Fast Food der anderen ArtBratwurst und Bánh mì im rollenden Grill
- Thi-Hang Mai ist in Chorweiler aufgewachsen.
- Seit letztem Jahr arbeitet sie daran, aus ihrem Hobby Grillen einen Beruf zu machen.
- Unterwegs auf Events ist sie mit einem mobilen Grillwagen, den sie selber mit Freundinnen konstruiert hat.
Chorweiler – Das Wichtigste ist das Feuer. Es zu entzünden, braucht Geduld. „Wenn ich privat grille, nehme ich mir viel Zeit, puste ewig lang, wedele eine Stunde herum, dabei entspanne ich mich, genieße das sehr“, erklärt Thi-Hang Mai. Sie sieht ein bisschen ulkig aus, trägt einen Bambushut, wie man ihn von Fotos von Arbeitern auf vietnamesischen Reisfeldern kennt. „Ja, das ist das Klischee, ein bisschen Berufsbekleidung muss sein“, sagt die 35-Jährige lachend. Sie ist in Köln geboren, in Chorweiler-Nord aufgewachsen, wohnt am Eigelstein und fand über ihre Grillleidenschaft zu ihren vietnamesischen Wurzeln.
Hobby zum Beruf gemacht
Seit letztem Jahr arbeitet sie daran, aus ihrem Hobby, einen Beruf zu machen, hat als Grillköchin ein Gewerbe angemeldet. Ein Zahnarzt hat sie für ein Betriebsfest unter freiem Himmel engagiert. Zu bewirten sind 30 Personen. Es muss also schnell gehen. Deshalb benutzt sie einen Grillbooster. Das ist ein kleines, rundes Gerät mit einem Gebläse in der Mitte. Durch das wird Luft eingesogen. Die Grillkohle kommt im Nu auf Touren: Zuerst wird ein Röhrentopf mit Brikett befüllt. Zwei Stück Anzünder liegen schon auf dem Booster, der Topf kommt oben drauf. Dann steckt Thi-Hang Mai mit einem Streichholz die Anzünder an, sofort beginnt die Kohle zu zischen, bis sie glüht.
„Grillmaster Hang“
Im privaten Kreis hatte sie schon oft gegrillt, als vor drei Jahren zwei Freundinnen auf die Idee kamen, einen mobilen Grillwagen für sie zu bauen. Sie funktionierten einen Fahrradanhänger um, schreinerten einen Herd aus Holz mit einem darin versenkten Kugelgrill. Eltern und Geschwister spendierten das Zubehör. „Für mich steht der Grill für alles Mögliche, vor allem für Familienzusammenhalt und Freundschaft“, sagt Hang, die auch unter dem Namen „Grillmaster Hang“ firmiert.
Eine Freundin hilft an diesem Abend, die Theke aufzubauen und die Speisen anzurichten. Serviert werden unter anderem Sommerrollen aus Reispapier mit Tofu, Garnelen und Gemüse, Satéspieße, mit Hackfleisch gefüllte Betelblätter, gegrilltes Rindfleisch und vegane Burger. Dazu Bánh mì, das typisch vietnamesische Baguettebrot. Maximal 150 Menschen zu begrillen, das traut sich Hang zu. „Ich kann nicht nur vietnamesische Küche, auch das klassisch Deutsche wie Kartoffelsalat und Bratwurst, das kann ich auch.“
Wintergrillen in den kalten Monaten
Sie hat große Pläne: Für den Grillwagen soll demnächst ein Transporter her, bislang tut es ein Anhänger. Sie möchte einen Catering-Service aufbauen. In der kalten Jahreszeit bietet sie Wintergrillen an, sie kommt auch ins Haus und bereitet ein mehrgängiges Menü zu. Noch gelinge es nicht, den Lebensunterhalt davon zu bestreiten, sagt Hang. Halbtags arbeitet sie in einer psychosozialen Beratungsstelle. Sie hat Psychologie studiert, kürzlich ihre Masterarbeit abgegeben. Ihr Lebenslauf ist bunt: Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Eventmanagerin bei einem Hochzeitsplaner, jobbte als Kellnerin, in der Marktforschung, hat auch mal eine Zeit lang in Australien gelebt.
Vor Gästen zu kochen, ist ihr lieber
Als Grillköchin verfolgt sie ein klares Konzept: Über Streetfood-Festivals zu tingeln, reizt sie nicht. Sie zieht einzelne Events vor: „Beim Life Cooking entsteht eine schöne Verbindung zu den Gästen, sie stehen herum, schauen zu, reden, ich bekomme viel Anregung, daran erfreue ich mich, ich gebe viel und kriege viel, die Leute bringen gute Stimmung mit, fragen, was ist da drin, wie wird das gemacht, woher kommst du.“
Die eigene Herkunft beschäftigt sie
Die Frage nach ihrer Herkunft hat Hang viele Jahre beschäftigt – erst durch den Grillwagen habe sie eine Antwort darauf gefunden, erklärt sie. „Ich saß immer zwischen zwei Stühlen, hatte Probleme mich zu akzeptieren, wusste nicht, wohin ich gehöre.“ Seitdem sie mit dem Grillwagen unterwegs ist, habe sie das Gefühl, innerlich in ihrer eigenen Mitte zu sein. „Streetfood meint ja ursprünglich, man spezialisiert sich auf ein Ding und verkauft nur das, und wenn ich in Vietnam durch die Straßen gehe, sehe ich, es wird gelebt, man hat sein Wägelchen und steht auf der Straße. Mein mobiler Grill hat mir geholfen, mich und meine zwei Kulturen anzunehmen.“
Vater floh aus Asien
Hangs Familiengeschichte ist voller Brüche: Ihre vietnamesischen Urgroßeltern waren nach Laos ausgewandert. Im Zuge der kommunistischen Säuberungswelle floh ihr Vater 1980 nach Europa, landete in Chorweiler, holte Frau und fünf Kinder nach. Hang, die Jüngste, wurde als einzige in der Familie in Deutschland geboren. Hang spricht Deutsch und Vietnamesisch. „Ich habe viel darüber nachgedacht, wie das wohl für meine Eltern war, mit Anfang 30 plötzlich in einem Hochhaus zu wohnen, da gab es 95 Prozent Vietnamesen, jede Familie besaß eine Karaoke-Anlage.“
Die 70-jährige Mutter lebt nach wie in Chorweiler. Sie frage sich auch oft, wie es sich für Eltern anfühlt, wenn die Kinder durch die Kultur des Ankunftslandes so stark geprägt werden, dass die eigene nicht mehr dagegen ankommt. In letzter Zeit hat sie sich auch öffentlich mit ihrem familiären Hintergrund auseinandergesetzt. Im vergangenen Jahr ließ sie sich mit Familienangehörigen für das Fotoprojekt „50765 Chorweiler - Das Dorf der hohen Häuser“ porträtieren.
Teile eines Fotoprojekts
Die Fotos wurden im Juli 2018 in einer Ausstellung im City-Center gezeigt. Und im Mai machte sie mit beim Theaterstück „City of Faith – Glaubt doch, was ihr wollt“, das im Rahmen des Sommerblut-Festivals entstand. Thema war die Vielfalt der Religionsgemeinschaften in Chorweiler. „An drei Abenden habe ich insgesamt neun Mal meine Biographie erzählt, das war anstrengend, aber schön.“ Mit ihrer Präsenz möchte sie den Blick auch auf die vietnamesische Community lenken. „Die bekommt nur wenig Aufmerksamkeit, fällt kaum auf“, sagt Hang.