Als wären sie ProdukteWie Männer in Freierforen über Sexarbeiterinnen reden

Copyright: picture alliance / Oliver Berg/d
- Für unsere Serie „Köln im Rotlicht“ sind unsere Reporter in die Rotlicht-Szene eingetaucht, haben mit Prostituierten, Freiern, Zuhältern und Bordellchefs gesprochen.
- Folge 13: In Freierforen urteilen Männer über ihre Erfahrungen mit Sexarbeiterinnen. Die Einträge lesen sich wie Produkt-Bewertungen.
- Die Bewertungen der Freier zeigen deutlich, dass für Menschenwürde in diesen Foren wenig Platz ist.
Köln – Oberweite: D – Natur, Preis pro Stunde: 130 Euro, Treffpunkt: Terminwohnung, Ambiente: Ordentlich, Tattoos: Ja, Piercings: Nein, Intimbereich: komplett rasiert, Empfehlungsfaktor: 70 Prozent, Wiederholungsfaktor: 8 von 10. Die Bewertungen von „Sexy geile Mandy“ lesen sich wie ein Autoquartett. Dazu liefern Dutzende Kunden im Freierforum „Erfahrungsberichte“. -> Hier: Alle 20 Folgen der Serie „Köln im Rotlicht“ im Überblick!
„Mandy hat alle Vereinbarungen vorbildlich eingehalten und es war insgesamt eine schöne Stunde, die ich bei nächster Gelegenheit gern wiederholen werde (Faktor etwa 80%)“, schreibt „Lady-Lover“. „Merowi“ ist anderer Meinung: Mandy habe „pampig und mit einer kleinen Schimpftirade“ auf seine Wünsche reagiert. „LLCool“ trägt bei: „Ist aktuell mit Ihrer Freundin Sissy dort am werkeln. Ist jetzt nicht das Mitgehwunder, aber ist sehr nett und optisch gut anzuschauen.“
In den Freierforen im Internet erscheinen alle paar Minuten neue Beiträge. Ein Kunde namens „Sexphilosoph“ schreibt Kurzgeschichten, die als mieser Groschenroman eine Chance hätten, die meisten Beiträge sind auch dann menschenverachtend, wenn sie nur als Service für andere Freier dienen sollen: „Hopphopp“, der in fünf Jahren 86 Beiträge verfasst hat, schreibt in geschmacklosen Details über eine Prostituierte vom Robinienweg. „Wer ist das?“, fragt „Masterpiece“ daraufhin nur Minuten später neugierig.
Als sich offenbar eine Sexarbeiterin in den Chat einmischt und sich beschwert, als „Frischfleisch degradiert und beleidigt zu werden“, schreibt „Big Dick“ zurück: „Sinn und Zweck dieser Seite ist es, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Wenn es „Schnucke500“ nicht gefällt, dann soll Sie doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Das wäre so, als würde sich ein Autohersteller beschweren, wenn sein Auto bewertet wird.“
Für Menschenwürde ist in Freierforen wenig Platz. Loggt man sich ein und fragt in der Kategorie „Clubs und Wohnungen“, ob die Frauen in einem bestimmten Club einen Zuhälter hätten, da einem wichtig sei, dass sie freiwillig arbeiten, kommt wenig später zurück: „Was willst Du? Bist Du von der Sitte?“
Kritisch sehen die Foren sogar viele Menschen, die im Gewerbe arbeiten. „Um die Frauen besser zu schützen, müsste man die Foren zumachen“, sagt Heinz*, der ein Appartementhaus mit Sexarbeiterinnen („Ich achte darauf, dass die Frauen keinen Zuhälter haben“) im Rechtsrheinischen betreibt. „Im Internet wird so viel Müll geschrieben. Ich weiß das von den Mädchen: Wenn du auf gewissen Forenseiten eine schlechte Bewertung hast, weil der Freier sauer war, dann schmeißt die den raus und der schreibt nur Müll über die. Ich lese das gar nicht mehr, ich rege mich da nur auf.“
Glossar
Agisra
Die „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung“ in Köln ist seit 1993 eine Beratungs- und Informationsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen. Agisra unterstützt zum Beispiel Frauen, die von Gewalt, Sexismus oder Rassismus betroffen sind, die Sozialarbeiterinnen reden mit Frauen auf dem Straßenstrich, am Eigelstein und in Bordellen. Der Verein sitzt in der Bolzengasse in der Altstadt, Telefon 0221/124019.
Escort
Begleit-Agenturen oder Escort-Agenturen vermitteln Frauen, seltener auch Männer, gegen Honorar für eine vereinbarte Zeit. Die Agenturen dienen als Dienstleister und kassieren eine Provision von den Frauen, die oft zwischen 25 und 35 Prozent liegt. Die Preise für die meistens auch sexuellen Dienstleistungen schwanken, liegen aber nur selten unter 200 Euro pro Stunde und 1500 Euro pro Tag. Viele ihrer Mitarbeiterinnen seien Studentinnen, berichtet eine Kölner Agentur-Chefin. Eine vom Studienkolleg zu Berlin veröffentlichte Umfrage ergab, dass 3,7 Prozent aller Berliner Studierenden als Sexarbeiter im weiteren Sinne tätig sei. Verbände und Behörden gehen davon aus, dass der Großteil der im Escort-Bereich tätigen Frauen freiwillig dort arbeitet.
