Bürgerverein in Köln-MerkenichMerkenicher wissen sich zu wehren
Merkenich – Heute würde man sie vielleicht Wutbürger nennen, die 750 Merkenicher, die 1961 die Protestversammlung in den Sartorysälen beinahe gesprengt hätten. Es ging um eine Tierkörper-Beseitigungsanlage, die die Stadt an der Causemannstraße plante. Die Merkenicher fürchteten den Gestank, der davon ausgehen würde. Schließlich waren sie schon geplagt von den Industrieabgasen aus den umliegenden Chemiebetrieben. Der Protest hatte Erfolg, die Tierkörper-Beseitigungsanlage wurde nicht gebaut. 1965 folgte der nächste Konflikt mit der Stadtverwaltung: Der Ortsfriedhof sollte aufgegeben werden. Wieder setzten sich die Merkenicher durch.
Es brauchte dann noch drei Jahre, bis der Wunsch nach einer bürgerschaftlichen Interessenvertretung Realität wurde: Im September 1968 gründete sich der Merkenicher Bürgerverein. Die Initiative hatten Josef Dick und Rudolf Klever ergriffen, beide von Beruf Lehrer. Klever wurde auch zum Vorsitzenden gewählt.
Mit Stolz schaute jetzt der Bürgerverein auf 50 Jahre Vereinsgeschichte zurück. Der Vorstand hatte zum Festempfang in den Pfarrsaal St. Brictius eingeladen. Durch den Abend führte Vorstandsmitglied Thomas Schmidt. Das musikalische Programm gestalteten Matthew Corley, der sich ebenfalls im Bürgerverein engagiert, und seine Frau Hildegund. Zu Akkordeon und Gitarre sangen sie Countrysongs.
Genau 96 Merkenicher erschienen 1968 zur Gründungsversammlung, binnen kurzem zählte der frisch gegründete Bürgerverein 200 Mitglieder. Diese Zahl ist im Lauf der Jahre konstant geblieben. Merkenich hat heute rund 6000 Einwohner. 1971 schlug erneut die Stunde des Bürgervereins, das Dorf war in seiner Existenz bedroht, genau wie Rheinkassel, Langel, Kasselberg, Feldkassel und Fühlingen. Im Norden sollte, wenn es nach dem Willen des damaligen Kölner Hochbaudezernenten Werner Baecker gegangen wäre, ein riesiges Industriegebiet am Rheinufer entstehen. Sogar von einem Atomkraftwerk war die Rede. Dafür hätten die Rheindörfer weichen müssen – die Stadtverwaltung sprach von „einer humanen Umsiedlung“.
Zehn Bürgervereine aus dem Kölner Norden – auch die Worringer, Niehler und Weidenpescher waren alarmiert – riefen für den 2. September 1971 zur Demonstration vor dem Rathaus auf, es kamen 2000 Menschen, die Stimmung war aufgeheizt. Die Stadt sah sich gezwungen, den Flächennutzungsplan zu überarbeiten, der Plan der Industrieansiedlung am Rhein wurde ad acta gelegt. Der Preis: Feldkassel wurde stattdessen Gewerbegebiet. Und die Rheindörfer bekamen durch den bis heute gültigen Regionalplan auferlegt, sich baulich nicht zu erweitern.
Der Regionalplan sei derzeit in der Diskussion und solle überarbeitet werden, sagte Ratsmitglied Birgitta Nesseler-Komp, die neben weiteren Vertretern aus der Politik und den Vereinen zur Feier erschienen war. „Diese künstliche Kleinschrumpfung damals bedeutet heute für Merkenich ein Entwicklungshindernis.“ Die CDU-Ratsfraktion sei dafür, ein moderates Wachstum zuzulassen. „Merkenich soll endlich eine städtebauliche Struktur bekommen, das ist auch im Stadtrat schon angesprochen worden“, so Nesseler-Komp.
Dauerthema für den Bürgerverein ist derzeit der Neubau der Leverkusener Autobahnbrücke. Immerhin habe man erreicht, dass die neue Brücke nun doch breitere Radwege bekommt als ursprünglich vorgesehen, sagte Thomas Schmidt. Auch der zähe Kampf um mehr Einkaufsmöglichkeiten habe Wirkung gezeigt: Auf dem städtischen Grundstück an der Causemannstraße wird Wohnbebauung entstehen, mit Gewerbefläche für einen Supermarkt.
Im Ort werden seit Jahren auch eine Metzgerei und eine Apotheke vermisst, doch zeichne sich keine Lösung ab, sagte Schmidt. Weitere Themen, die den Bürgerverein derzeit beschäftigen, sind unter anderem der tägliche Verkehrsstau, passiver Lärmschutz für die Brücken-Anwohner, der Bau neuer Radwege und die Verlängerung der Straßenbahnlinie 12 nach Feldkassel.
Zum Jubiläum ist ein Kalender 2019 mit Merkenich-Motiven schienen, er kostet fünf Euro – das Geld geht an die Sommerferienaktion der Katholischen Pfarrgemeinde.