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Alte Kinos in KölnDer Broadway auf der Schäl Sick

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Schützen passieren in den 50er Jahren das Kino „Filmhof-Lichtspiele“ an der Gisbertstraße 83-85 in Stammheim.

Köln – Es war nicht die strenge Dame am Einlass, sondern der Filmvorführer, der im Jahr 1952 ein Einsehen mit dem damals elfjährigen Helmut Löhr und seinem Jugendfreund hatte. Auf Schleichwegen führte er die Jungs, die in den Tagen vor den Vorstellungen auf der Straße Programmzettel unter Passanten verteilt hatten, ohne viel Aufsehen zu erregen in den bereits abgedunkelten Kinosaal der „Filmhof Lichtspiele“ an der Gisbertstraße in Stammheim.

So durften auch die beiden Elfjährigen Lex Barker als „Tarzan“ und Dorothy Hart als leichtbekleidete „Jane“ bewundern. „Eine junge Frau im Badeanzug war der Grund dafür, den Film erst ab zwölf Jahren freizugeben – so war das eben damals“, blickt der mittlerweile 77 Jahre alte Helmut Löhr zurück. Seine Erinnerung an den Freundschaftsdienst aus Kindertagen verblasst auch deshalb kaum, weil der gebürtige Stammheimer noch immer in der Nähe des Gebäudes wohnt, in dessen Hinterhof sich seinerzeit die große Halle befand, in der damals neben „Tarzan“ auch Filme wie „Herzen in Flammen“ mit Marlene Dietrich oder „Hallo Janine“ von Carl Boese mit Johannes Heesters aus den 30er Jahren gezeigt wurden. „Die Filmhof-Lichtspiele hatten zwei Jahre vorher, Mitte 1950, den Betrieb aufgenommen – das war etwas Neues hier, alle waren begeistert davon“, sagt der Stammheimer Löhr.

Tatsächlich fand in Köln sogar die erste Vorführung eines Films vor zahlendem Publikum in Deutschland statt und zwar am 20. April 1896 in einem Haus am damaligen Augustinerplatz, heute Hohe Pforte, auf der linken Rheinseite. „Rasch avancierte allerdings die gesamte Stadt zu einer Kino- und Filmmetropole – auch die rechtsrheinischen Bezirke“, sagt Marion Kranen vom Verein „Köln im Film“, dessen Mitglieder sich der Erforschung und Präsentation der Kölner Film- und Kinogeschichte widmen. Zwischen 1896 und heute gab es allein im Rechtsheinischen mehr als 20 Kinos.

Allerdings war ein Kinobesuch früher ein völlig anderer Zeitvertreib als heute – in den 1950er Jahren, vor allem aber in den ersten Jahren des neuen Mediums Film vor mehr als 120 Jahren. Zwar war das Ziel dasselbe, nämlich die Suche nach Spaß und Unterhaltung, dennoch war ein Kinobesuch damals viel mehr als das bloße Betrachten von bewegten Bildern.

Plakat für „Dornröschen“, 1955

„Die Kinos waren in den ersten Jahren improvisierte Leinwände in Sälen und Gaststätten, die Gastronomen aufgestellten, um mehr Kundschaft zu locken“, erläutert Kranen. Die Bilder ohne Ton wurden häufig von Musikanten begleitet. Anschaulich beschreibt das der Kölner Hobby-Cineast Rolf Bauerfeind am Beispiel des „Rheingold-Theaters“ in Mülheim, das der Gastwirt Josef Kühbach im Dezember 1907 in einem gemieteten Saal an der Buchheimer Straße 9 eröffnet hatte.

„Das Eintrittsgeld war je nach Platz von 50 Pfennig bis 20 Pfennig gestaffelt, Kinder und Militärpersonen zahlten 15 Pfennig. Das Programm wechselte wöchentlich, das Geschäft florierte und bereits 1910 konnte Josef Kühbach mit einem noch schöneren und größeren Kino mit 200 festen Plätzen expandieren, dem »Central Lichtspielhaus« an der Keupstraße 69“, hat Bauerfeinds Suche ergeben.

Helmut Löhr bewahrt seine Jugenderinnerungen an das Kino in Stammheim bei sich im Keller auf.

Aus den frühen Kino-Gründerjahren sind den Recherchen von Bauerfeind und Kranen und der Vereinsmitglieder von „Köln im Film“ weitere Eröffnungen bekannt. In Mülheim etwa die „Kaiser Lichtspiele“ an der Buchheimer Straße, das „Moderne Theater“ an der ehemaligen Treppenstraße sowie das „Odeon“ an der Berliner Straße auf Höhe des heutigen Marktplatzes. Außerdem das „Hansa Theater“ an der Von-Sparr-Straße und die „Fortuna Lichtspiele“, die zeitweise auch unter dem Namen „Roxi“ das neue Medium präsentierten. „Im Volksmund war das Roxi an der Ecke Glücksburgstraße/Frankfurter Straße als »Fluhbuud« bekannt“, weiß Rolf Bauerfeind.