Hurenpass
Im Juli 2017 ist bundesweit das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten. Seitdem müssen Prostituierte einen speziellen Ausweis bei sich tragen, den so genannten Hurenpass. Diese Anmeldebescheinigung, die regelmäßig verlängert werden muss, ist mit Namen, Meldeadresse und einem Foto versehen. Viele Sexarbeiterinnen weigern sich, ihre Anonymität aufzugeben und den Pass zu beantragen – sie fürchten unter anderem Repressionen in ihren Heimatstaaten, in denen Prostitution unter Strafe steht.
Laufhaus
In einem meist mehrstöckigen Laufhaus mieten Prostituierte Zimmer an. Wenn sie auf Freier warten, stehen ihre Türen offen. Der Kunde streift durch die Flure und kommt mit den Frauen ins Gespräch, die vor oder in ihren Zimmern sitzen. Welche Leistungen sie anbieten und welche Preise sie dafür verlangen, bestimmen die Frauen selbst, nicht der Laufhaus-Betreiber. Er kassiert von ihnen nur die tägliche oder monatliche Miete. Der Eintritt in ein Laufhaus ist meistens frei. Wie viele der Frauen tatsächlich selbstbestimmt arbeiten und wie viele ihre Einnahmen an einen Zuhälter abtreten müssen, ist unklar.
Loverboys
Zuhälter, die vor allem Minderjährige und junge Frauen in Clubs und im Internet ansprechen. Sie täuschen ihnen die große Liebe vor, entfremden sie aber tatsächlich von Freunden und Familie und zwingen sie in die Prostitution. Laut Polizeierkenntnissen sind Loverboys in aller Regel Einzeltäter, die oft mehrere Frauen parallel haben, ohne dass die Opfer voneinander wissen.
Menschenhandel
Eine Straftat, auf die zwischen sechs Monate und zehn Jahre Gefängnis steht. Unter Menschenhandel versteht das Gesetz jede Form des Anwerbens, Transports oder Beherbergens von Menschen, um sie auszubeuten – zum Beispiel in der Prostitution, durch Bettelei oder Zwangsarbeit.
Poppers
Slang für eine flüssige, nicht verbotene Droge, die in kleinen Ampullen vertrieben wird und beim Öffnen ploppt. Poppers sollen stark gefäßerweiternd, aphrodisierend, muskelentspannend und schmerzhemmend wirken – und damit helfen, den Geschlechtsverkehr zu verlängern. Werden in fast allen Bordellen verkauft. Können zu Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen und Sehstörungen führen, blutdrucksenkende Potenzmittel verstärken die Wirkung.
Prostituiertenschutzgesetz
Seit 1. Juli 2017 ist ein neues Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Es beinhaltet unter anderem die Verpflichtung eines so genannten „Hurenausweises“. Betreiber von Bordellen benötigen eine Erlaubnis und dürfen sich zuvor nicht im Bereich Menschenhandel/Prostitution strafbar gemacht haben. Das Gesetz sieht auch eine Kondompflicht für Freier und eine Gesundheits- und Ausstiegsberatung für Sexarbeiter/innen vor. Sexarbeiterinnen dürfen seit Inkrafttreten des P. nicht mehr in dem Raum schlafen, in dem sie ihre Dienstleistungen anbieten – Bordellbetreiber müssen getrennte Schlaf- und Waschräume anbieten. Das Gesetz soll Sexarbeiter/innen vor Zwangsprostitution, ungeschütztem und gewalttätigem Sex schützen. Interessenverbände und Beratungsstellen kritisieren das Gesetz: Die meisten Prostituierten, die nicht freiwillig arbeiten, würden weiterhin nicht erreicht. Die Sorge, mit einem Hurenausweis identifiziert werden zu können, treibe viele Frauen in die Illegalität.
Das Gesetz hat für Prostituierte in NRW auch positive Effekte, resümiert die Prostituierten-Beratungseinrichtung Kober. So habe sich die Hygiene in vielen Häusern verbessert, auch die Rückzugsmöglichkeiten, Aufenthaltsräume und Beratungen wurden von vielen Frauen als hilfreich beschrieben. Die in vielen Sprachen abrufbare Lola-App unterstützt demnach viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, um sich besser über ihre Rechte, Krankenversicherung, Prävention und Beratungsangebote zu informieren.
