Fühlinger vermissen Kneipe„Wir Älteren sehen uns nur noch auf dem Friedhof“
- Sozialdezernent Harald Rau und Josef Ludwig vom Wohnungsamt erkundeten in Fühlingen die Stimmung unter den Bürgern
Köln-Fühlingen – Erwartungen, die demnächst aus anderen Stadtteilen an ihn herangetragen werden könnten, dämpfte Sozialdezernent Harald Rau lieber schon mal im Vorhinein: „Einen solchen Abend werden wir nicht für jeden der 86 Kölner Stadtteile durchführen können, das ist klar. Fühlingen ist ein Sonderfall, wenn hier wirklich 240 Flüchtlinge angesiedelt würden, hätte der Stadtteil mit zwölf Prozent stadtweit eine führende Rolle. Die Flüchtlinge wollen wir aber nicht verwahren, sondern integrieren, also müssen wir dafür sorgen, dass bei der Infrastruktur nachgebessert wird.“
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In Fühlingen fand zum ersten Mal überhaupt in Köln ein „Stadtteilgespräch“ statt: Allein die Probleme eines einzigen Stadtteils standen im Mittelpunkt. Die Idee dazu hatte Rau. Bei einer Veranstaltung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in Fühlingen vor einem Jahr hatten ihn die Argumente der Gegner offenbar derart beeindruckt, dass er damals die Idee eines Stadtteilgesprächs ins Spiel brachte. Der Bürgerverein "Wir Fühlinger" griff die Anregung dankbar auf. Die Resonanz war groß: Es kamen rund 100 Menschen. Über mehr als drei Stunden wurde im Pfarrsaal St. Marien lebhaft und engagiert diskutiert.
Es machte sich sogar eine gewisse Euphorie breit. „Das ist toll, dass man mal angehört wird und Wünsche äußern darf“, freute sich etwa eine Frau. Anwesend war auch Bezirksbürgermeister Reinhard Zöllner, der sagte: „So ein Stadtteilgespräch ist eine interessante Sache, zumindest ein Anfang. Die strukturellen Mängel von Fühlingen sind typisch für unseren Stadtbezirk, das wird schon lange von der Bezirksvertretung thematisiert.“
An Thementischen wurden diskutiert
Die Stadtverwaltung war mit acht Mitarbeitern fast in Mannschaftsstärke erschienen, neben Harald Rau nahm auch Josef Ludwig, Leiter des Wohnungsamtes, teil. Bettina Baum, persönliche Referentin des Sozialdezernenten, hatte mit ihrem Team den Abend vorbereitet. Der Ablauf war klar strukturiert: An jedem der vier Thementische saßen sogenannte Gastgeber, die das Gespräch leiteten, auch selbst Lösungsvorschläge anboten.
Auf Papierbahnen konnten die Bürger Kritik und Anmerkungen hinterlassen. Und jeder, der einer Meinungsäußerung zustimmte, markierte den jeweiligen Satz mit einem roten Punkt - automatisch zeigte sich so eine Hitliste der drängendsten Fragen. Alle 20 Minuten gab es einen Tischwechsel. Zu guter Letzt wurden die Ergebnisse zusammengetragen und im Plenum diskutiert. Ein Ergebnisprotokoll werde dem Bürgerverein zugesandt sowie auf der städtischen Webseite veröffentlicht, erklärte Rau.
Kinder und Jugend: In Fühlingen fehlen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche. Es gibt nur eine Kita, die aber ist bereits zu 100 Prozent belegt. Auch die Schüler müssen weite Wege in Kauf nehmen, fahren täglich in benachbarte Stadtteile wie Merkenich, Seeberg oder Volkhoven. Die Jugendgruppe des Bürgervereins verfolgt derzeit den Plan, einen Bolzplatz anzulegen, und sucht dafür nach einem geeigneten Grundstück.
Sport und Freizeit: Schmerzlich vermisst wird eine Kneipe. „Wir Älteren sehen uns nur noch auf dem Friedhof“, schilderte ein Teilnehmer. „Ich kann nicht verstehen, dass das Gasthaus Fühlingen seit Jahren leer steht.“ Der Bürgerverein möchte das Pfarrheim stärker zum Treffpunkt ausbauen. Dafür seien Investitionen nötig, sagte Norbert Radke vom Verein.
Wohnen und Nahversorgung: Josef Ludwig erklärte, statt 240 Flüchtlinge würden nur 120 kommen. Das stieß allerdings auf Misstrauen. Der Wunsch nach einem Supermarkt mit Vollsortiment bekam die meiste Punktzahl.
Mobilität: Gefordert wurde etwa eine Buslinie in die Rheindörfer, ebenso eine engere Taktung der Linie 120.