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Nach 21 JahrenWie zwei Kölnerinnen ein altes pharaonisches Grab gerettet haben

Lesezeit 5 Minuten
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Blick in die 3300 Jahre alte Grabkammer von Merit Re und Neferhotep, die in der Nekropole für Privatgräber al-Asasif liegt.

  1. Vor mehr als zwei Jahrzehnten lernte die Kölnerin Christina Verbeek die Ägyptologin Violetta Pereyra kennen.
  2. Sie suchte dringend nach jemandem, der eine 3300 Jahre alte Grabkammer restaurieren konnte.
  3. 21 Jahre lang arbeitete Verbeek gemeinsam mit Susanne Brinkmann an der Rettung des Fundes. Die beiden legten Erstauliches frei.

Köln – Unmögliches wird sofort erledigt, heißt ein Bürospruch, nur Wunder dauern etwas länger! – Die Zeit für Wunder lässt sich in diesem Fall genau bemessen: 21 Jahre. Über zwei Jahrzehnte sind die Kölnerinnen Susanne Brinkmann und Christina Verbeek in jedem Frühjahr für drei bis vier Wochen Tag für Tag in die dunkle Grabkammer von Merit Re und Neferhotep gestiegen, um sie Abend für Abend stets ein wenig lichter zu verlassen.

Der 3300 Jahre alte Pfeilersaal mit Vestibül, Nebenräumen und tiefem Schacht liegt im Gräberfeld des al-Asasif, im schroffen Vorgebirge am westlichen Ufer des Nils bei Luxor, nicht weit entfernt vom Tal der Könige. Der Zufall hat die Kölnerinnen hierher geführt. Als Christina Verbeek 1999 die Wandmalereien des Franziskaner-Konvents im argentinischen Córdoba restauriert, lernt sie dort Violetta Pereyra kennen. Die Ägyptologin suchte dringend nach Restauratoren in Ägypten. Denn der ägyptische Antikendienst verpflichtet die Wissenschaftler dazu, ein ausgegrabenes Objekt anschließend auch zu konservieren.

Kölnerinnen entdecken alte Figuren

„Als wir die Felskammer das erste Mal betreten haben, war das erst mal ziemlich ernüchternd“, erzählt Susanne Brinkmann. „Schwarz verrußte, rissige, schartige Wände, ungeschützt vor Wassereinbruch und Salzausblühungen“. Über Generationen hinweg hatten die Bewohner von El Qurna die Grabkammer als Kochstelle und für ihr Vieh genutzt. Franzosen und Engländer beschuldigten sich Mitte des 19. Jahrhunderts gegenseitig, viele Mumien darin verbrannt zu haben.

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Christina Verbeek reinigt eine Darstellung der Merit Re und ihres Gatten Neferhotep (l.)

Am Ende des Pfeilersaales sitzen Neferhotep („Schön ist die Gnade“) und seine Gemahlin Merit Re in Erwartung der aufgehenden Sonne und des Leben spendenden Lichts – und der Restauratoren, Absolventen der renommierten Kölner Fachhochschule. Die Herrschaften haben gelitten: zerbrochene Nasen, zerschlagenes Kinn, die ehemals weißen, zart gefältelten Gewänder verschmutzt.

Ein seltener Fund

An den Wänden sind die Szenen aus dem Leben des hohen Beamten unter dem Ruß kaum zu erkennen. Als oberster Schreiber am reichen Amun-Tempel von Karnak war Neferhotep einst Verwaltungschef. Er muss die Geschäfte zum Wohlgefallen Pharao Ejes (18. Dynastie) geführt haben, denn die Wände künden von jenem großen Augenblick, als der Pharao und seine Gemahlin dem Paar das Ehrengold überreichen.

