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Infografik

Bundestagswahl 2025
So hängen AfD-Ergebnis und Wahlbeteiligung in Köln und Deutschland zusammen

Lesezeit 3 Minuten
Lange Schlangen am Schalter für die Direktwahl im Kalk-Karree.

Lange Schlangen am Schalter für die Direktwahl im Kalk-Karree.

Die AfD in Köln ist am stärksten dort, wo verhältnismäßig wenig gewählt wird. Wie passt das mit bundesweiter Rekordbeteiligung und Rekordergebnissen zusammen?

„Die AfD ist häufig dort stark, wo es ein niedriges Einkommens- und Bildungsniveau und eine hohe Arbeitslosigkeit gibt.“ Diesen Satz sagte Stefan Marschall, Professor für Politikwissenschaft an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, schon zu den Ergebnissen der Europawahl 2024.

Das Bild bestätigt sich bei dieser Bundestagswahl und mit Blick auf die Kölner Zahlen erneut. In Köln-Chorweiler, dem Veedel mit dem stärksten AfD-Ergebnis (mehr als 25 Prozent), gingen auch die wenigsten Wahlberechtigten zur Urne. 59,1 Prozent Wahlbeteiligung sind zwar deutlich mehr als die 32,5 Prozent bei der Europawahl im vergangenen Sommer, der Trend bleibt aber der gleiche. Je geringer die Wahlbeteiligung, desto besser das Ergebnis für die AfD.

Mit einem statistischen Instrument, der sogenannten Regressionsanalyse, haben wir die Ergebnisse mit den Beteiligungen verglichen. Erneut zeigt sich: Zufall ist nahezu ausgeschlossen, der Zusammenhang ist statistisch relevant.

60 Prozent der Unterschiede in den Wahlergebnissen der in Teilen gesichert rechtsextremen Partei zwischen den Wahlkreisen lassen sich durch das Modell erklären. Das bedeutet: Es gibt weitere Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen. Aber die machen weniger als die Hälfte aus. Eine geringe Wahlbeteiligung ist ein zuverlässiger Indikator dafür, dass die AfD einen hohen Anteil holen kann.

Wie passt das mit den bundesweiten Ergebnissen zusammen? Die AfD holte ein Rekordergebnis mit mehr als 20 Prozent der Zweitstimmen, aber die Wahlbeteiligung war gleichzeitig so hoch wie nie seit der Wiedervereinigung.

AfD in Köln profitiert von niedriger Wahlbeteiligung – und bundesweit?

Wir haben auch hier eine Regressionsanalyse durchgeführt und das Ergebnis ist weniger eindeutig. Auch auf Bundesebene ist der Zusammenhang signifikant, aber der Faktor, mit dem die Wahlbeteiligung das Ergebnis der AfD beeinflusst, ist geringer (nur bei etwa 20 Prozent).

Professor Marschall ordnet diese Ergebnisse ein: Die Analyse zeige, „dass es weitere Gründe für einen AfD-Wahlsieg geben muss“. Niedrige Wahlbeteiligung beeinflusse im Bundesvergleich die AfD-Ergebnisse also positiv, reiche aber alleine nicht aus, um die Wahlergebnisse zu erklären.

Die Annahme, „niedrige Wahlbeteiligung bedeutet hohes AfD-Ergebnis“ ist also nicht auf allen Ebenen gleich zu bewerten. Der Politikprofessor erläutert, dass es nicht verwunderlich sei, dass die Analyse zwischen den Veedeln ein deutlicheres Ergebnis zeigt, als zwischen den Wahlkreisen Deutschlands: Es gebe „weniger Varianz zwischen Veedeln als zwischen Wahlkreisen“, erklärt der Professor. Köln II (der Wahlkreis mit dem deutschlandweit niedrigsten Stimmenanteil der AfD) und Görlitz (der Wahlkreis in Sachsen mit dem höchsten AfD-Ergebnis, 46,7 Prozent der Zweitstimmen) unterscheidet mehr als nur die Wahlbeteiligung (88 Prozent in Köln, 80 Prozent in Sachsen).

Politikprofessor rechnet mit weiterem Aufwärtstrend der AfD

„Robuste Faktoren für die Erklärung von Wahlerfolgen sind sozio-ökonomische Rahmenbedingungen und Merkmale“, so Marschall. Und weiter: „So liegt die AfD-Quote in Wahlkreisen mit hoher Arbeitslosigkeit und einem niedrigen sozialen Niveau über dem Durchschnitt. Gerade in sozialen Brennpunkten ist die Unterstützung der AfD traditionell hoch – und zugleich die Wahlbeteiligung traditionell niedrig.“

Was das für die Zukunft der Bundesrepublik bedeutet? „Bei den nächsten Wahlen ist zu erwarten, dass sich der Aufwärtstrend der AfD noch verfestigen wird, wenn es den Parteien der demokratischen Mitte nicht gelingt, die soziale Verunsicherung anzugehen.“ Marschall sieht die Migrationspolitik der „sich abzeichnenden schwarz-roten Koalition“ als zentral. Außerdem rechnet er auch in der Verteidigungspolitik mit Investitionsbedarf.

Die Analysen zeigen also, dass es einen Zusammenhang zwischen der Wahlbeteiligung und dem AfD-Ergebnis gibt. Auch wenn der nicht überall gleich stark ist, zeigt er doch: Die Partei versteht es besser als viele anderen, ihre Wählenden zur Urne zu bewegen. Marschall spricht in diesem Zusammenhang von „Mobilisierungspotenzial“. Aber: Auch die Linke konnte bei dieser Wahl besonders gut mobilisieren. Das hat laut Marschall einen Grund: „Auf den letzten Metern konnte sich die Linke als «antifaschistische» Kraft profilieren und profitierte insofern von der Brandmauerdebatte und den migrationspolitischen Abstimmungen im Bundestag“, so Marschall