Angeln am RheinWer nur Fische fangen will, hat es nicht verstanden
- Nicht nur der richtige Köder und Haken oder die richtige Technik sind fürs Angeln wichtig. Wichtig ist vor allem Geduld.
- Reporter Karlheinz Wagner hat mit seinem Sohn Eddie die Fischerprüfung abgelegt.
- Die wichtigste Erkenntnis: Beim Angeln geht es nicht nur um das Fangen von Fischen. Sondern um Geschichten.
Köln – Angeln macht demütig. Man hat die richtigen Köder, die richtige Schnur und die richtigen Haken, das Auswerfen war präzise und die Stelle eigentlich auch gut – und doch steht man am Ende eines langen Tages mit leeren Händen da: Kein Biss und keine Ahnung warum.
Aber ja, bei nächster Gelegenheit zieht man wieder los, ein bisschen aufgeregt und voller Vorfreude. Beim Angeln, das muss man wissen, geht es nicht nur um Fisch, es geht auch um Geschichten.
Gut 50 Sommer ist das her, Familienauto war ein preußisch-blauer Ford Taunus und Vater Richard arbeitete in den Ferien – so wurde der Urlaub finanziert – auf einem Bauernhof hoch im Norden, dort wo die Orte Schnarup-Thumby, Twedt oder Tolk heißen.
Im nächsten Dorf gab es einen Laden, der alles hatte, Brötchen, Obst, Kleider, Angelzeug. Dort hatte er eine Bambusrute, Pose, Schnur und Haken besorgt, in einem der Bauernteiche des Hofs gab es Fische. Ich musste die Köderwürmer ausgraben, im Gegenzug durfte ich mir aus einem Ast selbst eine Angel basteln.
Wenn nicht gerade geerntet wurde, saßen wir – Richard mit seiner, na ja, Luxus-Ausrüstung, ich mit meinem Stock – an den gegenüber liegenden Enden des kleinen grünen Gewässers. Die Gersten- und Weizenfelder ringsum strahlten in van-goghschem Gelb, Mutter brachte Blechkuchen und manchmal tauchte der Korken an meiner Schnur unter – dann hatte eine Schleie gebissen oder eine Rotfeder oder, selten, ein Karpfen.
Und wenn der Fisch groß genug war, wurde er abends gegessen. Angeln, das war ja gar keine Frage, war die schönste Sache der Welt.
Gleich beim ersten Mal ein Graskarpfen
Eddie ist jetzt zehn, ungefähr so alt wie ich damals. Und er angelt ganz gerne, seit gleich beim ersten Mal an einem See im Spessart ein kapitaler Graskarpfen – „Papa, ich glaub’ da ist was dran“! – an den Haken gegangen ist. Er kennt sich gut aus.
Ich habe vor ein paar Jahren mit dem Angeln wieder angefangen, bei der Vorbereitung auf die Fischerprüfung hatte Eddie mitgelernt: Schonzeiten, Mindestmaße und Namen wie Schnäpel, Hasel oder Giebel hat er seither fließend parat. Wir waren überzeugt, dass nach bestandener Prüfung die Fische sozusagen von Amts wegen beißen würden. Das war leider nicht der Fall.
Die Prüfung und die vorbereitenden Lehrgänge dienen nicht in erster Linie dem Angler, sondern – klingt seltsam, ist aber so – dem Fisch und seiner Umgebung. Man lernt, mit welch komplexen Fertigkeiten und Sinnesorganen Fische sich orientieren; man hört mit Staunen von den Reisen der Aale zum Laichen in die Saragossa-See östlich von Florida.
Wie verhält man sich am Wasser? Was muss man über das Brutverhalten der Wasservögel wissen? Welche Fische sind wann geschützt? Wie verhindert man durch Köderwahl und Hakengröße, dass sie dennoch beißen?
Viel theoretisches Wissen, das aber weder die Fische noch Eddie nachhaltig beeindruckt. In Erinnerung an die gelben Sommer meiner Kindheit bevorzuge ich auch am Rhein das gemütliche Angeln: Statt des Korkens zeigt heute eine Pose die Bisse an, als Köder reichen Wurm, Maden oder Mais – ein faires Angebot für Friedfische, sollte man meinen.
Die Sache ist nicht ganz preiswert. Zwar gibt es online oder in den Angelshops – in Köln und Umgebung gibt es ein paar davon – Starter-Sets: Rute, Rolle, Schnur, Vorfach mit Haken und ein paar Kunstköder ab etwa 20 Euro. Kann man probieren. Meine Stockangel am Bauernteich für 50 Pfennig hatte es ja auch getan.
Die Rollen sind wichtig
Aber besser ist ein bisschen Beratung: Ruten fangen bei rund 40 Euro an, wer will kann auch ein paar hundert Euro ausgeben. Die Rollen sind wichtig – wer hier spart, riskiert ein Verheddern der Schnur just in dem Moment, wenn ein Fisch angebissen hat und man einholen will.
