Anfang in illegaler KneipeWie ein Kölner Buchhändler in der Kunstwelt berühmt wurde
- Das erste Ladenlokal der Kölner Buchhändlers Walther König befand sich noch in einer illegalen Poker-Kneipe. Das ist jetzt 50 Jahre her.
- Heute sind die Kunstbuchhandlung Walther König und der Verlag eine Institution weit über Köln hinaus. Vor vier Jahren hat Sohn Franz die Geschäfte übernommen.
- Anfang hat es schwer geknallt zwischen den beiden. Ein Vater-Sohn-Gespräch über Klugscheißer und die Anfänge in den 60er Jahren
Köln – Der alte Hausherr läuft mit einer Roth-Händle in der Rechten durch den ersten Stock und telefoniert, der junge kommt mit einer Filterzigarette zwischen den Fingern von seiner Kanzel hinter einer Bücherwand hervor und holt noch schnell einen Kaffee. Vor vier Jahren hat Walther König (80) die Geschäfte der Kunstbuchhandlung und des Verlags an seinen Sohn Franz (46) übertragen. Loszulassen fiel einem der erfolgreichsten deutschen Buchhändler schwer – deswegen arbeitet er einfach weiter mit. Ende März gibt es die bekannteste deutsche Kunstbuchhandlung seit 50 Jahren. Zeit für ein Vater-Sohn-Gespräch.
Wie kam es zur Gründung des Buchladens vor 50 Jahren?
WALTHER KÖNIG: Nach meiner Lehre und ein paar guten Jahren in der Bücherstube am Dom wollte ich eigentlich nach New York. Ich hatte einen Job bei einem bedeutenden deutschen Exilbuchhändler ergattert – bekam aber die Greencard nicht. Auf der Breite Straße 93 gab es hinter einem Büdchen eine illegale Kneipe, in der die Drucker von DuMont saßen, Bier tranken und pokerten. Ich habe den Inhaber immer wieder gefragt, ob ich das Ladenlokal haben kann. Heiligabend 1968 hat er Ja gesagt, für 400 Mark Miete.
War das von Anfang an eine Kunstbuchhandlung?
WALTHER KÖNIG: Wir haben anfangs auch noch Bestseller geführt und Rechtschreibduden, das hat sich aber schnell als überflüssig erwiesen. Die Buchhandlung entwickelte sich sehr schnell sehr erfolgreich – wir versorgten Bibliotheken und Museen, und hielten ein Angebot vor, dass sonst kaum eine Buchhandlung führte.
War Köln Ende der 60er Jahre schon eine Kunststadt?
WALTHER KÖNIG: Wenn Köln eins war, dann eine Kunststadt. Es gab eine große Aufbruchsstimmung, der Beginn der großen Kölner Zeit. Ich habe viel in der Familie von Rudolf Zwirner verkehrt, einem der wichtigsten Galeristen überhaupt. Als Lehrling war ich dreimal die Woche bei Zwirners zum Essen, weil ich kaum Geld hatte, das war eines der künstlerischen Zentren Kölns. Ich lernte dort Menschen wie den Sammler Wolfgang Hahn kennen – ohne viele glückliche Begegnungen und Zufälle wäre es nicht gegangen.
Wie ging die Buchhandlung mit ihrem zweiten Standbein, dem Kunstbuchverlag, zusammen?
WALTHER KÖNIG: Den Verlag hatten wir ein Jahr früher gegründet. Mein Bruder Kasper lebte damals in New York, und so nannten wir uns Verlag Gebrüder König in Köln und New York. Auf unserem Briefpapier stand: Chinese American Bank. Das hört sich toll an, war aber nur eine Wechselstube auf der Bowery. Wir waren euphorisch und davon überzeugt, dass die Welt auf unsere Bücher wartet. Peter Ludwig übergab mir den Vertrieb seines Katalogs „Kunst der 60er Jahre“ – ein Buch visualisiert von Wolf Vostell, das es in dieser Form bis dahin nicht gegeben hatte. Es ist nicht nur ein Buch über die Pop Art, sondern selbst ein Teil davon. Es war ein Türöffner für uns, die Kunst wurde populär. Eine Frage an den Sohn: Was ist Ihre erste Erinnerung an den Buchladen?
