„Frau Schornsteinfegerin“Wenn Frauen in einem Männerberuf arbeiten – und umgekehrt
Köln – Die Hose ist ölrußbeständig, ebenso der Koller mit den goldenen Knöpfen, der durch die Koppel enger geschnürt wird. Die Schuhe sind rutschfest, und die gesamte Kleidung ist rußschwarz. Zylinder trägt nur, wer einen Meister in der Tasche hat, daher begibt sich Regina Richter ohne Kopfbedeckung auf die Dächer der Stadt. Sie befindet sich noch in der Ausbildung zur Schornsteinfegerin und ist eine von drei Frauen in ihrer 18-köpfigen Klasse in Porz.Männer stellen in diesem Beruf immer noch die Mehrheit, nur vereinzelt sind Frauen in der schwarzen Montur zu sehen.
Ihre Berufsentscheidung ist das Resultat einer längeren Findungsphase: „Vor meiner jetzigen Lehre habe ich zwei Ausbildungen zur Kinderpflegerin und zur Bürokauffrau abgebrochen, weil ich gemerkt habe, dass ich das nicht mein Leben lang machen möchte“, gesteht die 27-Jährige.Durch einen Freund, der eine Schornsteinfeger-Ausbildung gemacht hat, habe sie von dieser Möglichkeit erfahren. Nach zwei Praktika begann sie 2016 ihre Lehre. „Mir war klar, dass das keine Frauen-Domäne ist, aber das war mir egal.“ Ihre Eltern seien froh gewesen, dass sie etwas gefunden hatte und unterstützten ihre Entscheidung. „Zur Warnung wurde uns am Anfang der Ausbildung gesagt, dass Kunden komisch reagieren könnten. Ich habe aber keine negativen Erfahrungen gemacht, weder in der Berufsschule noch bei der Arbeit.“
Viele Kunden seien eher begeistert davon, dass Frauen diesen Beruf machen. Von „positivem Staunen“ der Kundschaft spricht auch ihre Chefin Anja Loth: „Es kam höchstens mal ein Spruch wie: »Wenn sie jetzt ein Mann wären, würde ich mit ihnen einen Schnaps trinken«.“ Solche Sätze lasse Loth aber nicht an sich rankommen und wenn ihr jemand gelegentlich aus Höflichkeit die Leitern hinstelle, nehme sie dies mittlerweile dankend an.
Tote Vögel entfernen
Bei Wind und Regen sind Schornsteinfeger im Einsatz. Messungen von Heizungen, Kesseln und Thermen, Kamine von Ruß, Dreck, toten oder lebendigen Vögeln befreien, Treppen steigen, durch Dachluken klettern: Die Arbeit verlangt technisches Know-How und ist körperlich anstrengend. „Ich wiege nicht viel und bin nicht wahnsinnig groß, weshalb es schon nicht schaden würde, etwas trainierter zu sein“, erzählt Richter. Trotzdem sei der Job gut zu bewältigen, auch weil sie die Stärken von Frauen vielmehr woanders vermutet: „Mir wurde gesagt, dass Frauen in der Theorie besser abschneiden, vielleicht weil sie etwas beweisen wollen.“
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Die Ausbildung zur Schornsteinfegerin würde Richter sowohl Männern als auch Frauen empfehlen. „In Relation zu der Arbeit, die man macht, ist es einer der besser bezahlten Berufe.“
Sie schwärmt von der selbstständigen Zeiteinteilung, vom täglichen Kundenkontakt und von den Schornsteinfegern selbst: „Es sind schon coole und entspannte Leute, die sich selbst als Familie betrachten.“ Bis 2019 hofft sie die Ausbildung abgeschlossen zu haben. Dann kann sie sich offiziell als Mitglied der Kaminfeger-Familie bezeichnen.
Der Kindergärtner
Wenn Kevin Andel morgens die Tür zur Kindertagesstätte Glashüttenstraße aufschließt, weiß er, dass er einen anderen Arbeitstag vor sich hat als seine weiblichen Kolleginnen. Dass das Familienzentrum mit dem 27-jährigen Andel einen männlichen Leiter hat, ist bereits ungewöhnlich in dieser – so nennt Andel es – von der Gesellschaft immer noch „vorgeschriebenen Rolle des Erziehenden“. Dass aber sein Stellvertreter sowie ein weiterer Erzieher in der gleichen Einrichtung der Köln-Kitas ebenfalls männlich sind: Das ist angesichts des Ungleichgewichts zwischen weiblichen und männlichen Erziehern wohl noch außergewöhnlicher.„Als Mann arbeitet man in diesem Beruf einfach anders. Man nimmt ein Kind nicht komplett auf den Schoß, man achtet darauf, dass die Tür offen bleibt, wenn man ein Kind wickelt, man denkt genauer nach, ehe man die Kinder bei einem Kosenamen nennt.“ Und trotzdem hat das klassische Rollenbild einer Frau im Erzieherberuf die drei Männer nicht davon abhalten können, sich für die Arbeit im sozialen Bereich zu entscheiden. Und auch nicht, dass in den Lehrbüchern für angehende Kindergärtner immer noch lediglich die weibliche Form, die „Erzieherinnen“, angesprochen werden.
Bei den Köln-Kitas teilt sich das Geschlechtsverhältnis in 717 weibliche und 98 männliche Beschäftigte. Eine hohe Männerquote angesichts der vielen Vorurteile, die die drei Erzieher aus dem Stand aufzuzählen wissen – wenn auch jeder von ihnen unterschiedliche Erfahrungen gemacht hat. „Ich hätte mich in der Realschule jedenfalls damals nicht getraut, ein Praktikum im Kindergarten zu machen. Da wird man schnell abgestempelt unter Singen, Klatschspielen und »Kannst du nicht was vernünftiges lernen?«“, erinnert sich Andel.
