Funktionäre der Taliban hätten in Deutschland „nichts zu suchen“, so Innenministerin Nancy Faeser. Sie fordert Aufklärung von Ditib.
Faeser fordert AufklärungHoher Taliban-Funktionär spricht in Ditib-Moschee in Köln
Ein hoher Funktionär der radikalislamischen Taliban ist am Donnerstag vor Muslimen in der Ditib-Moschee in Köln-Chorweiler aufgetreten. Abdul Bari Omar ist laut einem Sprecher des NRW-Innenministeriums Leiter der Lebensmittel- und Arzneimittelbehörde der Taliban in Afghanistan.
Auf der Plattform X (ehemals Twitter) kursieren Videos mit dem hohen Vertreter des Regimes. Auch der erste Pressesprecher der Taliban twittert den Besuch. Omar warnte in seiner Rede davor, „den Medien zu glauben“. Die Taliban-Regierung in Afghanistan solle „an ihren Leistungen gemessen werden“. In Afghanistan herrsche Sicherheit, der Wiederaufbau des Landes sei „in vollem Gange“. Ein Video mit Auszügen aus seiner Rede veröffentlichten die Taliban selbst auf der Plattform X. Omar war bereits Mitglied des Taliban-Kabinetts, das 2021 an die Macht kam.
Ditib erteilt afghanischem Kulturverein Hausverbot
Die Pressestelle der Ditib bestätigte den Besuch des mächtigen Taliban in Chorweiler – und beschuldigte den Afghanischen Kulturverein Meschenich e. V., der einen Raum in der Moschee gemietet habe und deren Vertreter vor Ort gewesen seien. Es sei „entgegen vertraglicher Vereinbarung zu einer politischen Veranstaltung“ geworden, zu der „ein uns unbekannter Redner eingeladen wurde“. Dies verstoße gegen die vertragliche Vereinbarung und stelle Hausfriedensbruch dar. „Wir werden dies nicht dulden und erteilen dem Verein Hausverbot.“
Der Verein selbst bestritt jegliche Verbindung zu der Veranstaltung in der Moschee. „Wir betonen eindeutig, dass wir weder an der Anmietung des Veranstaltungsraumes beteiligt waren, noch waren Mitglieder unseres Vereins anwesend“, sagte ein Sprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Man habe keine Verbindungen zu den Organisatoren der Veranstaltung und lehne die Handlungen entschieden ab. Der Verein habe bereits rechtliche Schritte eingeleitet.
„Ein Fehler, der der Ditib sehr peinlich sein muss“
Auch die Ditib stritt „jede – auch nur geistige – Nähe zu Taliban“ ab. Die Staatskanzlei NRW nennt die „klare Distanzierung der Ditib Chorweiler“ einen „ersten wichtigen Schritt“. Alle Details müssten nun vollumfänglich aufgeklärt werden. Eren Güvercin, Ditib-Kenner und eine der lautesten Stimmen gegen den politischen Islam in Deutschland, hält die Distanzierung der Ditib für durchaus glaubwürdig. „Hätten sie von dem Besuch gewusst, wäre der Taliban-Funktionär dort sicher nicht aufgetreten. Das war ein Fehler, der der Ditib sehr peinlich sein muss.“
Nach den Terror-Anschlägen der islamistischen Hamas gegen israelische Zivilisten am 7. Oktober habe „die Ditib Fragen nach der antisemitischen Hetze des geistigen Führers der Ditib, Ali Erbas, leider nicht derart postwendend beantwortet“. Erbas leitet die türkische Religionsbehörde Diyanet und ist damit auch Oberhaupt der deutschen Ditib-Verbände, die der Diyanet unterstehen.
„Eine Distanzierung ist ausgeblieben“
Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei, hatte nach dem Massaker der Hamas mit mindestens 1400 ermordeten Israelis gefordert, die Ditib müsse sich von der antisemitischen Hetze von Erbas distanzieren, um an Schulen weiter islamischen Religionsunterricht verantworten zu dürfen. „Eine solche Distanzierung ist ausgeblieben“, sagt Güvercin. Auch Fragen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu antisemitischer Hetze hatte die Ditib nicht beantwortet.
Am Samstag forderte dann auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Aufklärung von der Ditib. „Der Auftritt des Taliban-Vertreters in Köln ist vollkommen inakzeptabel und scharf zu verurteilen“, schrieb Faeser bei X. „Niemand darf radikalen Islamisten in Deutschland eine Bühne bieten. Die Taliban sind für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich.“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser fordert Aufklärung von Ditib
Funktionäre der Taliban hätten in Deutschland „nichts zu suchen“, führte Faeser aus. „Die zuständigen Behörden gehen dem Fall intensiv nach. Ditib muss schnell und vollständig aufklären, wie es zum Auftritt kommen konnte.“
Wie Abdul Bari Omar nach Deutschland gelangen konnte, ist unklar. Mit der Machtübernahme in Afghanistan im September, so ein Sprecher des Innenministeriums, handle es sich „ab diesem Zeitpunkt nach Bewertung des Generalbundesanwalts“ bei den Taliban nicht mehr um eine terroristische Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuches. Somit sind sie in Deutschland auch nicht verboten.
Auswärtiges Amt hat keine Kenntnis über Aufenthalt von Abdul Bari Omar
Nähere Angaben wollte das Innenministerium nicht machen. Da Aussagen darüber, ob einzelne Personen oder Organisationen vom NRW-Verfassungsschutz beobachtet würden, sich negativ auf dessen Arbeit auswirken könnten, äußere man sich dazu außerhalb von Jahresberichten nicht.
Das Auswärtige Amt teilt auf Anfrage dieser Zeitung mit, keine Kenntnis über den Aufenthalt von Abdul Bari Omar in Deutschland zu haben. „Die Reise wurde uns nicht angekündigt und wir verurteilen den Auftritt auf das Schärfste.“ Zu den Personendaten sei kein Visum an einer deutschen Auslandsvertretung erteilt worden. Weitere Maßnahmen würden nun geprüft. Eine Normalisierung mit dem Regime werde es nicht geben, solange die Taliban „die Hälfte der afghanischen Bevölkerung von gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen und in eklatanter Weise die Menschenrechte, insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen mit Füßen treten“.
Taliban gelten seit Machtübernahme nicht mehr als Terrororganisation
Die Radikalislamisten regierten in Afghanistan bis 2001 und wurden nach den Anschlägen vom 11. September durch eine von den USA geführte Militärkoalition gestürzt. Nach einem jahrelangen Bürgerkrieg und dem Rückzug der westlichen Truppen gelangten sie vor zwei Jahren dann wieder an die Macht.
Die Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Dieser Besuch macht fassungslos.“ Sie erwarte von der Ditib-Zentrale eine umgehende Klärung, wie der Besuch eines Taliban-Vertreters in Köln-Chorweiler zustande kam.
Der Artikel wurde mit der Stellungnahme des Afghanischen Kulturvereins Meschenich e. V. und dem Statement von Bundesinnenministerin Nancy Faeser aktualisiert.