Die Gebührensatzung der Stadt Köln sieht einen Preis von bis zu 54 Euro pro Quadratmeter vor.
Wegen hoher WohngebührenGeflüchtete und Ehrenamtler verklagen die Stadt Köln
Der „Arbeitskreis (AK) Politik“ hat vor dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen Klage gegen die Stadt Köln wegen überhöhter Nutzungsgebühren für Geflüchtetenunterkünfte eingereicht. Am Dienstagvormittag haben sich Mitglieder der seit 2015 aktiven Vertretung der ehrenamtlichen Kölner Willkommensinitiativen um Marianne Arndt im Café der katholischen Kirche St. Theodor in Köln-Vingst versammelt, um diesen „aus unserer Sicht notwendigen Schritt“ zu begründen, wie Arndt sagt.
Hintergrund ist die Ende 2023 vom Stadtrat neu beschlossene Kölner Gebührensatzung für Übergangswohnheime, die Nutzungsgebühren von bis zu 54 Euro pro Quadratmeter in den von der Stadt zur Verfügung gestellten Unterkünften vorsieht. Für zahlreiche der Kölner Flüchtlinge, die keine Leistungen vom Jobcenter erhalten und ihren Lebensunterhalt in Deutschland weitestgehend selbst finanzieren, ist das Wohnen in Köln seitdem nahezu unbezahlbar geworden.
Denn: „Die neu verfasste Satzung unterscheidet nicht zwischen Zustand oder Ausstattung der Unterkünfte und berechnet sich maßgeblich auf der Grundlage der Anzahl ihrer Bewohner und Bewohnerinnen“, erläutert Rechtsanwalt Jakob Heering, der den Antrag im Namen von vier klagenden Personen und in Kooperation mit der ehemaligen Professorin im Fachbereich Sozialwesen, Dorothee Frings, und dem AK Politik formuliert Ende vergangenen Jahres eingereicht hat. Geflüchtete, die eine Arbeit aufnehmen, müssen der Klage zufolge in Köln unverhältnismäßig hohe Nutzungsgebühren für ihre Unterkünfte zahlen – auch bei Unterbringung in Mehrbettzimmern, Containern oder heruntergekommenen Gebäuden.
1251 Euro kalt für fünf Personen, die in einem Container leben
Für einen Bettenplatz in einem Gemeinschaftszimmer mit gemeinschaftlich genutzten Sanitärbereichen und Gruppenküche würden knapp 500 Euro verlangt, rechnet Jurist Heering abgeleitet aus den dem Antrag zugrunde liegenden Kölner Fällen vor. „Familien mit fünf Personen müssen ohne Heizkosten 1251 Euro im Monat zahlen, egal ob sie im Container oder in einer Wohnung untergebracht sind. Kommt ein Kind hinzu, steigt die Gebühr, obwohl sich die Wohneinheit nicht verändert“, so Heering.
Inara und Noar Erjon aus Albanien sind die Menschen hinter diesem Fallbeispiel. Die 30-Jährige und ihr 33 Jahre alter Ehemann sind 2018 aus Albanien nach Deutschland gekommen. Weil sie negative Folgen befürchten, hat die Redaktion ihre Namen geändert. Nach langer Zeit der Duldung – bei Bezug von Leistungen des Jobcenters – hat die Familie seit drei Jahren einen offiziellen Aufenthaltstitel. „Ich habe einen Job als Hausmeister gefunden und war froh, für uns sorgen zu können“, sagt Noar. Ehefrau Inara hat bis zu ihrer Schwangerschaft im Jahr 2024 als Verkäuferin in einer Kölner Bäckerei gearbeitet.
Kläger: Arbeitende Flüchtlinge werden durch Gebührenordnung zusätzlich benachteiligt
„Familien und Einzelpersonen, die in ihren Integrationsbemühungen äußerst engagiert sind, einer Arbeit nachgehen, die Familie finanzieren, können wegen der katastrophalen Wohnungsnot in der Stadt und der zusätzlichen Diskriminierung keine Wohnungen finden“, sagt Dorothee Frings. „Sie bleiben nicht freiwillig in den Gemeinschaftsunterkünften dieser Stadt – sie haben keine andere Wahl.“ Es sei fatal, wenn diese Menschen durch eine falsche Gebührenordnung zusätzlich benachteiligt würden.
Die Gebühren für Übergangsunterkünfte wurde im Dezember 2023 vom Rat der Stadt Köln beschlossen und müssen von der Verwaltung umgesetzt werden. Mit der Klage sollen nicht nur einzelne Gebührenbescheide geprüft werden – dafür wäre das Verwaltungsgericht zuständig – es geht um die Zulässigkeit der gesamten Satzung. Dafür ist ein sogenanntes Normenkontrollverfahren des Oberverwaltungsgerichts vorgesehen.
Zuvor hat der Kölner Flüchtlingsrat gemeinsam mit dem AK Politik Widersprüche formuliert, die viele betroffene Familien und Einzelpersonen gestellt haben, „und über die bis heute nicht entschieden worden ist“, so Frings, die die Gebührensatzung der Stadt wegen eines „Verstoßes gegen das so genannte Äquivalenzprinzip für rechtswidrig“ hält. „Es muss ein angemessenes Verhältnis von Nutzungsgebühren zum Gebrauchswert hergestellt werden“, fordert die Ex-Hochschullehrerin.
Arbeitskreis schlägt Vergleichspreise von Sozialwohnungen vor
Frings, der Jurist Heering sowie der AK Politik hoffen, dass die Stadt in den Dialog trete, Gestaltungsspielräume nutze und die Gebührensatzung in Kooperation mit den Kölner Willkommensinitiativen neu auflege. Eine Lösung könne im Sinn der betroffenen Menschen deutlich schneller als durch einen langwierigen Gerichtsprozess gefunden werden. „Etwa, indem man den Quadratmeterpreis von derzeit knapp acht Euro bei Sozialwohnungen statt des Durchschnittspreises auf dem freien Kölner Wohnungsmarkt für die betroffenen Menschen in den städtischen Unterkünften zur Berechnung zugrunde legt“, schlägt Frings vor.
Mit der aktuellen Satzung würden Geflüchtete, die sich integrieren und arbeiten, ausgegrenzt und entmutigt, meint Marianne Arndt. „Dem wollen wir mit der Klage etwas entgegensetzen.“