Barcamp KölnPsychos, Lego und Yoga im Büro – Offene Konferenz erfreut viele Neulinge
Köln – Als Carsten Rossi in seinem Vortrag zu Kreativitäts- und Workshopideen das erste Mal das Wort „Lego“ ausspricht, schaut ein großer Teil der Anwesenden erstmal verdutzt und fragend durch den Raum. Doch es dauert nicht lange, bis der Geschäftsführer der Marketing-Agentur Kammann Rossi – einer der Sponsoren der Veranstaltung und Ideengeber des neuen Creativity Track – auf dem Kölner Barcamp erklärt, warum das bei Kindern beliebte Spielzeug ebenso für Unternehmen und Erwachsene interessant sein kann: Da die menschlichen Hände über besonders viele Verknüpfungen mit dem Gehirn verbunden sind, erläutert Rossi, könne es sehr förderlich sein, wenn Mitarbeiter bei der Projektplanung nachdenken, sprechen und zugleich die kleinen Steine zusammensetzen. Ebenso sei das Spielzeug sehr nützlich, um komplexe Unternehmens- und Kommunikationsstrukturen metaphorisch darzustellen: Eine Blume steht dann beispielsweise für Wohlstand, ein Rad für Dynamik, Augen für Kontrolle.
Es sind überraschende und erhellende Momente wie dieser, für den sich am Wochenende wieder rund 200 Frauen und Männer beim Barcamp Köln angemeldet haben. Die interaktive Konferenz, veranstaltet von Stefan und Katja Evertz, fand bereits zum achten Mal in den Räumlichkeiten der QSC AG in Köln-Ossendorf statt.
Teilnehmer gestalten das Programm selbst
An Barcamps besonders ist, dass alle Teilnehmer zu Beginn jedes Tages gemeinsam das Programm festlegen. Vorgaben gibt es dabei keine. Jeder, der etwas vortragen möchte, schreibt sein Thema nach einem gemeinsamen Frühstück auf einen Zettel und trägt seine Idee der gesamten Gruppe vor. Diese stimmt per Handzeichen über die unterschiedlichen Themen ab. Gemessen am jeweiligen Zuspruch werden dann die Konferenzräume vergeben und die Konferenz kann beginnen.
Das Spektrum an Themen ist breit gefächert: In vielen der Vorträge, sogenannten Sessions, geht es um Digitalisierung, App-Programmierung, Tipps gegen Fake-News, Kreativität und Teamstrukturen in Unternehmen. Dass es sich dennoch nicht immer um das Internet und die digitale Welt drehen muss, machen Sessions zu Trauerbewältigung, Yoga für Sitzende, den richtigen Umgang mit einer Bohrmaschine und Tipps zum Dachausbau deutlich.
„Newbies“ zeigen sich dankbar für die Offenheit
Das Kölner Barcamp als klassisches seiner Art ist traditionell ergebnisoffen, anders als etwa thematische Barcamps, wie es sie inzwischen oft in Deutschland gibt – von explizit Social-Media-Barcamps über Literatur, Gesundheit oder E-learning entdecken viele die Methode Barcamp für sich, um ergebnisoffen, hierarchiefrei und konzentriert zu relevanten Ideen und Wissenstransfer zu kommen und dazu noch eine Wohlfühlatmosphäre mit Spaßfaktor zu schaffen. Das ist mit ein Grund dafür, dass auch Unternehmen immer öfter interne Barcamps gestalten, um alle Mitarbeiter in Innovation und Weiterbildung einbeziehen zu können.
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Entsprechend zufrieden äußern sich Katja und Stefan Evertz als Mitbegründer und Organisatoren des Barcamps Köln, bei dem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch in diesem Jahr als Medienpartner und mit eigenen Sessions beteiligt war: „Wir freuen uns sehr, dass auch beim achten Barcamp Köln wieder rund ein Drittel der Teilnehmerinnen zum ersten Mal bei einem Barcamp und vom Format sehr angetan waren. Auch der erstmals etablierte ‚Creativity-Track‘ wurde so gut angenommen, wie wir uns es mit Kammann Rossi erhofft hatten.“
In der Abschlussrunde meldeten sich vor allem diese „Newbies“, also die Neulinge, und bedankten sich für die Offenheit einer solchen Veranstaltung, die Neues und Neue begrüßt und integriert.
Kreativ sein, Gedanken ordnen, Körper fit halten
Jede Session hat ihren ganz eigenen Charakter, ihren ganz eigenen Fokus. Jürgen Jehle und Jana Nagl von Kammann Rossi stellen Tools vor, mit denen jeder, auch ohne Vorkenntnisse, am Smartphone einfache Videos schneiden oder Stopmotion-Filme erstellen kann. David Frühauffs Session mit dem bezeichnenden Titel „Arschloch! – Destruktive Persönlichkeiten im Unternehmen“ führt am Ende zu einem beinahe therapeutischen Austausch vieler Teilnehmer über ihre Erfahrungen mit Psychopathen und Narzissten im Arbeitsalltag.
In Nils Müllers Session herrscht hingegen über weite Teile Stille: Die Teilnehmer sitzen über Papiere gebeugt, beschreiben Blätter mit langen handschriftlichen Bandwurmsätzen. Die Anweisung: Jeder soll sich eine Leitfrage überlegen und danach alles zu Papier bringen, was ihm dazu einfällt. Einfach laufenlassen, ohne Filter. „Schreiben, um zu denken“ heißt die Technik, die Müller vorstellt und die auf dem Buch „Schreibdenken“ von Ulrike Scheuermann basiert. Sie soll helfen, Gedanken zu klären und Ideen weiterzuentwickeln. Als ein „Gespräch mit dem Papier“ bezeichnet Müller die Methode. Der Vorteil des schriftlichen Gesprächs: Wer schreibt, ist gezwungen, bei seinem aktuellen Gedanken zu bleiben – zumindest solange, bis er ausformuliert ist. Gedankensprünge sind schwer, wenn man parallel mit den Händen Worte formt.
Während „Schreiben, um zu denken“ allein den Kopf sortieren soll, kümmert sich „Yoga für Sitzende“ um den Körper. Philipp Niemann erklärt die unterschiedlichen Yoga-Ausrichtungen und zeigt einfache Übungen für den Alltag. In einem Konferenzraum mit vielen Fenstern strecken die Teilnehmer Arme und Beine und atmen im Rhythmus. In einer richtigen Yogastunde müssten sie die Socken ausziehen, sagt Niemann. „Yoga mit Socken ist in etwa so sinnvoll wie Schwimmen mit Gummistiefeln.“
Infos zum Kölner Barcamp sowie eine Sammlung von Bildern und Texten zu dieser Ausgabe erscheinen in Kürze auf der Website des Barcamp Köln.
Eine Übersicht weiterer Barcamps in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verschiedenen Themen ist hier zu finden.