Im Rhein – und nicht nur dort – sind es derzeit meist Grundeln – die kleinen Fische gelten als Plage, sie sind aus dem Großraum Schwarzes Meer über den Rhein-Main-Donau-Kanal in das deutsche Fluss- und Kanalsystem eingewandert und setzen – allesfressend und hochrobust – der heimischen Friedfisch-Fauna arg zu.
Zum Verzehr eignen sie sich nicht sonderlich. Ob die heimischen Raubfische die Population irgendwann in der Waage halten, wird mit Spannung beobachtet. Als Köderfische taugen Grundeln immerhin ganz gut.
Eddie setzt auf Wurm und Made nur im Ausnahmefall. Ihn interessieren – angefeuert durch Instruktions- und Motivationsfilme im Internet – die Raubfische im Rhein: Zander, Barsch. „Heute versuch’ ich Gummifisch“, sagt er und studiert noch mal die Techniken der Profis im Internet.
Präsentiert man den Köder in einer durchgehenden Bewegung? Oder ruckartig, um den Jagdtrieb der Raubfische zu stimulieren? Schwierig, schwierig.
Einmal kam Christoph, ein etwas älterer Junge, an unseren Platz im Kölner Süden. Er angelt hier „schon immer“ mit seinem Vater. Tolle Fische hätten sie hier schon gefangen, jüngst gar einen Hecht!
Warum wir nichts fangen, will er wissen, und ob er Eddies Angel mal haben dürfe? Klar. Er warf ein paarmal den Blinker aus – ein schillernder Metallköder mit Haken – und holte beim dritten Versuch einen kleinen Zander an Land. Angeln macht demütig.
Hin und wieder fahren wir an die Schlei – einen Ostseefjord in Schleswig-Holstein. Im Frühling kommen die Heringe hierher zum Laichen, im Herbst schwimmen sie, fettgefressen, wieder hinaus. Man angelt dort mit Paternoster-Vorfächern – fünf Haken an einer Schnur.
Full House am Paternoster-Vorfach
Irgendwann hatten wir den Bogen raus: Man muss weit werfen – auch das muss man üben! – das Blei am Ende der Schnur ruhig absinken lassen und gleichmäßig einholen, auch wenn man zwischendurch einen Biss registriert. Als Eddie fünf auf einen Streich nicht nur erwischt, sondern auch sauber gelandet hatte, brandete bei den benachbarten Anglern solidarischer Beifall auf: Full House! Petri Heil! Gut gemacht. Petri Dank!
Aus dem Satz „Ich mag keinen Fisch“ ergab sich beim Abendessen eine angeregte Diskussion: „Wenn Du keinen Fisch essen willst, gibt es keinen Grund, einen zu fangen.“ Das wurde verstanden.
Eddie half dann gar beim Zubereiten: Säubern, säuern, salzen – und dann schmeckte es sogar: „Ein bisschen wie Fischstäbchen.“ Das war als Kompliment gemeint.
Erlaubnisscheine und Prüfungsinfos fürs Angeln
Rhein NRW: 3-Tages-Karte 10 €, Jahreskarte 34 €
Rheidter Laach: Tageskarte 5,50 €, 3-Tages-Karte 11 €
Liblarer See: Tageskarte 11 €, 3-Tages-Karte 26 €,Wochenkarte 51 €
Untere Sieg: Tageskarte 5 €, 3-Tages-Karte 10 €,Jahreskarte 50 €,
Sülz, Brodhausen bis Immekeppel: Tageskarte 14 €
Bleibtreusee: Tageskarte 9 €, 2-Tages-Karte 17 €,7-Tages-Karte 42 €, Jahreskarte 90,-
Untersee/Brühl: Tageskarte 9,50 €
Fischereiprüfung
Termine: 4. bis 6. Dezember 2018Vorbereitungskurse: ab 11. SeptemberInformationen gibt es beim Rheinischen Fischereiverband. (jhw)
Der Rhein gilt als schwierig zu beangeln, zumindest für unerfahrene Leute wie uns. Am aussichtsreichsten ist es in den Buhnen – das ist der Bereich zwischen den Steinaufschüttungen, die in den Fluss hineingebaut sind, um die Strömung zu bremsen.
Zwischen Bonn und Leverkusen gibt es einige markante Stellen. Hier verwirbelt stehendes mit fließendem Wasser, Nährstoffe werden aufgewirbelt, Friedfische suchen Schutz oder Nahrung, die Raubfische suchen Friedfische. Es ist richtig was los. Die Kunst besteht darin zu erkennen, wann man wie welchen Fisch in welcher Tiefe anspricht. Vielleicht klappt es bald mit Eddies Zander.
Der Sommer ist bald vorbei. Es ist Zeit für eine neue Geschichte.