Viele Stellen in der Kölner Arbeit mit Geflüchteten sind gefährdet. Verbände und Vereine schlagen Alarm.
„Gefahr von Radikalisierungen und Übergriffen“Vereine warnen vor Kürzungen bei Kölner Flüchtlingsarbeit
Kölner Sozialverbände, Vereine und Willkommensinitiativen bangen um ihre Existenz – und warnen angesichts drohender Sparmaßnahmen vor einer massiven Gefährdung des sozialen Friedens in der Stadt. „Mit großer Sorge blicken wir auf die Zukunft der Geflüchtetenarbeit in Köln. Die drohenden Kürzungen und Streichungen der Mindeststandards, die in den letzten Jahren das Fundament unserer Willkommenskultur gelegt haben, sind nicht nur ein politisches Versäumnis – sie sind ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich Tag für Tag mit all ihrer Kraft und Engagement für eine offene, solidarische Stadt einsetzen“, schreiben sechs Kölner Organisationen, darunter der Flüchtlingsrat, die Diakonie und die Freiwilligen-Agentur in einer öffentlichen Erklärung. „Es droht ein Kahlschlag, der die über viele Jahre aufgebaute soziale Infrastruktur für Integration in Köln zerstört“, sagt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrats. „Dabei belegen Migrationsforschungen eindeutig, dass der Abbau sozialer Leistungen im Bereich Flucht und Migration den Rechtsextremismus stärkt – und nicht schwächt.“
Die Mindeststandard-Stellen sind Personalstellen, die die Netzwerk- und Stadtteilarbeit für geflüchtete Menschen in den Kölner Bezirken koordinieren. Laut der Vereine und Verbände soll eine Finanzierung im kommenden Haushalt in Gefahr sein.
Im Hinblick auf das Attentat mit islamistischem Hintergrund von Solingen und die politischen Reaktionen darauf „wäre eine Stärkung der Leistungen für die Arbeit mit Geflüchteten das richtige Signal gewesen“, sagt Peter Krücker, Vorstandssprecher der Caritas Köln, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Durch Kürzungen wird die Integrationsarbeit geschwächt. Damit erhöht sich die Gefahr von Radikalisierungen und auch von Übergriffen. Insofern erreicht eine Politik, die auf Abschreckung, Abschiebung und Überwachung, aber nicht auf integrative und soziale Arbeit vor Ort zielt, keine Stärkung der Demokratie – sondern das Gegenteil.“
Viele Förderprogramme im sozialen Bereich von Stadt, Land und Bund sind auf ein oder zwei Jahre angelegt. Bei einigen gibt es Signale, dass sie gestrichen werden sollen, andere sind es bereits. Die Stadt Köln hat bereits angekündigt, das Projekt Anonymer Krankenschein für die medizinische Versorgung von Bedürftigen aus Kostengründen zum Jahresende zu beenden. Das „Komm-an“-Programm des Landes, das die Integration von Flüchtlingen und Neuzugewanderten in den Kommunen stärken soll, ist für den Landeshaushalt 2025 nicht mehr vorgesehen. Die soziale Beratung für Geflüchtete wird gekürzt, das betrifft zum Beispiel die Begleitung von minderjährigen Geflüchteten – eine Zielgruppe, die besonders viel Unterstützung bei der Integration braucht.
Soziale Kürzungen in Köln: In Arbeitskreis sickerten Details durch
Auf kommunaler Ebene werde bislang lediglich intern darüber geredet, dass „dramatische Kürzungen in vielen Bereichen, vor allem aber bei den freiwilligen Ausgaben, die uns betreffen, geplant sind“, so Prölß. In einem Arbeitskreis sollen Details durchgesickert sein, die bei den betroffenen Trägern Panik ausgelöst haben.
Die Stadt spricht öffentlich bislang lediglich von „größten Herausforderungen“ und der Notwendigkeit „grundlegender struktureller Veränderungen sowohl auf der Aufwands- als auch auf der Ertragsseite“.
Kölner Flüchtlingsarbeit: Beschäftigte müssen sich arbeitssuchend melden
Kein neues, aber ein in diesem Jahr besonders dramatisches Thema ist die fehlende Planungssicherheit für viele Projekte, die von Jahr zu Jahr vergeben werden und an denen etliche zeitlich befristete Jobs zum Beispiel in der Kölner Flüchtlingsarbeit hängen: Da der kommunale Doppelhaushalt für 2025 und 2026 erst im November eingebracht und wohl nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet wird, musste allein der Flüchtlingsrat 29 befristet Beschäftigte auffordern, sich bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend zu melden. Zahlreiche andere Träger wie Wohlfahrtsverbände, aber auch Willkommensinitiativen sind ebenfalls betroffen – „und im Falle von Kürzungen existenzbedroht“, so Prölß. Bei der Caritas stehen beim Wegfall des Landesprogramms und der kommunalen Förderung acht von elf Stellen in der Flüchtlingsberatung auf dem Spiel.
Wenn der Haushalt für 2025 bis zum Jahresende nicht verabschiedet ist, dürfen freiwillige Leistungen nicht ausgegeben werden. Alle Organisationen und Verbände, die auf Zuschüsse angewiesen sind, stehen dann vor einer ungewissen Zukunft. Entweder sie streichen Stellen – oder sie bekommen in letzter Minute mündliche Zusagen und zahlen ihre Arbeitskräfte vorläufig aus anderen Etats.