FRANZ KÖNIG: Die Buchhandlung war immer um mich herum. Wenn ich meinen Vater sehen wollte, ging ich in den Buchladen. Wir sind die Schaufenster der Konkurrenz abgelaufen und haben geguckt, ob wir Titel entdeckten, die uns fehlten. Ich bin mit in die Museen gegangen, habe geholfen, Stände aufzubauen. Erst habe ich die Bücher in die Tüten gesteckt, irgendwann durfte ich das Geld annehmen, noch viel später einen eigenen Stand betreuen.
Wann hat sich gezeigt, dass Sie in die Fußstapfen des Vaters treten?
FRANZ KÖNIG: Ich wollte das gar nicht. Die Buchhandlung war immer so selbstverständlich, ich konnte dort immer mein Taschengeld aufstocken. Vor allem wollte ich weg. Da hat mein Vater gesagt: Mach doch erst mal eine Buchhändler-Lehre. Wenn du danach raus in die Welt willst, helfe ich dir.
Da sind sie dem Vater gefolgt.
FRANZ KÖNIG: Ja, ich habe eine Lehre in Münster gemacht. Danach wollte ich unbedingt nach London, die Stadt war mein Traum. Dort habe ich Architektur studiert, aber schnell gemerkt, dass ich kein Architekt bin. Am London College of Printing habe ich eine Druckerlehre begonnen und anschließend ein Studium als Verlagskaufmann abgeschlossen. Während meiner Londoner Uni-Zeit wurde die Tate Modern eröffnet. Das Museum suchte einen Buchhändler, ich wurde angenommen und habe mitgeholfen, sie einzurichten – das war ein gigantischer Moment.
Was hat der Vater da gedacht?
WALTHER KÖNIG: Ich war natürlich happy.
FRANZ KÖNIG: Du hast das gar nicht ernst genommen. Auch nicht so richtig, als ich die Buchhandlung der Serpentine Gallery übernommen habe. Du dachtest: Was will er jetzt mit diesem kleinen Teehaus in London?
WALTHER KÖNIG: Ach was, da wusste ich, dass Du richtig gut bist!
FRANZ KÖNIG: Was wohl stimmt: Ohne die eigene Buchhandlung hätte ich mir den Respekt meines Vaters gar nicht erarbeiten können.
Das war also die Voraussetzung, um die Kunstbuchhandlung in die Hände des Sohnes zu übergeben?
WALTHER KÖNIG: Irgendwann musste ich darüber nachdenken, wie es weitergeht. Franz ist überaus talentiert, ein wirklich guter Buchhändler – und ich habe gesagt: Wenn du übernehmen willst, musst du zurück nach Köln kommen, oder zu unserer Filiale nach Berlin gehen.
FRANZ KÖNIG: Nein, das stimmt so nicht. Ich habe irgendwann eingesehen: Jetzt bist du Buchhändler, du kannst dich nicht ewig in London verstecken, früher oder später musst du dich der Sache stellen. Ich wurde aber nicht vor ein Ultimatum gestellt. Es war meine ureigene Entscheidung.
Offenbar rauschen die Köpfe hin- und wieder aneinander. Wie geht das zusammen: zwei starke Charaktere mit unterschiedlichen Vorstellungen davon, wie Geschäfte zu führen sind?
WALTHER KÖNIG: Ich habe vor vier Jahren alle Anteile der Firma an Franz übertragen, seitdem bin ich Gast im Haus. Im ersten Jahr hat es schwer geknallt zwischen uns. Franz hat gesagt: Nur, weil du das 40 Jahre so und so gemacht hast, muss das nicht unbedingt richtig sein. Hatte er zum Teil ja auch Recht …
Fiel es Ihnen schwer, loszulassen?
