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Genoveva-GymnasiumAn Kölner Schule lernen Lehrkräfte sensibler mit dem Thema Rassismus umzugehen

Lesezeit 4 Minuten
Vier Schülerinnen und Schüler posieren im Genoveva-Gymnasium Köln-Mülheim.

Fatima,Lorin, Enis und Sandra erzählten am Genoveva-Gymnasium über ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus

Sieben von zehn Schülern mit Migrationshintergrund erfahren Alltagsrassismus. Rassismus-Forscher Fereidooni will das ändern.

Fast zwei von fünf Kindern und Jugendlichen in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. 70 Prozent von ihnen besitzen einen deutschen Pass. Am Genoveva-Gymnasium in Mülheim ist der Anteil noch höher: In der Oberstufe haben hier weit über 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler Migrationshintergrund. Das Gymnasium trägt wie 37 weitere Kölner Schulen und 4000 Schulen bundesweit das Siegel „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Damit gehen sie die Selbstverpflichtung ein, aktiv gegen Diskriminierung und Rassismus in ihrer Schule vorzugehen.

„Aber es gibt keine Schule ohne Rassismus“, ernüchtert der renommierte Rassismusforscher Karim Fereidooni von der Universität Bochum die vor ihm versammelten Lehrkräfte. Was man aber schaffen könne, sei, eine rassismussensible Schule zu werden. Dazu brauche es an Schulen aber mehr Sensibilität von Lehrkräften für das Thema. Genau das wollen sie am „Geno“, wie die Schule liebevoll genannt wird, mit Workshops und Selbstreflexion erreichen.

„Es gab in den letzten Jahren immer mal wieder Gesprächsbedarf, weil sich Schülerinnen oder Schüler von Äußerungen von uns Lehrerinnen und Lehrern verunsichert gefühlt haben“, erläutert Lehrer Felix Bjerke, der den Workshop-Tag organisiert hat, weil er die Reflexion über das Thema Alltagsrassismus wichtig findet.

Rassismus-Experte Fereidooni fordert mehr Sensibilität in Lehrerkollegien

Statt mit dem empörten Abwehrreflex „Ich bin doch nicht rassistisch“ zu reagieren, wollen sie hier lernen, hinzuhören. „Zuhören, um zu verstehen. Nicht zuhören, um zu entgegnen“ nennt Rassismus-Experte Fereidooni den Weg, der – nicht nur für Lehrkräfte – zu mehr Sensibilität führe. Es gehe darum, Dinge sehen zu lernen, die für andere rassismusrelevant seien.

Wer nicht selbst als Mensch mit Migrationshintergrund erkennbar sei, könne schwer nachvollziehen, wie das ist, wenn man als Deutscher, der hier geboren ist, regelmäßig Racial Profiling erlebt, wegen seines Namens auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert wird oder immer wieder die Frage gestellt bekommt, wo man denn herkommt – obwohl man hier geboren ist. „Für den, der das erfährt, ist die Botschaft: Du gehörst nicht wirklich dazu.“

Wenn ich mit dem Auto eher defensiv fahre oder mich an Geschwindigkeitsbegrenzungen halte, dreht regelmäßig jemand das Fenster runter und ruft mir das N-Wort zu
Sandra Wnaja Wangui (19), ehemalige Abiturientin am Genoveva-Gymnasium

Laut einer Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) erfahren sieben von zehn Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis 19 Jahren mit Zuwanderungsgeschichte Alltagsrassismus. Je dunkler die Hautfarbe ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit. Für Sandra Wnaja Wangui (19), ehemalige Abiturientin am Geno, ist das Alltag: „Wenn ich mit dem Auto eher defensiv fahre oder mich an Geschwindigkeitsbegrenzungen halte, dreht regelmäßig jemand das Fenster runter und ruft mir das N-Wort zu“, nennt sie ein kleines Beispiel. Gleichzeitig machen Studien wie die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung deutlich, wie wichtig die Beschäftigung mit dem Thema ist: Die repräsentative Studie konstatierte, dass 42 Prozent der Bevölkerung zu rechtspopulistischen Einstellungen neigen, 21 Prozent äußerten eine deutlich rechtspopulistische Einstellung.

Lehrerinnen und Lehrer dürfen Rassismus nicht leugnen

„Für Lehrerinnen und Lehrer ist der wichtigste Schritt, nicht zu leugnen, dass Rassismus existiert. Und anzuerkennen, dass er einem selbst oft gar nicht bewusst ist“, sagt Fereidooni. Da ist nicht nur die wissenschaftliche Studie „Max versus Murat“ der Uni Mannheim, bei der Forscher festgestellt haben, dass angehende Lehrkräfte das Diktat von einem Kind mit türkischem Namen schlechter bewerteten als das eines Kindes mit deutschem Namen – obwohl die Zahl der Fehler gleich war.

Auch ist es so, dass Kinder mit Migrationshintergrund immer noch deutlich schwerer eine Gymnasialempfehlung bekommen. Da passt für Fereidooni ins Bild, dass von den Lehrerinnen und Lehrern, die im Netzwerk ‚Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte‘ organisiert sind, 95 Prozent ihr Abitur nicht an einem Gymnasium gemacht haben.

Enis (18), Lorin (18) und Fatima (19) haben gerade ihr Abitur gemacht und sind gekommen, ihren ehemaligen Lehrerinnen und Lehrern zu berichten, wie sie in ihrer Schulzeit Alltagsrassismus erlebt haben. Es sei im Unterricht Druck aufgebaut wurde, als eine Schülerin sich weigerte, in einem literarischen Text das N-Wort vorzulesen, berichtet Enis. „Duschst du mit dem Kopftuch?“, habe sie eine Lehrerin mal im Unterricht gefragt, erzählt Fatima. Oder im Deutschunterricht wurde gesagt, „dass wir mit Migrationshintergrund uns doppelt und dreifach anstrengen müssen“, ergänzt Lorin.

Was sie sich wünschen würden? „Dass dann, wenn man das anspricht, nicht abweisend reagiert wird, sondern das Geäußerte ernst genommen wird oder man darüber ins Gespräch kommt.“ Ein Lehrer, daran erinnern sich alle, sei längere Zeit nachdem mal eine unbedachte Äußerung gefallen sei, nochmal auf sie zugekommen, um sich zu entschuldigen. „Das war so groß und hat uns sehr viel bedeutet“, sagt Enis.