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Abi-Klausuren in KölnSchlaue Handys, kurze Röcke, strenge Kontrollen

Lesezeit 4 Minuten

Die Aufgaben sind heutzutage so gestellt, dass die Schüler in den Abitur-Klausuren gar keine Zeit zum Spicken haben.

Köln – Jeden Tag um zwölf Uhr setzen sich am Montessori-Gymnasium in Bickendorf drei Lehrer an ihre Rechner. Sie stellen eine Verbindung zum Server des Schulministeriums her und laden die Abituraufgaben für den nächsten Tag auf einen Stick. Anschließend wechseln sie an einen Computer ohne Internetverbindung, erst dann geben sie den zwanzigstelligen Code zur Entschlüsselung der Dateien ein. „Dass jemand genau in diesem Augenblick versucht, unsere Rechner von außen zu hacken, ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, aber man weiß ja nie“, sagt Schulleiter Herbert Kalter. In ähnlicher Form findet die Prozedur derzeit an allen Kölner Gymnasien und Gesamtschulen statt, die Sicherheitsmaßnahmen, die dabei beachten werden müssen, sind enorm. Nach der Entschlüsselung werden die Aufgaben vervielfältigt, jedes ausgedruckte Blatt wird gezählt. Dann verschwinden die versiegelten Unterlagen bis zum nächsten Morgen in einem Stahlschrank. „Wir müssen akribisch darauf achten, dass kein Blatt in Umlauf gerät. Bei der heutigen Vernetzung der Schüler wüssten sofort alle Bescheid.“

Vorbereitung per Whats-App

Schuldirektor Kalter spricht aus Erfahrung. Vor einigen Jahren war es einer Schülerin vor einer Leistungskurs-Klausur in Biologie gelungen, mit ihrem Handy Fotos von den Aufgaben zu machen. Eine Lehrkraft hatte die Mappe, versteckt unter anderen Unterlagen, auf dem Pult liegen gelassen und den Raum kurz verlassen. „Rund 20 Schüler des Kurses haben sofort eine Whatsapp-Gruppe gebildet und waren dadurch bestens vorbereitet.“ Der Täuschungsversuch flog dennoch auf, weil die Schüler die vorgegebenen Modell-Lösungen teilweise wörtlich übernahmen. Eine andere Schülerin versuchte, in einer Vorabi-Klausur Informationen aus einem Handy zu ziehen, das sie in ihrem Strumpf versteckt hatte. „Die Schülerin hatte einen sehr kurzen Rock an, so dass sich der Lehrer, der Verdacht geschöpft hatte, nicht so recht herantraute“, so Kalter. Er habe dann eine Kollegin zu Hilfe gerufen.

Nur Stift, Getränke und Essen

Während in der Oberstufe schon mal gepfuscht werde, spiele das Thema in den Abiturprüfungen aber keine Rolle, ist sich Kalter mit Rektoren anderer Schulen einig. „Bei uns ist das in den vergangenen zehn Jahren nicht vorgekommen“, sagt etwa Schulleiterin Anni Schulz-Krause vom Schiller-Gymnasium in Sülz. Ähnlich sieht es auch Harald Junge vom Humboldt-Gymnasium – mit einer kleinen Einschränkung: „Na ja, vielleicht lachen jetzt einige Schüler, wenn sie das lesen.“ Zu streng sind die Sicherheitsvorkehrungen, zu hoch die Risiken, und die Schulen tun alles in ihrer Macht Stehende, damit dies auch so bleibt. Klausurpapier, inklusive der ausgegebenen Schmierblätter, ist gestempelt und wird sowohl bei der Ausgabe als auch beim Einsammeln durchgezählt. Handys werden eingesammelt, Jacken und Taschen müssen an einem gesonderten Ort deponiert werden. Zugelassen sind nur ein Stift, Getränke und etwas zum Essen. Auf den Fluren vor den Toiletten stehen Aufsichten, jedes Verlassen des Prüfungsraums wird mit Uhrzeit und Dauer protokolliert. „Die Aufgaben sind heutzutage auch so gestellt, dass die Schüler gar keine Zeit zum Spicken haben. Die müssen die ganze Zeit schreiben, um fertig zu werden“, sagt Junge.

Schummeln per Smartwatch

Nichtsdestotrotz wimmelt es im Internet von Spick-Tipps – und Inhalt und Zahl der Kommentare unter den Beiträgen lassen darauf schließen, dass gepfuscht wird wie eh und je. Auf einschlägigen Webportalen gibt es Video-Anleitungen, wie man etwa mit Hilfe von Scanner, Photoshop-Programm und Drucker Etiketten von Getränkeflaschen imitiert und die Liste der Inhaltsstoffe durch Prüfungsstoff ersetzt. Neuester Trend: das Schummeln mit der Smartwatch. Auf den internetfähigen Uhren können Fotos, etwa von einfachen Spickzetteln, gespeichert und während der Prüfung abgerufen werden. Im Adressbuch lassen sich Formeln oder Schlüsselbegriffe unterbringen. Mittels Bluetooth können die Uhren zudem Verbindung zum Smartphone aufnehmen. Einige Universitäten in den Niederlanden und England haben das Tragen von Smartwatches während Klausuren mittlerweile verboten. Nach dem Täuschungsversuch eines Studenten in Passau Anfang des Jahres zogen auch einige deutsche Unis nach.

An den Schulen ist das Problem dagegen bislang noch nicht aufgetreten. „Ich kenne keinen Schüler, der eine solche Uhr besitzt“, sagt Anni Schulz-Krause. Für die Zukunft müsse man das Thema allerdings wohl auf dem Schirm haben. „Vielleicht müssen wir uns schon im kommenden Jahr damit auseinandersetzen.“