BeleidigungProzess um einen „Vollpfosten“

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Köln – In diesem Jahr hat er es in den Duden geschafft: der „Vollpfosten“. Die Bedeutung wird mit „sehr dummer Mensch“ erklärt. Um das Schimpfwort ging es am Mittwoch vor dem Amtsgericht. Angeklagt war Boris. H., ein 52-jähriger Lkw-Fahrer, der zurzeit seinem Beruf nicht nachgeht, weil er seine kranke Frau zu Hause pflegt. In einem Streit um einen Parkplatz soll er den pensionierten Lehrer Martin G. (68, Namen geändert), der in der nahe gelegenen Schule ein paar Stunden pro Woche unterrichtet, mit jenem Wort beleidigt haben. Überdies habe er sich der falschen Verdächtigung schuldig gemacht: Gegenüber der Polizei hatte er behauptet, er selber sei Opfer einer Beleidigung geworden.
„Finden Sie das fair?“
Im März dieses Jahres waren die Kontrahenten aufeinandergetroffen. Martin G. wollte in der Straße, die zu seiner Schule führt, seinen Pick-up rückwärts einparken, fuhr deshalb an dem entdeckten freien Platz vorbei und hielt – da eroberte sich Boris H. mit seinem Ford die Lücke. Darauf habe er seinen Wagen zurückgesetzt, sagte der Lehrer vor Gericht, das Fenster heruntergekurbelt und gesagt: „Finden Sie das fair?“ Im folgenden Schlagabtausch fiel das Wort „Vollpfosten“, das der Lehrer auf sich bezog. Doch Boris H. versichert, er habe nur so viel geäußert wie: „Ich bin doch kein Vollpfosten und parke kilometerweit weg.“
Er war es, der dann die Polizei rief – und womöglich wahrheitswidrig angab, Martin G. habe ihn als „Hurensohn“ beleidigt. Im Zeugenstand bekräftigte der Lehrer, „nie und nimmer“ käme ihm diese Vokabel über die Lippen, die „Sohn einer Prostituierten“ bedeute; sie als Schimpfwort zu benutzen sei „Sozialfaschismus“. Schließlich willigte er ein, seinen Strafantrag wegen Beleidigung als „Vollpfosten“ zurückzuziehen; aus Gründen der Verhältnismäßigkeit wurde auch davon abgesehen, den Vorwurf der falschen Verdächtigung aufzuklären. Nach der Einstellung des Verfahrens ging Martin G. zum Lkw-Fahrer und gab ihm versöhnlich die Hand. Der frotzelte: „Wenn Sie demnächst eine Parklücke suchen, sollten Sie sich ein kleineres Auto kaufen.“