WALTHER KÖNIG: Zwei Veränderungen fielen mir schwer. Einmal, meinen Schreibtisch unten im Laden aufzugeben. Den hatte ich immer, drei Meter von der Kasse entfernt, etwas verdeckt. Da habe ich immer alles mitbekommen. Wenn Menschen kamen, die mich besonders interessierten, stand ich auf. Ich liebe es bis heute, mit unseren Kunden zu sprechen. Sie sind unsere wichtigsten Informanten. Das andere war ein buchhändlerischer Ritus: Alle Bücher, die bei uns reinkommen, werden auf Tischen ausgebreitet, wir gucken uns die Bücher an, das dauert eineinhalb, manchmal auch drei Stunden. So war ich perfekt informiert. Das vermisse ich immer noch.
Ihr Geschäft war immer legendär dafür, dass viele Künstler hier im Geschäft die Runde machten.
WALTHER KÖNIG: Das war ganz stark in den 70er und 80er Jahren so. Da waren wir Treffpunkt und Poststelle für Künstler, Galeristen und Sammler. Die gaben irgendwas ab und sagten: In den nächsten Wochen kommt der und der, gib ihm das bitte. Es gab viele Künstler aus dem Ausland, die in der Stadt für vier oder fünf Wochen arbeiteten – die Anlaufstelle waren wir. Die Buchhandlung wurde für sie zum zweiten Zuhause.
Das war die Zeit vor dem Internet. Sie hatten Kunden aus Paris, New York und von noch weiter her, Karl Lagerfeld kam oft.
WALTHER KÖNIG: Für Buchliebhaber und Sammler ist kein Weg zu weit für ihre Passion. Sie kommen immer noch aus aller Welt. Noch interessanter ist die langjährige Bekanntschaft aufgrund der Zusammenarbeit mit Künstlern und Autoren. Wir sind schon sehr privilegiert mit unserem wunderbaren Beruf.
FRANZ KÖNIG: Das Internet ist eine tolle Sache. Es bringt viel Positives, wenn auch nicht nur Gutes für uns als Buchhändler. Unsere Geschäftsgrundlage hat sich sehr verändert. Durch die Konkurrenz sind die Bücher besser geworden. Im Netz wird man zwar von Bildern erschlagen, aber trotz der Fülle ist bei der Google Bildersuche spätestens ab Seite Zwei Schluss.
Wie empfinden sie die Lage momentan auf der Ehrenstraße?
FRANZ KÖNIG: Wenn wir mieten müssten, könnten wir uns den Laden längst nicht mehr leisten. Aber so ist es toll: Der Laden ist immer voll.
WALTHER KÖNIG: Als wir 1981 von der Breite Straße hierherzogen, war das hier eine richtige kölsche Straße. Gegenüber gab es ein Kino, ein jugoslawisches Lokal, einen Elektriker, einen Installateur. Heute ist es eine der teuersten Straßen Kölns.
Zum Abschluss: Reden wir über Stärken und Schwächen von Vater und Sohn…
FRANZ KÖNIG: Es gibt diesen Spruch, dass Buchhändler ziemliche Besserwisser sind. Und mein Vater ist einer der größten Buchhändler, die ich kenne…
WALTHER KÖNIG: Klugscheißer, meinst du?
FRANZ KÖNIG: Da kann ich noch ein bisschen aufschließen, steckt in mir aber auch drin. Was ich an meinem Vater wirklich bewundere, ist sein Mut. Er ist immer risikofreudig, und schafft es auch manchmal, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen – mit Leidenschaft, nicht mit Kalkül. Und er ist ein genialer Verkäufer.
WALTHER KÖNIG: Ich kaufe gern billig ein und verkaufe teuer, das ist meine Leidenschaft.
Was fällt Ihnen zu Ihrem Sohn ein?
WALTHER KÖNIG: Franz ist ein leidenschaftlicher Buchhändler, er hat eine gute Nase für Qualität, ist ein sehr guter Gesprächspartner, der höflich aber bestimmt mit Kollegen, Autoren, Kunden und Lieferanten umgeht und von diesen respektiert und geschätzt wird. Er hat alle Qualifikationen, um Verlag und Buchhandlung erfolgreich in das digitale Zeitalter zu führen - könnte aber etwas ordentlicher sein und hin und wieder seinen Schreibtisch aufräumen.
FRANZ KÖNIG: Ich sehe mich in vielem schon als der Sohn meines Vaters.
Das Gespräch führten Michael Kohler und Uli Kreikebaum