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Flügel gestutztKölner Züchter klagt über Verstümmelung seiner Brieftauben

Lesezeit 3 Minuten

Brieftaubenzüchter Helmut Lüpschen

Köln-Auweiler – Vor einigen Wochen hatte Nummer 380 großes Pech. Bei einem Preisrennen sollte die Taube 220 Kilometer nach Hause fliegen. Als der Vogel nach 24 Stunden und viel zu spät endlich im heimischen Taubenschlag saß, erkannte Helmut Lüpschen schnell, dass etwas nicht stimmte. Unbekannte hatten dem Tier die Flügel gestutzt.

„Sie haben ihr auf einer Seite die Hälfte der Hauptschlagader abgeschnitten“, erzählt der 70-Jährige. Die Taube kann dann nur unter erheblichen Anstrengungen fliegen. Wer tut so etwas? Der Auweiler Taubenzüchter zuckt mit den Schultern. Er kann bloß Vermutungen anstellen: „Tierschützer vielleicht oder andere Züchter.“ In den letzten zwei Jahren waren sieben seiner Tauben betroffen. Im August aber beginnt die Mauser, und Nummer 380 bekommt ein neues Federkleid.

Helmut Lüpschen züchtet Brieftauben. Wie schon sein Großvater und Vater zuvor hegt und pflegt der 70-Jährige rund 230 Tauben. Sie leben in geräumigen Außenkäfigen und Ställen im Hof hinter seinem Haus in Auweiler. Die Vögel gurren, scharren mit den Füßen und klopfen ihre Flügel aus, so dass der Federstaub die Luft kurz vernebelt. Der Nachwuchs tummelt sich vor den Käfigen und pickt auf dem Rasen.

Bereits als Achtjähriger trat Lüpschen in den Brieftaubenverband ein, seit 62 Jahren ist er Mitglied. „Ich bin in der Landwirtschaft groß geworden, Tiere sind das Schönste, was es gibt“, sagt der Rentner. Die Brieftaubenzucht aber ist ein Vollzeitjob. Dreimal täglich säubert er Stall und Käfig. Jeden Dienstag, sagt er, sei Badetag. Die Tiere haben statt Namen Nummern, er nennt sie aber liebevoll Hänschen oder Schatz. Zweimal am Tag, morgens und abends und immer zur gleichen Zeit, lässt er die Tiere fliegen. Bis zu zwei Stunden sind sie unterwegs.

230 Tauben hegt und pflegt Helmut Lüpschen. Dreimal pro Tag säubert er Stall und Käfig.

Briefe tragen die Tiere schon lange nicht mehr. Stattdessen nehmen sie an Rennen teil, es ist ein richtiger Sport. Lüpschen gehört zur Reisevereinigung Frechen, in der 23 Züchter organisiert sind. Von Klein auf trainiert er seine Vögel. „Ich bringe sie einige Kilometer weit weg, und sie müssen dann nach Hause finden“, berichtet der Züchter. Die Route wird Schritt für Schritt verlängert. Die Vögel orientierten sich wohl an der Sonne und Lichtstrahlen und fänden so nach Hause, erläutert Lüpschen. Am Fuß tragen sie einen elektronischen Ring mit einem Code und der Telefonnummer des Züchters.

Bei mehrmals im Jahr organisierten Wettbewerben werden die Tiere bis zu einem Startpunkt transportiert. Von dort fliegen sie nach Hause – vor einigen Wochen etwa aus dem 300 Kilometer entfernten Forchheim. Ende Juli starten sie im österreichischen St. Valentin, rund 630 Kilometer weit weg von Auweiler. „Das schaffen meine Tauben in acht Stunden“, sagt Lüpschen. „Wenn die all diese Kilometer geflogen sind und dann nach Hause kommen, ist das einfach toll.“

Doch am Brieftaubensport gibt es auch Kritik. Die Tierschutzorganisation Peta beispielsweise schreibt auf ihrer Internetseite, dass es viele der Tiere nach den Reisen nicht mehr nach Hause schafften, sie verendeten oder strandeten in fremden Städten. Den Züchtern gehe es nur um Auszeichnungen, sie würden die „Verzweiflung der Tiere“ nutzen, möglichst „schnell zurück nach Hause“ zu finden. Der Sport verstoße gegen das Tierschutzgesetz.

Dem Züchter des Siegertiers winken in der Tat Preisgelder, die im sechsstelligen Bereich liegen können. Eine erfolgreiche Taube kann 250 000 Euro wert sein. Mit der Anzahl der errungenen Siege steigt naturgemäß der Preis.

Eigentlich ein lukratives Hobby – trotz allem ist die Brieftaubenzucht laut Lüpschen eine aussterbende Zunft. „Ich bin der Jüngste in unserer Reisevereinigung“, sagt er. Es sei ja auch ein teures und zeitintensives Hobby. „Aber mein jüngster Sohn züchtet ebenfalls. Ich hoffe, dass er irgendwann alles übernimmt.“