Lange nach dem letzten Film stand die Halle in Stammheim leer.

Ihr Programm gestalteten die neuen Kinos dabei zunächst weitgehend jugendfrei. Doch mit zunehmendem Angebot kamen auch Filme dazu, die einen „Männerverein zur Bekämpfung der öffentlichen Unsittlichkeit“ auf den Plan riefen. Und mit der „Kölner Polizeiordnung“ von 1911 wurde gar eine Vorzensur der Filme eingeführt. All das verhinderte jedoch nicht die Entwicklung der Buchheimer Straße zum „Broadway Mülheims“, wie Bauerfeind es nennt.

An der Buchheimer Straße eröffnete 1925 das „Neue Theater“, 1931 direkt nebenan die „Residenz“. An der Mülheimer Freiheit flimmerten Filme zu der Zeit in der „Hofburg“ und an der Frankfurter Straße sorgten die „Union Lichtspiele“, kurz „Uli“, für Unterhaltung. „Begünstigt wurde diese Entwicklung auch durch die Möglichkeit, Filme zu leihen, denn das benachbarte Köln war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine wichtige Filmhandelsstadt im Westen“, schildert Bauerfeind.

Mehr als 120 Jahre Kölner Filmgeschichte dokumentiert

Ein Buch, das Kinos in ihrer Gründerzeit als wichtige soziale und kommunikative Orte in Köln beschreibt, hat Bruno Fischli herausgegeben: „Vom Sehen im Dunkeln – Kinogeschichten einer Stadt“.

„Kino in Köln“ lautet außerdem der Titel eines Buches, das Marion Kranen und Irene Schoor vom Verein „Köln im Film“ verfasst haben. Auf 360 Seiten und mit mehr als 200 Abbildungen bekommen Leser einen tiefen Einblick in die cineastische Geschichte der Stadt.

Der Verein hat in einem Internetportal Informationen, Hintergründe, Fotos, und Filmausschnitte aus über 120 Jahren Film aus und über Köln in einer Datenbank erfasst. Ein „Kinostadtplan“ bietet einen Überblick über Anzahl und Lage aller Kinos in Köln von 1896 bis heute. (ihi)

www.koeln-im-film.de

So hatten etwa die Filmbetriebe der Familie Epkens überregionale Bedeutung erlangt. Am Eigelstein bestand in der „Rheinische Filmklinik“ die Möglichkeit, verkratzte Filme zu restaurieren. Mitte der 50er Jahre eröffnete an der Grünstraße in Mülheim dann das „Kopierwerk Ludwig Epkens“, das als erstes in Deutschland 16mm-Agfacolor-Farbfilme entwickelte .

Zuvor waren allerdings im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Film-Vorführorte und Kinos von Bomben zerstört worden. Und während der Nazi-Diktatur in den 1930er und 40er Jahren teilten die rechtsrheinischen Kinos das Schicksal der anderen Lichtspieltheater in Köln und ganz Deutschland: Denn per Gesetz war den Besitzern ab 1934 der Kinobetrieb nur erlaubt, wenn sie Mitglieder im „Reichverband der deutschen Filmtheater“ wurden. „Dafür waren der der Arier-Nachweis und eine ideologische Zuverlässigkeit erforderlich“, so Rolf Bauerfeind.

Schützen passieren in den 50er Jahren das Kino „Filmhof-Lichtspiele“ an der Gisbertstraße 83-85 in Stammheim.

Nur ein Teil der Lichtspieltheater Mülheims schaffte es, nach dem Krieg den Betrieb wieder aufzunehmen, etwa das „Odeon“ an der Von-Sparr-Straße, das „Union-Theater“ an der Frankfurter sowie das „Neue Theater“ an der Buchheimer Straße – es bestand bis in die 1970er Jahre. 1956 eröffnete das „Stern“ am Clevischen Ring, das nach einer Renaissance als Programmkino im 1982 geschlossen wurde. Es war das letzte verbliebene Kino der ehemals reichen Kinolandschaft im Stadtteil Mülheim.

Bis 1994 blieb dagegen in Höhenhaus der Versuch erfolgreich, das Kino mit anderer Unterhaltung zu ergänzen. Im „Filmdancing Alt-Berlin“ in der Straße Am Weidenbruch etwa wurden Filmvorstellung und Disco kombiniert, die Vorführungen wurde unterbrochen, damit die Gäste tanzen konnten. „Eine echte Kultstätte“, die auch Rolf Bauerfeind gern besucht hat.

Der DJ des einstigen „Filmdancing Alt-Berlin“ in Höhenhaus.

Die „Filmhof-Lichtspiele“ in Stammheim mit 300 Plätzen konnten sich dagegen nur bis in die frühen 1960er Jahre halten. „Irgendwann stand die große Halle dann leer und wurde schließlich abgerissen“, sagt Zeitzeuge Helmut Löhr. „Ich war damals zwar traurig, aber zu der Zeit gab es dann ja schon einige andere Kinos als gute Alternativen.“