In keinem anderen Grab wurden realistische Darstellungen des historischen Karnaktempels gefunden, des religiösen Zentrums Ägyptens. Allein in Neferhoteps Grab sind die Pylone, Flaggenmasten und Obelisken der Priestermetropole dokumentiert. Der Grabinhaber wird in Ehren von der Priesterschaft empfangen. „Einzigartige Bildsequenzen“, sagt Verbeek, „aber kaum erkennbar unter einer fettigen Rußschicht.“

Das Wunder der Restaurierung

Wer das Grab damals sah und heute wieder betritt, reibt sich die Augen. Die ganze Farbenpracht der Szenen strahlt so prächtig, als wäre sie eben aufgebracht worden. Die zwei Frauen, die in Köln gemeinsam das „Atelier für Restaurierung und Konservierung“ betreiben, haben das Wunder im Team mit ehemaligen Kommilitonen Schritt für Schritt vollbracht. Mit der dünnen Nadel haben sie die Hohlräume unter den Putzschichten hinterspritzt und gefestigt, die Malschichten gesäubert, Risse gekittet – finanziert nur von Spenden, die sie mit ihrem eigens gegründeten Verein Neferhotep e.V. einsammelten.

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Dann erhielten sie ein Forschungsstipendium der Düsseldorfer Gerda-Henkel-Stiftung. Dadurch konnten sie einen geradezu revolutionären Schritt nach vorne tun: Der erstmalige Einsatz von Lasertechnik in der Restaurierung altägyptischer Wandmalereien. Gemeinsam mit einer Aachener Laser-Firma und dem Dresdener Fraunhofer-Institut wurde der ursprünglich für die Industrie entwickelte portable Laser so modifiziert, dass die empfindlichen Wandmalereien zerstörungsfrei gereinigt werden konnten. „Die Laser waren für die Arbeit im Grab zu groß und zu schwer“, sagt Brinkmann. Aber die Firma ließ sich für das Projekt begeistern, entwickelte einen Rucksacklaser. „Wenn du mehrere Stunden am Tag damit arbeitest, geht das in Arme und Schultern“, sagt Brinkmann. Aber es ist wie ein Wunder: der Laser fährt in zehn Zentimeter Abstand über den Ruß und hinter ihm blühen die Farben auf.

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Mithilfe eines Lasergerätes kann die Restauratorin die Rußschicht zerstörungsfrei von den Wandmalereien entfernen.

Nun erzählen die Bilder wieder ihre Geschichten: Viehherden sind zu sehen, saftige Papyruswiesen, das grüne Nilufer. Ein Rind wird in einer Barke übergesetzt; ein nachlässiger Hirte erhält Hiebe. Es werden üppige Feste gefeiert. Eine Dame im plissierten Gewand hat dem Wein allzu reichlich zugesprochen. Sie wendet sich ab, eine andere Frau stützt sie, eine Dienerin eilt mit einem Gefäß herbei, das Malheur aufzufangen.

In zwei Jahren will der Ägyptische Antikendienst das Grab, das nun wieder zu den schönsten der gesamten Nekropole gehört, erstmals für Touristen öffnen. „Wir werden bis zum letzten Tag lasern“, erklären die Restauratorinnen. Die prächtige, mit textilen Ornamentmustern bemalte Decke soll noch aufgehellt werden. „Da müssen wir mit dem schweren Laser über Kopf arbeiten“, so Verbeek, „aber das Resultat, die Farbenpracht, ist eine tolle Belohnung.“

Trennung von Neferhotep und Merit Re

Fällt die Trennung von Neferhotep und Merit Re nach so vielen Jahren schwer? „Eine harte Nuss“, sagt Christina Verbeek. „Tatsächlich gäbe es noch viel zu tun“, so Susanne Brinkmann, „aber die ägyptischen Sicherheitskräfte machen uns das Leben schwer. Der Papieraufwand ist zermürbend.“ Vor zwei Jahren fehlte ein Papier und das gesamte Team musste unverrichteter Dinge zurück nach Hause. Eine frustrierende Episode.

Was am Ende bleibt? „Eine tolle Erfahrung, viele Freunde in Luxor, für meine Tochter wie ein zweites Zuhause“, sagt Verbeek. Und das zu neuem Leben erweckte Weltkulturerbe, ein Wunder, bewerkstelligt durch zwei Jahrzehnte uneigennütziges Engagement.