Sein Kollege Jens Vöpel schaut nachdenklich, differenziert das Gehörte etwas. Er hat einen anderen Werdegang hinter sich, hat sich erst mit 30 Jahren entschlossen, noch eine Ausbildung zum Erzieher zu machen. „Ich war vorher schon als Sozialpädagoge unterwegs und deswegen bekam ich auch gleich reflektiert: Wenn einer im Kindergarten arbeiten kann, dann du.“ Und Erzieher André Reminder ergänzt: „Das ist ja irgendwie immer so.
Es gibt diejenigen in deinem Freundeskreis, die dich zu deiner Entscheidung beglückwünschen. Und bei anderen merkt man, dass sie sich nicht für deinen Beruf interessieren oder sich nicht vorstellen können, was du überhaupt den ganzen Tag machst.“
Manche Kolleginnen haben Vorurteile
In dem ganzen Kontext für Erzieher müsste etwas passieren, findet der Leiter der Kindertagesstätte. Angefangen bei der Dozentin, die vor der Klasse mit Auszubildenden nur von Frauen spricht, obwohl sie unübersehbar auch männliche Teilnehmer im Kurs hat, über die Vorurteile mancher Kolleginnen, mit denen man dann in einer Kindertagesstätte zusammen arbeitet. „Da gehe ich aber dann immer direkt offen in die Konfrontation“, sagt Andel. Gleiches gelte auch für misstrauische Eltern – wenngleich es auch diejenigen gebe, die ausdrücklich auf einen Geschlechtermix in der Betreuung einer Kita-Gruppe bestehen.
So entstünde bereits in der Kita ein Gleichgewicht: Ein männlicher Erzieher vermittle eben andere Werte als die weibliche Kollegin. „Wenn ein Kind hinfällt, geht es eher zu einer Frau, weil es weiß, dort wird es getröstet. Ich würde fragen, warum es denn überhaupt hingefallen ist“, schmunzelt Jens Vöpel. „Aber genauso sollte doch auch das Rollenverhältnis sein. Der Mann gehört zur Erziehung der Kinder schließlich genauso dazu“, findet Andel.
Die Anlagen-Mechanikerin
Annika Jawor hat schon einiges ausprobiert: Nach mehreren Praktika im Gartenlandschaftsbau, einer Einstiegsqualifizierung als Buchbinderin und einer vierjährigen Orientierungsphase entschied sie sich schließlich für eine Ausbildung als Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. „Ich wollte immer was mit Handwerk machen“, erzählt die 25-Jährige und begründet ihre Entscheidung damit, dass sie sich bei der Arbeit bewegen müsse. Ein Bürojob wäre deshalb nichts für sie.Vor dem Hintergrund, dass diese Handwerksbranche weitgehend von Männern dominiert wird, eine eher ungewöhnliche Berufswahl.
Die sich im zweiten Lehrjahr befindende Auszubildende liegt in der Berufsschule mit zwei weiteren Frauen in ihrem Lehrgang deutlich in der Minderheit. Ein Zustand, der für sie jedoch belanglos ist: „Ich hatte nie Probleme in der Berufsschule und komme immer gut klar.“ Auch bei der Marc Schmitz GmbH, dem Unternehmen, für das sie arbeitet, kann sie sich an keine diskriminierenden Begegnungen erinnern.
Auf der Baustelle ändere sich lediglich der Tonfall und die Ausdrucksweise, wenn sie oder andere Frauen ankommen. „Wenn ich mit Kunden in Kontakt trete, fallen die Reaktionen positiv aus und die Leute – vor allem die Älteren – sagen: Endlich mal eine Frau“, berichtet Jawor. Maike Wojak, gelernte Kauffrau und Mitarbeiterin bei dem Betrieb aus Müngersdorf, weiß aber auch, dass manche Kunden dem weiblichen Geschlecht bei technischen Fragen wenig zutrauen und Vorbehalte vorhanden sind: „Am Anfang wurden wir dafür belächelt, dass wir Frauen aufnehmen“, sagt Wojak.
Die Anstellung von weiblichen Auszubildenden habe bei der „Marc Schmitz GmbH“ Tradition: „Wir waren das erste Unternehmen im Kammerbezirk, das Frauen ausgebildet hat.“ Die erste Auszubildende wurde 2005 aufgenommen. Seitdem sei der Anteil auf fünf oder sechs Mitarbeiterinnen gestiegen. Jeder, der anpacken könne, sei willkommen, weshalb sowohl Frauen als auch Flüchtlinge und Ausländer in Betrieb ihren Platz finden würden.
Anstrengende Arbeit
Der Arbeitsalltag besteht unter anderem darin, Duscharmaturen anzubringen, Rohre zu verlegen und Fliesen rauszunehmen. Die Arbeit ist körperlich anstrengend, bringe Jawor aber nicht an ihre Grenzen. Der Kraftaufwand und der Dreck sind ihrer Meinung nach Gründe dafür, dass so wenige Frauen den Weg in diese Branche finden würden. Dabei gäbe es genügend Perspektiven und viel Luft nach oben: „Es ist Wahnsinn, was man mit dieser Ausbildung alles machen kann.“ Wie es nach der Ausbildung weitergeht, weiß sie noch nicht. Zuallererst will sie einen guten Abschluss schaffen.