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Autofreie Siedlung in NippesNur 60 Minuten Zeit für Auszug

Lesezeit 3 Minuten

Ursula Forner sitzt in ihrer Wohnung in der autofreien Siedlung auf 50 gepackten Kartons.

Ursula Forner sitzt an ihrem Küchentisch und blickt auf ein Schreiben des Ordnungsamtes. In der Wohnung der 78-Jährigen an der Straße Am Alten Stellwerk stapeln sich die Umzugskartons. Am Freitag will sie mit ihrem ebenfalls 78 Jahre alten Mann Johannes die autofreie Siedlung in Nippes verlassen und aus gesundheitlichen Gründen in ein Seniorenheim in Weidenpesch umziehen.

Doch das ist gar nicht so leicht, da die Stadt dem Ehepaar einen großen Stein in den Weg gelegt hat. Das von ihnen beauftragte Umzugsunternehmen darf mit seinem Lkw lediglich für eine Stunde in die Siedlung fahren und vor dem Haus parken. Erst für den Samstag hat das Ordnungsamt eine weitere Stunde zugestanden. Unverhältnismäßig erscheint der Umstand, dass bei Anlieferung großer Möbelstücke ebenfalls eine Ausnahmegenehmigung für eine Stunde erteilt wird.

„Wir haben 50 Kartons und jede Menge Möbel. Das ist in dieser Zeit überhaupt nicht zu schaffen“, sagt Forner. Der Sachbearbeiter teilt in seinem Schreiben mit, dass der Lkw in der übrigen Zeit außerhalb der Siedlung an der Lokomotivstraße oder an der Kempener Straße parken soll. Je nachdem bedeutet das eine Strecke von 150 bis 200 Metern. Die Umzugshelfer müssten diesen Weg also für den Transport aller Kartons und Möbelstücke zurücklegen, die nicht innerhalb der einen Stunde verladen werden können.

Der Umzugsunternehmer hat nun vorgeschlagen, alle Möbel und Kartons vor das Haus zu räumen, um schneller fertig zu werden. „Solange die Sonne scheint, funktioniert das, aber wenn es regnet, werden alle unsere Sachen nass“, sagt Forner. Zusätzlich bereiten ihr derzeit die Kosten Sorgen, die vermutlich wegen der längeren Arbeitszeit deutlich steigen werden.

Als das Ehepaar vor sieben Jahren in die neu gebaute Siedlung zog, gab es noch keine Probleme mit dem Umzugsfahrzeug. „Damals befanden sich hier noch überall Baustellen, so dass sich niemand daran gestört hat“, erinnert sich Forner.

Ihr Einfamilienhaus in Kerpen hatte das Ehepaar damals verkauft und sich ganz bewusst für die autofreie Siedlung entschieden. Das eigene Auto verkauften sie. „Wir leben auch gerne hier und gehen nur sehr ungerne weg“, so Forner. Das Konzept hält die Rentnerin nach wie vor für gelungen. Sie könne aber nicht verstehen, dass es in Ausnahmesituationen keine Sonderregelungen gibt, zumal der Lkw sich nach dem Hereinfahren nicht mehr bewegt, unabhängig davon, ob er eine Stunde oder einen ganzen Tag vor dem Haus steht. „Autofreiheit ist doch keine Religion“, sagt Forner.

Auch der persönliche Gang zum Ordnungsamt hat der 78-Jährigen nicht geholfen. Der Sachbearbeiter habe sie darauf hingewiesen, dass die Regelung in der Straßenverkehrsordnung ausnahmslos für alle Bewohner der autofreien Siedlung gilt. Amtsleiter Robert Kilp räumt ein, dass es sich um eine unglückliche Situation handelt, die aber ihre Richtigkeit habe. Ihm sei durchaus bewusst, dass ein Umzug normalerweise einen halben bis ganzen Tag in Anspruch nehme, zumal ein gesamter Hausrat bewegt werden muss.

„Das sind halt die Nachteile, wenn man unbedingt in einer autofreien Siedlung leben möchte. Da können wir nicht mehr als eine Stunde genehmigen“, sagt er. Es handele sich ohnehin um eine Ausnahmegenehmigung. Nun müsste die Stadt eine weitere Ausnahme hinzufügen. „So etwas geht, wenn überhaupt, nur in Abstimmung mit der Feuerwehr und dem Bauamt“, sagt Kilp.