In einem Sternmarsch haben sich die Schulen im Kölner Norden solidarisiert. Sie fühlen sich als Kinder und Jugendliche zweiter Klasse.
Großdemo gegen marode SchulenEltern und Schüler wollen Missstände in Köln nicht länger hinnehmen
Sie wollen, dass alle hinschauen, in den Kölner Norden: In einem eindrucksvollen Sternmarsch sind mehr als 2500 Eltern, Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte aus sechs Schulen aus dem Bezirk Chorweiler vor das Bezirksrathaus gezogen, um lautstark zu demonstrieren. „Wir werden nicht mehr leise werden und die Missstände nicht länger hinnehmen“, ruft Philipp Meise, stellvertretender Schulpflegschaftsvorsitzender des Heinrich-Mann-Gymnasiums, auf der Bühne. „Die ganze Stadt soll euch hören“, skandiert er und die Menge antwortet mit ohrenbetäubendem Lärm aus Trillerpfeifen.
Hier im Kölner Norden fühlen sie sich als Kinder und Jugendliche zweiter Klasse, das steht auf vielen Plakaten, die sie gebastelt haben. Wenn im Süden der Stadt irgendwo Mängel auftauchten – etwa in Lindenthal oder Sülz – dann seien Politik und Verwaltung viel schneller zur Stelle, so Schulpflegschaftsvorsitzende Melanie Vegesack. „In den tristen Norden blickt keiner.“ Mit dabei waren außer dem Heinrich-Mann-Gymnasium noch die Anna-Langohr-Schule, die KGS Lebensbaum, die Sankt-Martin-Schule, die GGS Worringen sowie eine Schülergruppe der Heinrich-Böll-Gesamtschule. Sie wollen für den Kölner Norden mit einer Stimme sprechen.
Defekte Heizung und Wasserrohrbrüche an Kölner Schulen
Die Liste der Mängel, die die sechs Schulen aufgelistet haben, ist lang. Am Heinrich-Mann-Gymnasium – immerhin 2019 öffentlichkeitswirksam vom Land Nordrhein-Westfalen zur Talentschule deklariert, um in einem Modellprojekt Bildungserfolg von sozialer Herkunft zu entkoppeln – warten sie seit 15 Jahren auf eine versprochene Sanierung der naturwissenschaftlichen Räume, defekte Heizungen sorgen für Unterrichtsausfall im Winter, Wasserrohrbrüche, dazu defekte Toiletten, listet die Pflegschaftsvorsitzende Melanie von Vegesack auf.
„Unsere Toiletten sind in so einem schlimmen Zustand, dass wir in der Schule nichts mehr trinken“, ruft eine Sechstklässlerin auf der Bühne ins Mikrofon. Im Publikum vor der Bühne heben Schülerinnen und Schüler die bildlichen Beweise hoch.
Egal, wen man fragt, sie alle haben einen großen Leidensdruck: „In unserer Schule bröckelt der Beton von den Wänden. Letztlich ist einem Jungen, der das Fenster öffnen wollte, das ganze Fenster auf den Kopf gefallen“, erzählt Sandra Menge, die zwei Kinder in der Katholischen Grundschule Lebensbaumweg hat. „Kein Politiker würde in so einem Büro arbeiten.“
Dazu komme der riesige Lehrermangel: Die eine vierte Klasse sei schon seit Wochen aufgeteilt, die Klasse ihrer Tochter habe die fünfte Klassenlehrerin in vier Jahren, erzählt eine andere Mutter. Auch die Sankt-Martin-Grundschule platzt angesichts der Schulplatznot bei den Grundschulen aus allen Nähten. Dazu komme, dass die Heizung im Winter nur spärlich funktioniert, erläutert Schulleiterin Nicole Günthner. Außerdem gebe es im Kölner Norden viel zu wenig Grundschulplätze.
Die beteiligten Schulen haben die Demonstration als „schulische Exkursion“ betitelt, damit alle problemlos mitlaufen konnten - eingebettet in eine Unterrichtsreihe zum Thema „Recht auf Bildung“. Denn diesem Grundrecht komme die Stadt nicht nach, kritisiert Schülersprecher Garij Maruntschu (17). Nicht mal problemlos funktionierendes Wlan sei gewährleistet.
„Ihr seid es nicht wert, dass man euch ein funktionierendes Bildungsangebot macht – das ist die Botschaft.“ Währenddessen werde die Kölner Oper für 900 Millionen Euro saniert. „Wir fordern adäquate naturwissenschaftliche Räume, funktionierende Sanitär- und Heizungsanlagen und sofort flächendeckendes Wlan. Sofort“, so Elternvertreter Meise.
Kölner Lied zum maroden Zustand der Schulen
Die Klasse 6a hatte mit ihrem Musiklehrer Rainer Tack sogar eigens ein Lied komponiert, das sie mit Band auf der Bühne vortrug. Den Refrain sangen die Demonstranten lautstark mit: „Wir sitzen in kaputten Räumen, so als würde man sehr schlecht träumen“, heißt es da. „Geduld ist eine Tugend, die die Verwaltung dieser Stadt für ihre Schulen im Übermaß hat. Deshalb stoßen wir heute alle in dieses große, laute Horn“, singen sie.
Und versprechen, dass sie nicht mehr leiser werden wollen: „Wenn es keine Verbesserungen und Politik und Verwaltung das nicht endlich angehen, werden wir das nächste Mal alle vor das Rathaus ziehen“, kündigt Organisator Meise an.