Fünf Stellen in der Kölner Flüchtlingsmedizin sind aktuell vakant.
3,5 Mediziner-Stellen für 11.000 MenschenStadt Köln kann Geflüchtete nicht ausreichend gesundheitlich versorgen
Es ist kein neues Phänomen, dass die Kölner Stadtverwaltung nur schwer ihre freien Stellen im Gesundheitssektor besetzen kann: Viele Fachärztinnen und Krankenpfleger ziehen seit jeher besser bezahlte Jobs in Kliniken oder Praxen der Arbeit im öffentlichen Dienst vor. Besonders akut und schwerwiegend ist der Engpass aktuell in der Flüchtlingsmedizin: Wie aus einer Stellungnahme der Stadt Köln an den Gesundheitsausschuss hervorgeht, können die selbst definierten Mindeststandards bei der Versorgung von Geflüchteten aus Personalnot momentan nicht eingehalten werden. 5,5 der 8,5 Stellen in der Flüchtlingsmedizin sind aktuell vakant, teilt die Stadtverwaltung dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.
„Leider spüren wir den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen auch in der Flüchtlingsmedizin. Das bedauere ich sehr. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich die Lage verbessern wird“, sagt Sozialdezernent Harald Rau. „Unserem sehr erfahrenem Team der Flüchtlingsmedizin bin ich dankbar, dass es sich auch in dieser Situation des Engpasses so engagiert für eine gute Versorgung der städtisch untergebrachten Geflüchteten einsetzt.“
Köln: Gesundheitsamt wird Aufgabe der Grundversorgung nicht gerecht
Das Kölner Gesundheitsamt ist dazu verpflichtet, die notwendige medizinische Grundversorgung von Geflüchteten sicherzustellen und ihnen den Übergang ins Regelsystem der deutschen Gesundheitsversorgung zu erleichtern. Dazu gehören die Planung einer Tuberkulose-Screening-Untersuchung, eine Kontrolle des Impfstatus und Termine von gegebenenfalls notwendigen Impfungen und andere erforderliche Arzttermine. Diesen Grundaufgaben kann das Amt aufgrund der nicht besetzten Stellen nur zum Teil nachkommen.
So gibt es maximal zwei- bis dreimal pro Monat Impfsprechstunden in den Ankunftsunterkünften, Vor-Ort-Beratungen und Begleitungen besonders kranker Menschen zu Ärzten mussten genauso reduziert werden wie Einzelbetreuungen und Arztbesuche in den Unterkünften. Zum Teil könnten die Betreiber der Flüchtlingsunterkünfte diese Dienste übernehmen. Grundsätzlich haben Asylbewerber und geduldete Menschen auch Anspruch auf freie Arztwahl bei akuten Erkrankungen – gerade in den ersten Wochen und Monaten nach ihrer Ankunft sind nicht wenige aber damit überfordert, sich eigenständig um Termine bei den richtigen Ärzten zu kümmern.
„Man darf nicht vergessen, dass der Anteil erkrankter und traumatisierter Menschen in den Flüchtlingsunterkünften weitaus höher ist als im Durchschnitt der Bevölkerung“, sagt Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. „Oft müssen die Mediziner in den Einrichtungen auch akut intervenieren. 3,5 Stellen bei knapp 11.000 Menschen ist da natürlich viel zu wenig.“
Nicht wie vorgesehen sichergestellt werden kann laut Stadtverwaltung momentan auch die Erhebung medizinischer Bedarfe und des Impfstatus. Mitarbeitende des Fachbereichs Frühe Hilfen und die verbliebenen Medizinerinnen und Mediziner sollen im Austausch mit den Betreibern der Unterkünfte versuchen, zumindest die absolut notwendige Grundversorgung sicherzustellen.
Köln: Medizinische Beratung von Geflüchteten „nur sehr eingeschränkt möglich“
Von einer medizinischen Beratung, die zu einer schnelleren Anbindung an das Regelsystem mit eigenständigen Arztbesuchen führen soll, kann offenbar kaum die Rede sein: Dieser Service sei in den 166 Kölner Flüchtlingsunterkünften mit rund 11.000 Bewohnerinnen und Bewohnern angesichts von nur 3,5 besetzten Stellen „nur sehr eingeschränkt möglich“. Sichergestellt seien dagegen die Besuche zur Beratung von Schwangeren, von Genitalverstümmelung betroffenen Frauen und von Frauen im Wochenbett.
Bei der Flüchtlingsmedizin gehe es nicht nur um eine gesetzlich garantierte Grundversorgung, „sondern auch um Aspekte wie Kooperation und Haltung“, sagt Claus-Ulrich Prölß. „Medizinerinnen und Mediziner, die diese Stellen übernehmen, sind einer guten Sache verpflichtet. Das sollte gerade für viele junge Menschen attraktiv sein – die Stadt sollte sehr aktiv für die Besetzung dieser Stellen werben.“