Saunaclub/FKK-Club
Die Gäste bewegen sich im Handtuch oder Bademantel durch den Club. Im Eintrittspreis enthalten sind oft Getränke und Speisen. Neben Sauna und Dampfbad gibt es meist eine Bar und separate Bereiche, in denen männliche Besucher mit Prostituierten ins Gespräch kommen. Die Einnahmen werden zwischen der Frau und dem Clubbetreiber aufgeteilt. Die Frauen sind entweder festangestellt, oder sie arbeiten auf eigene Rechnung beziehungsweise für einen Zuhälter, der sie häufig zum Club bringt und wieder abholt. Insider gehen davon aus, dass ein Großteil der Frauen in den Clubs nicht unabhängig von Zuhältern arbeitet.
Sexarbeit/Prostitution
Sexarbeit und Prostitution sind nicht dasselbe. Sexarbeit ist der neutralere Begriff, er beinhaltet keine negative Bewertung. Eine Sexarbeiterin ist eine Dienstleisterin, die einen sexuellen Service anbietet, um damit Geld zu verdienen. Das Wort Prostitution ist negativ belegt: Im Lateinischen bedeutet es, etwas „nach vorne zu stellen“ – sich preiszugeben oder auszustellen. Prostitution wird verbunden mit einem patriarchalen System – Bordellen, Zuhältern und Freiern, die die Regeln diktieren. Bei einer Frau, die auf den Straßenstrich geht, um ihre Drogensucht zu finanzieren, würde man eher von einer Prostituierten sprechen, bei einer Frau, die sich mit Escort-Service ihren Lebensunterhalt verdient, eher von Sexarbeiterin. Bei einer jungen Frau aus Osteuropa, die im Bordell Sex anbietet, ist die Unterscheidung schwieriger – wenn sie dort arbeitet, um die Existenz ihrer Familie zu sichern, spräche man von Sexarbeit, würde sie von ihrem Vater oder Bruder unter Druck gesetzt, anschaffen zu gehen, von Prostitution.
Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)
Anlaufstelle im Caritasverband für Frauen und Familien in Not. Seit mehr als hundert Jahren engagiert sich der SkF in Köln für Prostituierte, informiert sie über Rechte und Pflichten, unterstützt sie bei Sorgen in Familie und Partnerschaft und hilft den Frauen beim Ausstieg, wenn sie das wünschen. Die Geschäftsstelle ist am Mauritiussteinweg in der Innenstadt, Telefon 0221/12695-0.
Verrichtungsbox
Garagenähnliche Boxen auf dem Straßenstrich an der Geestemünder Straße in Niehl. Das fußballfeldgroße, eingezäunte Gelände eröffnete im Oktober 2001. Freier fahren dort zunächst durch eine Kontaktzone und dann mit den Frauen in eine der acht Boxen, die in einer alten Scheune untergebracht sind. Es gibt auch Container für Fußgänger oder Radfahrer. In jeder Verrichtungsbox ist ein Alarmknopf an der Wand. Während der Öffnungszeiten sind Sozialarbeiter auf dem Gelände anwesend, Ordnungsamt und Polizei kontrollieren das Gelände regelmäßig.
Weißer Ring
Hilfsorganisation für Menschen, die in Deutschland Opfer von Kriminalität geworden sind. Die ehrenamtlichen Betreuer beraten auch immer wieder Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, unterstützen sie bei der Suche nach spezialisierten Rechtsanwälten, bei der Beantragung einer lebenslangen Opferrente oder mit der Zahlung einmaliger Soforthilfen bis zu 300 Euro. Zentrale Anlaufstelle auch für Menschen in Köln ist das Landesbüro in Düren, Telefon 02421/16622.
Zwangsprostitution
Eine besondere Form der Ausbeutung und seit 2016 ein eigener Straftatbestand neben dem Menschenhandel. Vor 2016 war der Begriff rechtlich nicht definiert. Bei Verurteilung drohen dem Täter zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Die meisten Opfer stammen aus Deutschland sowie aus Ost- und Südosteuropa. Häufig werden die Frauen angeworben, indem der Täter ihnen eine legale Arbeit etwa in der Gastronomie oder Hotellerie verspricht.
Immerhin werden die Foren stärker kontrolliert, seit das neue Prostituiertenschutzgesetz in Kraft ist: Ende 2017 war eine der am häufigsten gestellten Fragen im Netz, welche Frau Sex ohne Kondom anbiete. Solche Beiträge werden von den Betreibern der Seiten inzwischen gelöscht – andernfalls drohen empfindliche Strafen. Trotzdem sollten die Foren verboten werden, findet Heinz: „Die Mädchen da im Internet nieder zu machen, das tut denen richtig weh. Dann haben die vier, fünf Wochen keine Kunden mehr, wenn sie Pech haben. Oder die Konkurrentinnen in einem anderen Haus sagen zum Freier: Schatz, schreib mal Blödsinn über die und die. Und dann gibt es noch die Allerschlimmsten: Die kommen zu den Mädchen und sagen: Mach mir mal einen guten Service, ich schreib dir auch einen guten Bericht. Schon stehen die Mädchen unter Druck. Zu mir kommen sie dann und heulen.“