Bedrohlich oder chancenreich?Kölner Soziologin erforscht unsere Zukunftsvorstellungen
Köln – Ganz leicht fällt es Lisa Suckert nicht, positiv in die Zukunft zu blicken. Da geht es der 38 Jahre alten Mutter von zwei kleinen Kindern wie vielen anderen Menschen im Land. Wir stecken mitten in einem Krisenzeitalter: die Banken- und Finanz-Krisen, der Brexit, Corona. Und der Klimawandel natürlich, dessen Auswirkungen gerade erst beginnen, sich zu zeigen. All diese Krisen, die der Welt und unsere oft damit verbundenen ganz privaten, machen uns zukunftsmüde.
Suckert ist Wirtschaftssoziologin und befasst sich am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln mit Zukunftsvorstellungen. Diese leiden in Krisenzeiten, so viel steht fest. „Die Zukunft wird heute oft nicht mehr als etwas wahrgenommen, das Chancen bietet, sondern nur als etwas, das bedrohlich ist“, sagt Suckert.
Das ist nicht gut. Denn, so erklärt es die Wissenschaftlerin: „Wer die Zukunft positiv sieht, als einen Raum der Möglichkeiten, den er beeinflussen kann, ist natürlich eher bereit, in diese Zukunft zu investieren und etwas zu riskieren.“ Der nutzt also seine Kraft, um die Zukunft zu gestalten. Und genau das braucht das Land. Das braucht die Welt. Besonders in Krisenzeiten.
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Das Problem: „Die Zukunft gehört immer denen, die sie sich leisten können.“ Je höher der soziale Status, das Bildungsniveau, das Vermögen, desto positiver sähen Menschen im Durchschnitt die Zukunft. Die zurückliegenden zwei Krisenjahrzehnte hätten jedoch die soziale Ungleichheit in unserer Gesellschaft verstärkt. „Einige haben gelernt: Krisen können uns nichts anhaben“, sagt Suckert. Weniger privilegierte Teile der Bevölkerung hätten hingegen gelernt, dass auch vom Aufschwung, der auf jede Krise folgt, nichts bei ihnen ankommt. Sie seien abgehängt worden, nicht nur ökonomisch, sondern auch in Sachen Zukunftsperspektive.
„So kann man sich erklären, warum diese Narrative von einer Rückkehr in die Vergangenheit, die viele populistische Parteien nutzen, so gut verhaften bei denen, deren Zukunftshoffnungen enttäuscht wurden“, sagt Suckert. „Das Beste, das sie sich vorstellen können, ist eine Rückkehr in die Vergangenheit.“
In Deutschland sind das weniger als in anderen europäischen Ländern, das haben die Bundestagswahlen gerade gezeigt. Trotzdem sei es an der Zeit, wieder mehr Menschen zu ermöglichen, positiv nach vorn zu blicken, findet Suckert. Einfach wird das nicht. Die Politik und auch die Wirtschaft hätten schon zu oft viel versprochen und wenig gehalten. „Es müsste eine Erzählung etabliert werden, die über viele Gesellschaftsgruppen hinweg attraktiv erscheint und glaubhaft einen plausiblen Weg in eine positive Zukunft aufzeigt.“ Und es dürfe nicht bei der Erzählung bleiben, betont Suckert: „Ungleichheiten in unserer Gesellschaft müssen auch wirklich abgebaut werden.“
Zur Person
Dr. Lisa Suckert (38) ist seit 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. In ihrer wirtschaftssoziologischen Forschung setzt sie sich mit den Themen Zukunftsvorstellungen und Krisen, Kapitalismus sowie nachhaltigem Wirtschaften auseinander. Suckert hat Europäische Wirtschaft in Bamberg studiert und in Soziologie promoviert.
Denn: Eine Gesellschaft braucht ein positives Zukunftsszenario, um gut aus einer Krise herauszukommen. In der Corona-Pandemie etwa sei dies die Impfung, sagt Suckert. „Die Leute müssen daran glauben, dass man zu einer positiven Zukunft kommen kann, wenn sich alle impfen lassen.“ Wer nicht daran glaubt, macht nicht mit. Und so kann der fehlende Glaube an eine positive Zukunft eine Krise verstärken.
Wie alle Wissenschaftler weiß Lisa Suckert aus eigener Erfahrung, was eine unsichere Zukunft bedeutet. Sie liebt ihren Job. Aber Wissenschaftler werden hierzulande nur mit Zeitverträgen ausgestattet, nach maximal zwölf Jahren ist Schluss. „Nur wer am Ende die Professur bekommt, darf bleiben“, sagt Suckert. Das ist kein besonders nachhaltiger Umgang mit Know-how und sorgt bei immer mehr Wissenschaftlern für Ärger und Frust. Lisa Suckert blickt dennoch mit einem „skeptischen Optimismus“ auf die eigene unsichere Zukunft und die Krisen, die noch auf uns zu kommen. Schließlich erforscht sie die Zusammenhänge. Sie sagt: „Nur wer die Zukunft als Chance begreift, hat die Möglichkeit, sie zu gestalten.“