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Bahnknoten KölnFahrdienstleiter trainieren im Trockenkurs für die digitale Zukunft

Lesezeit 4 Minuten
Eine S-Bahn fährt vom Hansaring Richtung Hauptbahnhof. Ab 2026 wird der gesamte Zugverkehr von einem neuen elektronischen Stellwerk aus gemanagt.

Eine S-Bahn fährt vom Hansaring Richtung Hauptbahnhof. Ab 2026 wird der gesamte Zugverkehr von einem neuen elektronischen Stellwerk aus gemanagt.

Ab Januar 2026 soll der Zugverkehr rund um den Kölner Hauptbahnhof mit neuer Technik gesteuert werden.

In einem improvisierten Trainingszentrum im Brügelmann-Haus am Deutzer Messekreisel hocken sechs Fahrdienstleiter vor einer Wand von Flachbildschirmen, auf denen die Züge rund um den Hauptbahnhof wie Lichtstreifen über die Gleise huschen. Rund 1200 sind es an einem normalen Werktag. Ihr Job ist es, sie möglichst störungsfrei durch den Kölner Bahnknoten zu quetschen. Kein Pendler wird sie jemals zu Gesicht bekommen, doch dass sie ihr Bestes geben, aus der veralteten und störanfälligen Infrastruktur mit unzähligen Baustellen herauszuholen, was irgend geht, ist Ehrensache.

Dem Frust der Kundschaft über Verspätungen, Ausfälle, Umleitungen, Gleisänderungen, Weichen- und Signalstörungen und Großbaustellen sind sie nicht ausgesetzt – an ihren Arbeitsplätzen in den zahllosen Stellwerken, deren ältestes, das Weichenwärter-Stellwerk im Bahnhof Köln-West, aus den 1930er Jahren stammt und seither nur einmal modernisiert worden ist.

Noch zwei Vollsperrungen vor der Umstellung

Jetzt hocken sie hier und trainieren die Zukunft im Trockenkurs. Die soll 2026 beginnen. Noch zwei Großbaustellen, die allen Mitarbeitern der Bahn in Köln alles abverlangen wird, dann soll manches besser laufen. Vom 2. bis 19. Mai fährt auf der linken Rheinseite zwischen Köln und Koblenz kein Zug, vom 14. bis 24. November ist der Hauptbahnhof vom Fern- und Regionalverkehr abgeschnitten.

Danach steht im Bahnknoten Köln auf dem westlichen Abschnitt zwischen Brühl, Erftstadt und Hürth-Kalscheuren und dem Hauptbahnhof und von dort weiter bis Deutz und Mülheim nach fünf Jahren Arbeit und einer Investition von 350 Millionen Euro das an, was die Bahn einen Quantensprung nennt. „Wir hüpfen hier mit einem Satz vom Atari 256 ins Digitalzeitalter“, sagt Rainer Krieger, Betriebsleiter für das Kölner Netz.

Wir hüpfen hier mit einem Satz vom Atari 256 ins Digitalzeitalter
Rainer Krieger, Bahn-Betriebsleiter für das Kölner Netz

Als der Atari 260ST im Dezember 1985 in den Handel kam, war Charlotte Furtmann (28) noch nicht geboren, ihr Kollege Jörg Stachowiak (42) gerade zwei Jahre alt. Jetzt sitzen die beiden Fahrdienstleiter im Trainingszentrum vor den Monitoren, auf denen der Zugverkehr der Zukunft simuliert wird. Von den Reisenden unbemerkt wird sich ein Wandel vollziehen, von dem die Bahn hofft, dass er einen der hochbelasteten Knoten in Deutschland weniger störanfällig machen wird.

10.05.2025
Köln:
Die Fluglotsen der Schiene. Die Bahn trainiert ihre Fahrdienstleiter im Trockenkurs für die Einsätze im neuen Stellwerk, von dem täglich 1350 Züge rund um den Hauptbahnhof gesteuert werden.
Foto: Martina Goyert

Charlotte Fuhrmann und Jörg Stachowiak (vorn) bei der Arbeit: Die Bahn trainiert ihre Fahrdienstleiter im Trockenkurs für die Einsätze im neuen Stellwerk, von dem täglich 1200 Züge rund um den Hauptbahnhof gesteuert werden.

