr vor allem in den Hallen durch Verlagerung und Modernisierung der Maschinen einiges tun wird, geht es nach Mertens Einschätzung ab 2024 an die baulichen Maßnahmen. Etwa im Bereich gegenüber der Tankstelle wird ein Erweiterungsbau entstehen. Photovoltaik auf dem Dach, die Erneuerung der Fassaden und der Dämmung gehören ebenfalls zu dem Komplex, der bis 2027 – dann feiert Schoeller 200-jähriges Bestehen – abgeschlossen sein soll.

Die Konsequenzen für andere Werkhallen von Schoeller

Auswirkungen hat dies vor allem für das Werk I im Kirschseiffen. Die ältesten Schoeller-Gebäude sind laut Poschen in keinem guten Zustand. Die meisten werden nicht aufwendig saniert, langfristig ist die Stilllegung zweier Hallen auf der Agenda.

Fest steht für Poschen und Mertens, dass keinesfalls alle „Satelliten“ aufgelöst werden können. Zudem stehen Flächen in Kröpsch Mühlenbenden für denkbare – aber noch nicht geplante – Neubauten zur Verfügung.

Der Weg des Unternehmens zur Klimaneutralität

Innerhalb der kommenden zehn Jahre soll das Unternehmen mit der energieintensiven Produktion von Edelstahlrohren klimaneutral werden – ein durchaus ambitioniertes Ziel. Drei Punkte sind dafür als entscheidende Stellschrauben ausgemacht: Strom, Gas – vor allem die Produktionsgase – und Abwärme.

Strom soll durch Photovoltaikanlagen weitgehend selbst produziert werden. Jedoch müssen dafür zunächst die Hallendächer saniert werden. Auch die drei bis vier Tanklaster, die täglich den zur Produktion benötigten Wasserstoff nach Hellenthal bringen, sollen nach Poschens Vorstellung aus dem Straßenbild im Schleidener Tal verschwinden – weil man den Wasserstoff ebenfalls selbst produzieren möchte. Zudem soll die in der Produktion entstehende Abwärme wirksam genutzt werden.

Die Projekte zur CO2-Neutralität hat Schoeller sich nicht nur auf die Fahne geschrieben, weil die Kunden verstärkt danach fragen. Poschen sieht das Unternehmen in einer gesellschaftlichen Verantwortung – besonders in der Region: „Wir sind im Nationalpark. Da sollten wir mit gutem Beispiel vorangehen.“

Das neue Eingangstor soll deutlich einladender sein

Zugegeben, sehr einladend sieht der Eingangsbereich für Besucher des Schoeller-Werks nicht gerade aus. Doch auch das soll sich ändern, wenn dies auch keine Top-Priorität hat. „Wir müssen uns ein bisschen Speck anfressen, um den entsprechenden finanziellen Spielraum zu haben“, beschreibt Poschen die Ausgangssituation für diesen noch nicht final geplanten Bereich. Entstehen soll ein Empfangsbereich samt Kundenzentrum. Zudem könnte die Mitarbeiter-Kantine, mit deren aktueller räumlicher Situation man nicht wirklich zufrieden ist, einziehen. Ebenso das Technikum mit der Mess- und Prüftechnik.

Schoeller will sich mit Premium-Produkten durchsetzen

Mit Premium-Produkten will Schoeller sich vom Markt differenzieren. Auch wenn man bei Schoeller weiterhin auf den Verbrenner sowie Wasserstofftechnik in der Automobilbranche hofft, weiß niemand, wo in diesem Bereich die Reise hingeht. Die hohe Abhängigkeit von der Automobilindustrie ist daher in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt worden. Laut Poschen macht die nur noch 40 Prozent der Produktion aus. Als interessante Märkte, in denen Schoeller gut Fuß gefasst habe, bezeichnet er die Bereiche Wärmetauscher, Heiz-, Kälte- und Klimatechnik sowie erneuerbare Energien.

Von Entlassungen ist in Hellenthal nicht die Rede

Schoeller ist laut Poschen schon immer „sehr europalastig“ gewesen: „Wir nehmen aber eine De-Globalisierung wahr und glauben, dass sie sich fortsetzen wird.“ Dass mit Beginn des Krieges und der Sanktionen gegen Russland zwei laut Poschen tolle russische Projekte für einen deutschen Hersteller zum Bau von Gasverflüssigungsanlagen abgesagt wurden, schlägt nicht gravierend ins Kontor.

Von Entlassungen ist bei Schoeller nicht mehr die Rede. Im Gegenteil: Fachkräfte werden gesucht. Und sollten durch die effizienteren Produktionsabläufe Stellen wegfallen, geschieht ist das über die Fluktuation: Alleine in den nächsten fünf, sechs Jahren steht für rund 80 Mitarbeiter der Ruhestand an, bis 2035 sind es noch mehr. Insgesamt sieht Poschen Schoeller sehr gut aufgestellt. Denn: „Edelstahlrohre? Das können wir!“


Das Unternehmen in Hellenthal

Die Anfänge des Schoeller-Werks liegen Jahrhunderte zurück: Auf der Homepage stellt das Unternehmen dar, dass Mitglieder der Familie Schoeller beträchtliche Anteile an den Hütten im Schleidener Tal hatten und bis ins 18. Jahrhundert Reitmeister in Schleiden und Gemünd waren. 1550 erwarb Joris Schoeller demnach erste Anteile an einem herzoglichen Eisenwerk in Gemünd.

Das Schoeller-Werk II ist in den einstigen Mannesmann-Hallen.

Das Werk II, den einstigen Mannesmann-Hallen, bieten die größte zusammenhängende Produktionsfläche der 21 Werkteile.

Auf 1827 ist die Gründung des Standorts in Hellenthal datiert: Die Schoellerschen Eisenhütten von Wilhelm Arnold Schoeller legten den Grundstein. Mehrere Meilensteine stellt das Werk dar: 1863 ist Schoeller demnach Vorreiter mit einer der ersten automatischen Nagelmaschinen, gefertigt wurden Drahtgeflechte und Nieten. 1932 folgte die erste feinmechanische Fabrikation von Kathoden für Radioröhren und Kanülen. 1959 wurde das WIG-Schweißverfahren eingeführt, 1991 die Laser-Schweißtechnik.

Heute verlassen mehr als 80 Millionen Meter Edelstahlrohre jährlich das Hellenthaler Werk, der Umsatz liegt bei rund 250 Millionen Euro. Etwa 800 Mitarbeiter arbeiten in 21 Betriebsteilen, die sich quer durch Hellenthal erstrecken. (rha)