Noch arbeiten Furtmann und Stachowiak auf dem Stellwerk im Bahnhof Köln-Süd, steuern von dort den Verkehr auf sechs Gleisen, von denen zwei dem Güterverkehr vorbehalten sind. Wenn die 28-Jährige aus dem Fenster des Stellwerks schaut, fahren vor ihren Augen die Züge vorbei, die sie freigegeben hat. Damit ist ab Januar Schluss. Das Stellwerk Köln-Süd wird abgeschaltet, Köln-West und Hürth-Kalscheuren ebenfalls. Auch das Weichenwärter-Stellwerk, ein Schätzchen aus den 1930er Jahren, ist dann Geschichte.

Insgesamt 15 Fahrdienstleiter werden ab Januar 2026 in einem modernen elektronischen Stellwerk in der Innenstadt arbeiten – an einem Ort, dessen genaue Anschrift die Bahn ungern preisgibt, weil dort alle Fäden zusammenlaufen. Die S-Bahn und der Abschnitt Deutz-Mülheim sind dort schon länger beheimatet, Mitte Mai kommt der linke Rhein, also der Kölner Westen bis Brühl, Hürth-Kalscheuren und Erftstadt hinzu, im November werden die Gleise 1 bis 9 des Hauptbahnhofs aufgeschaltet, über die der Fern- und Regionalverkehr läuft. Und der Betriebsbahnhof am Mediapark.

Ein bisschen schade ist es schon, dass ich die Züge nicht mehr sehen werde
Charlotte Furtmann, Fahrdienstleiterin

„Ein bisschen schade ist es schon, dass ich die Züge nicht mehr sehen werde. Wir sitzen halt weit weg vom Geschehen“, sagt Charlotte Furtmann. „Dafür haben wir mehr Verantwortung. Ich habe jetzt den kompletten Abschnitt im Blick und muss entscheiden, was bei einer Weichenstörung zu tun ist, ob es eine Ausweichmöglichkeit gibt.“

„Künftig werden wir Konflikte besser managen können“, hofft ihr Kollege Jörg Stachowiak. „Wenn zum Beispiel ein ICE aus Richtung Bonn mit hoher Geschwindigkeit auf Köln zufährt, hat es wenig Sinn, ihm einen Regionalzug, der aus der Eifel kommt, direkt vor die Nase zu setzen.“ Von einer liebgewonnenen Gewohnheit und einem besonderen Service, über den sich manch ein Pendler am Bahnhof Süd gewundert haben mag, muss er sich aber verabschieden. „Wenn ich sehe, da rennen zwei die Treppe runter und wollen den Zug noch kriegen und es gibt einen Puffer, rufe ich den Lokführer an. Warte mal einen Moment. Da kommen noch Zwei. Das werde ich künftig nicht mehr mitkriegen.“

Die S-Bahn auf den Gleisen 10 und 11 im Hauptbahnhof fährt schon seit 2021 mit dem neuen elektronischen System.

Die S-Bahn auf den Gleisen 10 und 11 im Hauptbahnhof fährt schon seit 2021 mit dem neuen elektronischen System.

Mehr Flexibilität verspricht sich der Betriebsleiter des Kölner Netzes auch von der Modernisierung der Signaltechnik. „Wir können jetzt in einigen Bereichen bei Störungen auch auf dem Nachbargleis in Gegenrichtung fahren, ohne zuvor jedem Lokführer schriftliche Anweisungen erteilen zu müssen, wie er sich zu verhalten hat“, sagt Krieger. Überdies könne man zwischen Köln-Süd und Hürth-Kalscheuren durch kürzere Signalabstände auch mal einen zusätzlichen Zug unterbringen.

Auf Dauer, das wissen im Trainingszentrum alle, lassen sich die großen Probleme aber nur durch den Streckenausbau lösen. Der Bahnknoten Köln wird auf absehbare Zeit ein Nadelöhr bleiben. Nur die Fäden werden ab 2026 etwas schneller eingefädelt. Dafür trainieren die Fluglotsen der Schienen vier Wochen lang im Brügelmann-Haus. Und verzichten sogar auf die freie Sicht von ihrem alten Stellwerk auf die Strecke.